Ausschluss von gefahrgeneigten Hobbies durch Arbeitgeber

Fuß­ball kann nicht ver­boten werden

Gastbeitrag von Dr. Erik SchmidLesedauer: 5 Minuten

Der Mitarbeiter will ein Schlammrennen mit Hindernissen mitmachen oder wilde Klettersteige entlang kraxeln? Das darf er. Ein Arbeitgeber kann normalen Beschäftigten nicht in die Freizeitgestaltung hereinreden, erklärt Erik Schmid.

 Im Arbeitsverhältnis bestehen für den Arbeitnehmer mit der Arbeitspflicht und für den Arbeitgeber mit der Vergütungspflicht zwei Hauptleistungspflichten. Die Arbeitspflicht bedeutet, dass der Arbeitnehmer bestimmte arbeitsvertragsgemäße Arbeiten während der Arbeitszeit durchzuführen hat. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Arbeitspflicht gemäß des Weisungsrechts aus § 106 Gewerbeordnung (GewO) hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen zu konkretisieren.

In den Bereich der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers darf durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich nicht eingegriffen werden. Das sagt jedenfalls das Bundesarbeitsgericht (BAG) Streitgegenstand war die Pflicht des Arbeitnehmers, seine Steuererklärung unter Mithilfe des Steuerberaters des Arbeitgebers durchzuführen (Urt. v. 23.08.2012, Az. 8 AZR 804/11).

Das Weisungsrecht kann nur das Verhalten der Arbeitnehmer "im Betrieb" regeln, nicht außerhalb. Damit gilt weiterhin die Redensart "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps". Berufsleben und Privatleben bzw. Arbeitszeit und Freizeit sind streng voneinander zu trennen. Was Arbeitnehmer in ihrer Freizeit machen, geht den Arbeitgeber eben nichts an. Hierfür spricht auch Art. 2 Grundgesetz (GG), wonach jeder ein Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat.

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Strikte Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit angemessen?

Dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine konkreten Vorschriften hinsichtlich seines Privatlebens machen darf, ist anhand folgender Beispiele (noch) nachvollziehbar: Den Arbeitgeber geht es nichts an, welche Restaurants der Arbeitnehmer besucht, ob und wie der Arbeitnehmer eine Familie plant, welche Kleidung der Arbeitnehmer trägt, etc.

Die strikte Trennung der Arbeitszeit von der Freizeit muss jedoch begrenzbar sein, wenn mit der Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers der Arbeitgeber gegen Gesetze verstoßen würde (z.B. Arbeiten von zwölf Stunden am Tag und damit Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz), seiner Fürsorgepflicht gegenüber anderen Arbeitnehmern nicht nachkommen könnte (z.B. wenn Ungewissheit über schwere Krankheit eines Mitarbeiters nach Auslandsreise und mögliche Ansteckungsgefahr auf Belegschaft besteht), der Ruf des Arbeitgebers gefährdet werden könnte oder die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers so abnimmt, dass er der Arbeitspflicht nicht oder nicht ausreichend nachkommen kann (z.B. wenn Arbeitnehmer aufgrund der Ausübung des Hobbies, wie Jagen, Tauchen oder Bergsteigen in der Nacht, völlig übermüdet am Arbeitsplatz erscheint und gegebenenfalls immer wieder einschläft).

Beschränkungen der Freizeitgestaltung

Gefahrgeneigte Hobbies sowie jegliche Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers sind gesetzlich bzw. vertraglich automatisch beschränkt bzw. unzulässig, wenn sie mit Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers kollidieren. Selbst ohne ausdrückliche Regelung ist kraft Arbeitsverhältnis eine im Wettbewerb zum Arbeitgeber stehende Hobby-Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht zulässig (z.B. Musiker in einem Orchester, der als Hobby Konkurrenz-Musik-Veranstaltungen anbietet).

Eine gesetzliche Beschränkung der Freizeitgestaltung liegt zudem vor, wenn das Hobby ebenfalls im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt wird (z.B. Trainer, Ausübung eines gefahrgeneigten Hobbies für einen Dritten gegen Entgelt) und damit gegen die Grenzen des Arbeitsschutzes, insbesondere des Arbeitszeitgesetzes verstoßen wird.

Krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer trifft auch die Pflicht, sich während ihrer Krankheit nicht genesungswidrig zu verhalten. Ein Arbeitnehmer, der wegen einer Grippe krankgeschrieben ist, darf keinen Marathon laufen, ein Arbeitnehmer, der wegen Kreislaufproblemen krankgeschrieben ist, darf nicht Fallschirmspringen oder Skilaufen bei einer Hirnhautentzündung (BAG, Urt. v. 02.03.2006, Az. 2 AZR 53/05).

Zulässigkeit von arbeitsvertraglich vereinbarter Freizeitbeschränkung?

Grundsätzlich geht es den Arbeitgeber also nichts an, was der Arbeitnehmer in seiner Freizeit macht. Doch ist es zulässig, (weitere) Ausnahmen arbeitsvertraglich zu vereinbaren? Arbeitnehmer würden sich dann arbeitsvertraglich verpflichten, bei der Gestaltung ihrer Freizeit und damit außerhalb der Arbeitszeit auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.

