Wahlrecht zwischen Beihilfe und Arbeitgeberzuschuss zur GKV

Gesetz­liche Kran­ken­ver­si­che­rung für Richter und Beamte?

Gastbeitrag von Dr. Frank EngellandtLesedauer: 4 Minuten

Immer mehr Bundesländer wollen Richtern und Beamten ermöglichen, zwischen einer Versicherung in der privaten oder der gesetzlichen Krankenkasse zu wählen. Was sind die Vor- und Nachteile des Systemwechsels?

Seit August 2018 bietet Hamburg für neu eingestellte Beamte und Richter ein Wahlrecht zwischen privater Krankenversicherung (PKV) und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) an, indem es analog zum Arbeitgeberbeitrag in der Sozialversicherung fünfzig Prozent des Beitrags zur GKV als pauschale Beihilfe leistet. Voraussetzung ist der unwiderrufliche Verzicht auf individuelle Beihilfeansprüche. Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen wollen ab 2020 ähnliche Regelungen einführen.

Beamte und Richter haben Anspruch auf Gesundheitsfürsorge durch Beihilfeleistungen ihrer Dienstherren. Der konkrete Umfang der Beihilfeleistungen ist wegen der jeweils eigenständigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder unterschiedlich ausgestaltet. Die Erstattungsquote beträgt im Allgemeinen für aktive Berufsträger 50 Prozent, für deren Kinder 80 Prozent und für Pensionäre 70 Prozent der Behandlungskosten. Der Differenzbetrag kann über eine beihilfekonforme PKV abgesichert werden.

Bundesweit sind etwa 94 Prozent aller Beamten und Richter über eine Kombination aus Beihilfe und PKV krankenversichert. Beihilfeberechtigte können sich aber auch freiwillig in der GKV versichern. Sie haben jedoch keinen Anspruch auf den hälftigen Arbeitgeberbeitrag, weil sie nicht sozialversicherungspflichtig sind. Auch die Beihilfe gewährte zur GKV bis vor kurzem keine Zuschüsse. Dies hatte zur Folge, dass eine Mitgliedschaft in der GKV finanziell nicht attraktiv war.

Die Einführung der Beihilfe zur GKV wird je nach Perspektive unterschiedlich bewertet: Aus fiskalischer Sicht geht es um die Frage, ob durch den Wechsel einer größeren Anzahl von Beamten in die GKV Haushaltseinsparungen realisiert werden können, aus politischer Sicht kann der Wechsel von Beamten aus der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung den Einstieg in die Bürgerversicherung markieren und für die privaten Krankenversicherer stellt sich die Frage nach ihrer wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit, wenn die Beamtenschaft als eine ihrer größten Mitgliedergruppe zukünftig gesetzlich versichert ist. Doch wie ist das Wahlrecht zwischen PKV und GKV aus Sicht der Richter und Beamten zu beurteilen?

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PKV reagiert mit Aktionen für Beamte und Richter

Der Vorteil der bestehenden Regelung wird überwiegend darin gesehen, dass für die gesamte Beamtenfamilie ein qualitativ hochwertiger Versicherungsschutz zu überschaubaren Kosten erlangt werden kann. Der Status des Privatpatienten ermöglicht einen unbürokratischen, von den Budgetierungszwängen der GKV losgelösten Zugang zu modernen Behandlungsmethoden und stellt damit ein wesentliches Attraktivitätsmerkmal des Beamtenverhältnisses dar.

Die geltenden Beihilferegelungen sind jedoch unbefriedigend für die etwa 6 Prozent freiwillig gesetzlich versicherten Beamten und Richter, weil sie die Kosten ihrer Gesundheitsfürsorge in der GKV vollständig selbst tragen müssen, was als ungerecht empfunden wird. Dies insbesondere dann, wenn Versicherungsschutz in der PKV aufgrund von Vorerkrankungen des Mitglieds oder seiner Familienangehörigen nicht oder nicht zu angemessenen Konditionen erlangt werden kann. Für diesen Personenkreis stellt das Wahlrecht für einen Zuschuss zur GKV eine klare Verbesserung dar.

Die privaten Krankenversicherer haben bereits auf die veränderte Wettbewerbssituation reagiert und werben mit einer Öffnungsaktion für Beamte bzw. Richter mit Vorerkrankungen. Diesen soll unter bestimmten Maßgaben eine beihilfekonforme Restkostenversicherung mit einem auf max. 30 Prozent gedeckelten Risikoaufschlag gewährt werden.

