Homeoffice trotz vollständiger Impfung

Wann geht es zurück ins Büro?

Gastbeitrag von Dr. Michaela Felisiak und Dr. Dominik SorberLesedauer: 4 Minuten

Weiterhin besteht die Pflicht zur Arbeit im Homeoffice. Ausnahmen für Genesene und Geimpfte oder eine Koppelung an die Inzidenzen gibt es nicht. Michaela Felisiak und Dominik Sorber halten das für unverhältnismäßig.

Nicht für alle, aber für doch viele Beschäftigte hat das Homeoffice nach fast 18 Monaten Pandemie seinen anfänglichen Glanz verloren. Dies kann an dem Tausch des bequemen Bürostuhls gegen den Küchenstuhl, dem fehlenden ruhigen Arbeitsplatz oder den weiteren Annehmlichkeiten liegen, die ein Büro in der Regel bietet. Der Ruf nach der Rückkehr ins Büro wird immer lauter. Doch nach wie vor gilt die "Homeoffice-Pflicht"; und zwar ohne Ausnahme für Geimpfte und Genesene.

Dass die Frage nach der Rückkehr ins Büro gestellt werden muss, zeigt sich an dem folgenden Beispiel:

Der Großteil der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen übt Bürojobs aus. Diese Beschäftigten dürfen aufgrund des derzeit geltenden § 28b Abs. 7 Infektionsschutzgesetzes (IfSG) nicht ins Büro zurückkehren und dort arbeiten. Vielmehr sind sie seit der Änderung des IfSG verpflichtet, im Grundsatz im Homeoffice zu arbeiten. Dies gilt selbst dann, wenn voller Impfschutz für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besteht oder sie bereits genesen sind.

Anders ist dies jedoch, wenn sich die Beschäftigten abends gemeinsam im Biergarten treffen, bei bestem Wetter ein Feierabendbier trinken und auf über 50 Millionen verabreichte Corona-Schutzimpfungen anstoßen. In dieser Situation könnten sich – anders als im Büro – so viele geimpfte und genesene Personen treffen, wie an einem Biergartentisch Platz haben.

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Homeoffice-Pflicht gilt weiterhin

Juristisch ist dies möglich, da die Gruppe der Geimpften und Genesenen gemäß der seit dem 9. Mai geltenden Erleichterungen - u.a. in Bezug auf die zulässigen Kontakte - differenziert betrachtet wird und mangels des diesbezüglichen Infektionsrisikos bei der Frage der zulässigen Kontakte nicht mitgezählt werden. Diese Differenzierung zwischen einerseits Geimpften bzw. Genesenen und andererseits den (noch) Nicht-Geimpften, gibt es jedoch nicht in Bezug auf die Arbeit im Homeoffice.

Der Gesetzgeber regelt in § 28b Abs. 7 IfSG eine grundsätzliche "Homeoffice-Pflicht". In § 28b Abs. 7 IfSG heißt es, dass ein Arbeitgeber bzw. eine Arbeitgeberin den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten hat, diese zu Hause auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot – anders als beispielsweise die angebotenen Corona-Tests – anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.

Dies gilt unabhängig von der Inzidenz oder einem negativen Test. Entsprechend gibt es auch keine Ausnahme für Geimpfte oder Genesene.

Sachliche Gründe als Ausnahmen

Dem Homeoffice entgegenstehende Gründe auf Seiten der Beschäftigten iSd § 28b Abs. 7 Satz 2 IfSG bestehen etwa, wenn zu Hause Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht ausreichend geschützt oder datenschutzrechtliche Vorgaben nicht eingehalten werden können. Auch eine nicht geeignete Internetverbindung, um beispielsweise an Videokonferenzen teilnehmen zu können, kann – jedenfalls übergangsweise bis zur Behebung technischer Probleme – ein geeigneter Grund sein, der gegen eine Homeoffice-Tätigkeit angeführt werden kann. Gleiches gilt für das schlichte Fehlen eines Arbeitsplatzes zu Hause, an dem der Beschäftigte konzentriert und ohne ständige Ablenkung seine Tätigkeiten erfüllen kann. In all diesen und auch weiteren (denkbaren) Fällen, können Beschäftigte ihrem Büroarbeitsplatz aufsuchen und nutzen.

Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, der gegen eine Homeoffice-Tätigkeit spricht, gelten für Beschäftigte im Büro die bekannten Regelungen aus der Arbeitsschutzverordnung.

Neben diesen - bundesweit allgemein gültigen - Vorgaben, haben einzelne Bundesländer weitere Kriterien aufgestellt, die eingehalten werden müssen. Unter anderem regelt Berlin, dass beispielsweise nur 50% der Büroarbeitsplätze besetzt sein dürfen. Auch dies ist bei Bürorückkehrern und Bürorückkehrerinnen zu berücksichtigen.

Pandemische Lage weitere drei Monate

Die aufgezeigte Diskrepanz zwischen dem privaten Bereich (z.B. Biergarten) und dem beruflichen Bereich (z.B. Homeoffice-Pflicht) ist nicht nachvollziehbar. Auch mit Blick auf das Infektionsgeschehen ist kein sachlicher Rechtfertigungsgrund für diesen Eingriff ersichtlich. Vielmehr sollten Lockerungen von Corona-Beschränkungen für Geimpfte und Genesene in allen Lebensbereichen und nicht nur für Biergartenbesuche gelten. Aus diesem Grund sollte der Gesetzgeber umgehend einen neuen Satz 3 in § 28b Abs. 7 IfSG aufnehmen. Dieser könnte lauten: "Dies gilt nicht für vollständig Geimpfte und Genesene."

Auch die generelle Homeoffice-Pflicht muss auf den Prüfstand gestellt werden. Die Regierungskoalition beabsichtigt, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, die bis zum 30. Juni 2021 befristet ist, um drei weitere Monate zu verlängern. Soweit der Bundestag eine Verlängerung beschließt, sind weitere Gesetzesanpassungen erforderlich.

Die Maßnahmen, die das IfSG neben der Homeoffice-Pflicht zur Eindämmung der Pandemie vorsieht, hängen stets von der Sieben-Tage-Inzidenz ab. Andere Tätigkeiten knüpfen an das Vorliegen eines negativen Corona-Tests an. Bezüglich der Homeoffice-Pflicht gilt jedoch bis jetzt weder das eine noch das andere.

Testpflicht an Inzidenzen koppeln

Auch dies sollte sich künftig ändern. Es sollte ein abgestuftes System eingeführt werden, dass erforderlich, geeignet und angemessen ist. Denkbar wäre es auch, ab einer gewissen Inzidenz (z.B. 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) eine Regelung einzuführen, nach der ab dem übernächsten Tag eine Testpflicht für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen besteht und diese vor dem Betreten des Büros einen Schnelltest durchführen müssen (echte Testpflicht).

Generelle Ausnahmen von der Homeoffice-Pflicht sollten bundesweit an die aktuell bestehenden Erleichterungen angepasst werden, sodass die Homeoffice-Pflicht nicht länger für Geimpfte und Genesene gilt. Soweit Personen weder genesen noch geimpft sind, sollten sie dies durch einen negativen Schnelltest ausgleichen können. Weiterhin sollten geimpfte und genesene Personen auch in Länderverordnungen, wie zum Beispiel in Berlin, bei der Berechnung der 50%-Büroarbeitsplatzbesetzungsquote nicht mitgezählt werden.

Der Gesetzgeber sollte diese Vorschläge aufnehmen, sodass die Homeoffice-Pflicht an das Infektionsgeschehen und insbesondere an die Impfquote angepasst ist – und damit verhältnismäßig wird.

Die Autoren sind Anwälte bei Beiten Burkhardt in München und Mitglieder Praxisgruppe Arbeitsrecht. Sie beraten ihre nationalen und internationalen Mandanten auf dem gesamten Gebiet des Arbeitsrechts.

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