Vom Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO ist dies nicht gedeckt. Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung muss der strengen Zulässigkeitskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) standhalten. Es kommt auf den jeweiligen Einzelfall an. Als "Faustformel" kann jedoch herangezogen werden, dass je höher die Position des Arbeitnehmers und je höher die Vergütung, desto eher sind vertraglich vereinbarte Einschränkungen der Freizeitgestaltung zulässig. Ein Überblick über Einzelfälle:

•    Das BAG stuft Skispringen, Drachenfliegen oder Motorradrennen – obwohl eine erhebliche Verletzungsgefahr besteht – als nicht besonders gefährliche Sportarten ein. Diese Hobbies gefährden die Ausübung des Berufs zweifellos. Die arbeitnehmerfreundliche Haltung wird ersichtlich. Grundsätzlich dürfen diese Hobbies nicht verboten werden.

•    Etwas anderes gilt für höhere Positionen, wie bei Geschäftsführern, Leitenden Angestellten, Leitenden Ärzten oder Partnern in Kanzleien. Etwas anderes gilt auch in besonderen Arbeitsverhältnissen, wie bei Profisportlern oder Schauspielern, Musiker sowie Radio- oder TV-Moderatoren. Bei diesen Berufen ist eine kontinuierliche Präsenz im Wettkampf oder in den Medien erforderlich, und es ist vertretbar, Verbote für verletzungsanfällige Sportarten zu vereinbaren.

•    Aufgrund von Fürsorgepflichten gegenüber Kunden des Arbeitgebers ist es zulässig, die Freizeitgestaltung so einzuschränken, dass Arbeitnehmer zu Beginn ihrer Arbeitszeit die Arbeitsleistung uneingeschränkt erbringen können. Beispielsweise können Lkw-Fahrer, Busfahrer, Taxi-Fahrer oder Piloten der Alkohol- und Drogenkonsum in der Freizeitphase für einen bestimmten Zeitraum vor Arbeitsantritt untersagt werden, damit die Arbeitnehmer zu Beginn ihrer dienstlichen Tätigkeit uneingeschränkt leistungsfähig sind.

•    Grundsätzlich sind Arbeitnehmer nicht eingeschränkt, in welchem Land und mit welchen Aktivitäten sie Urlaub machen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn Länder bereist werden sollen, in denen durch den Aufenthalt oder durch eine besondere Aktivität (Dschungelwanderung) eine hohe Ansteckungsgefahr gegeben ist.

•    Beschränkungen von Hobbies und der Freizeitgestaltung im Arbeitsvertrag können bei Straftaten im Privatleben zulässig sein. Jedenfalls dann, wenn dies Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis (z.B. durch Entzug der Fahrerlaubnis) oder negative Auswirkungen auf den Ruf des Arbeitgebers hat.

•    Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit und damit auch gefahrgeneigte Hobbies, soweit dies in einer Nebentätigkeit erfolgt, nur mit Zustimmung des Arbeitgebers ausüben darf. Es ist zulässig, dass jede Nebentätigkeit zu unterlassen ist, die mit der Arbeitspflicht oder den schützenswerten Interessen des Arbeitgebers kollidiert.

Folgen der Ausübung gefahrgeneigter Hobbies

Selbst wenn der Arbeitgeber gefahrgeneigte Hobbies nur in ganz begrenztem Umfang einschränken darf, ist die Ausübung durch den Arbeitnehmer nicht folgenlos für das Arbeitsverhältnis. Wer aufgrund der Ausübung eines gefahrgeneigten Hobbies krankheitsbedingt ausfällt, hat nur Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für bis zu sechs Wochen, wenn ihn kein "Verschulden" trifft. Wer jedoch in der Freizeit besonders leichtsinnig agiert und gefahrgeneigte oder gar gefährliche Hobbies ausübt, obwohl er geistig und körperlich dazu nicht in der Lage ist, kann seinen Entgeltfortzahlungsanspruch verlieren.

Als gefährliche Sportart hat die Rechtsprechung übrigens bisher nur Kickboxen eigeordnet, nicht aber Moto-Cross-Rennen, Amateurboxen, Drachenfliegen oder Fußball (BAG Urt. v. 21.01.1976, Az. 5 AZR 593/74). Letzteres sei zwar ein "Kampfspiel", gehöre jedoch zu den verbreitetsten Sportarten überhaupt, entschied das BAG.

Durch die Freizeitgestaltung, die möglicherweise vom Arbeitgeber nicht verboten werden kann, aber den Ruf der Firma gefährdet (z.B. rassistische Äußerungen in sozialen Netzwerken) oder aufgrund des Hobbies die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers beeinträchtigt, können arbeitsrechtliche Sanktionen, wie Abmahnung oder Kündigung folgen.

Dr. Erik Schmid ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Er berät nationale und internationale Unternehmen in allen arbeitsrechtlichen Themen, insbesondere in dem Bereich der Unternehmensmitbestimmung.

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