Der mit der Einführung des Hamburger Modells ausgelöste Wettbewerb der Systeme ist für freiwillig gesetzlich versicherte Beamte und Richter uneingeschränkt positiv zu bewerten. Sie können ihre Beitragslast in der GKV erheblich reduzieren und alternativ dazu auch von der Öffnungsaktion der PKV profitieren.

Leistungen und Kosten genau vergleichen

Ob für Berufseinsteiger eine Versicherung in der GKV mit pauschalem Beihilfezuschuss Sinn macht, kann nur individuell entschieden werden. Bei jüngeren und gesunden Neueinsteigern ist im Regelfall die PKV finanziell günstiger. Zur Absicherung und zum Vergleich sollten aber insbesondere bei möglichen Vorerkrankungen konkrete Angebote der PKV eingeholt werden, um Klarheit über den konkreten Umfang des privaten Versicherungsschutzes und die damit verbundenen Kosten zu erlangen. Inhaltlich sollte darauf geachtet werden, dass der private Versicherungsschutz die üblichen privatärztlichen Leistungen zum Normaltarif vollständig abdeckt, so dass im Regelfall eine Vollerstattung privatärztlicher Behandlungskosten erreicht wird.

Der im Zusammenhang mit der PKV häufig diskutierte Aspekt einer nach Beendigung der aktiven Berufsphase stark ansteigenden Kostenlast ist für Beamte und Richter weniger relevant, weil sie nach ihrer Pensionierung Beihilfeleistungen von 70 Prozent erhalten, was den Prämienanstieg erheblich dämpft. Umgekehrt ist im System der GKV in Rechnung zu stellen, dass bei einer freiwilligen Mitgliedschaft im Pensionsalter neben der Pension auch weitere steuerlich relevante Einkünfte wie z.B. private Renten, Kapitalerträge und Mieteinkünfte bis zur Bemessungsgrenze in die Beitragsbemessung einbezogen werden. Ein klarer Vorteil der GKV ist jedoch die kostenlose Mitversicherung von Familienangehörigen.

Neben den finanziellen Aspekten ist natürlich auch die jeweilige Versorgungsqualität zu beachten. Hier bestehen für Privatpatienten regelmäßig Vorteile. Eine Vollerstattung aller Kosten ist jedoch nicht immer gewährleistet. Die Beihilfeverordnungen des Bundes und der Länder enthalten Leistungseinschränkungen, so werden z.B. privatärztliche Wahlleistungen bei Klinikaufenthalten, etwa Chefarztbehandlungen, in einigen Ländern nicht erstattet und müssen ggf. extra privat versichert werden. Zudem bestehen regelmäßig Beihilfeselbstbehalte, die im Ergebnis zu einer indirekten Erhöhung der Krankenversicherungskosten führen.

Im Hinblick auf den hohen Kostendruck im Gesundheitswesen und die computergestützte Abrechnungsoptimierung der Behandler gehen die Privatversicherer und die Beihilfestellen auch zunehmend dazu über, ärztliche Rechnungen im Detail zu überprüfen und Kürzungen vorzunehmen. An dieser Stelle drohen, wenn vom Behandler kein entsprechender Nachlass zu erzielen ist, weitere Kostenbelastungen. Demgegenüber rechnet die GKV direkt mit den medizinischen Leistungserbringern ab, was für die Versicherten angenehmer ist. Dabei sollen im Grundsatz alle medizinisch notwendigen Leistungen erstattet werden.

Die Vergütungsstruktur der GKV und die den Behandlern auferlegten Budgetierungszwänge können jedoch im Vergleich zu Privatpatienten zu faktischen Einschränkungen in der Versorgungsqualität führen, was etwa in der Diskussion über die Wartezeiten für Facharzttermine anschaulich zum Ausdruck kommt. Die Entscheidung zwischen PKV und GKV hängt damit auch von individuellen Präferenzen und der familiären Situation ab. Dabei sollte auch ein möglicherweise ins Auge gefasster Wechsel des Bundeslandes bedacht werden, weil eine pauschale Beihilfe zur GKV nicht flächendeckend gewährt wird.

Dr. Frank Engellandt ist Richter am Finanzgericht in Kiel. Er ist langjährig ehrenamtlich für den Deutschen Richterbund als Besoldungs- und Dienstrechtsexperte tätig.

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