Wohin soll es gehen und wie kommt man hin?
Für den Berufseinstieg beim Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft spricht einiges: Die Stellen gelten als sicher, familienfreundlich und gesellschaftlich anerkannt. Aber abwechslungsreich? Den Ruf hat die Justiz nicht unbedingt.
Dabei muss niemand vierzig Jahre im gleichen Dienstzimmer sitzen. Gerade in den ersten Jahren ist es üblich, das Dezernat häufig zu wechseln. Dabei lernt man nicht nur neue Rechtsgebiete kennen, sondern auch unterschiedliche Führungsstile, Teams und Arbeitskulturen.
Aber es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, Erfahrung zu sammeln – und zwar auch bei Bundesgerichten, in Ministerien und bei der EU.
Die Erprobung am Obergericht – der Klassiker
In den meisten Bundesländern gilt: Vor der Beförderung steht die "Erprobung". Für eine gewisse Zeitdauer soll man sich an anderer Stelle bewähren. Diese Bewährungszeit hat Tradition und ist entsprechend förmlich ausgestaltet.
In der Regel findet die Erprobung am Obergericht oder bei der Generalstaatsanwaltschaft statt. Das ist grundsätzlich für alle Seiten eine gute Idee: Die Leitung des vorgesetzten Gerichts ("Chefpräsident") oder der vorgesetzten Staatsanwaltschaft ("Generalstaatsanwalt" oder noch kürzer "General") lernt den hoffnungsvollen Nachwuchs gut kennen. Der Nachwuchs wiederum zeigt nicht nur das eigene Gesicht, sondern macht wertvolle Erfahrungen mit der Arbeitsweise der Instanz. Diese Erprobung ist ein bewährter Klassiker und weiterhin in vielen Bundesländern üblich.
Mit Blick auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen es aber nicht immer die früher üblichen zwölf Monate an einem – womöglich weiter entfernten – Obergericht sein. Inzwischen sind auch Teilzeitvarianten mit Homeoffice-Tagen, eine kürzere Erprobungszeit von sechs bis neun Monaten oder eine Erprobung am Landgericht möglich.
Die Abordnung – etwa nach Berlin oder Karlsruhe
Doch die Erprobung am Obergericht oder der Generalstaatsanwaltschaft ist nicht der einzige Weg, die Qualifikation für eine etwaige spätere Beförderung zu erlangen. Möglich ist auch eine Erprobung als juristischer Fachreferent im Justizministerium des Landes, bei anderen Landesministerien, bei Bundesministerien oder im Bundespräsidialamt. Sogar die Mitarbeit bei internationalen Organisationen ist denkbar.
Außerdem besteht die Möglichkeit, als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einem Bundesgericht oder auch beim Bundesverfassungsgericht zu arbeiten. Solche Mitarbeiter sind einem Richter zugeordnet und bereiten einzelne Verfahren bis zum Entscheidungsentwurf vor. Wegen der Bedeutung dieser Arbeit spricht man beim Bundesverfassungsgericht – durchaus anerkennend – vom "Dritten Senat". In diesen Fällen ist eine zweijährige Erprobungsabordnung üblich.
Lust auf mehr? Abordnung vor oder nach der Erprobung
Eine schnelle Rechnung: Vierzig Jahre minus zwei Jahre in der weiten Welt sind immer noch 38 Jahre im heimatlichen Dienstzimmer. Das muss nicht sein. Gerade die Justizministerien (oder, je nach Bundesland, auch das Fachministerium, dem die eigene Gerichtsbarkeit zugeordnet ist) benötigen mehr juristisches Personal, als sie durch Erprobungsabordnungen bekommen können. Abordnungen vor oder nach einer Erprobung sind also durchaus möglich. Das gilt auch für die Bundesgerichte.
Dazu kommen Abordnungen an Einrichtungen, die vielfach nicht "erprobungsfähig" sind: Etwa an Landes- und Bundeseinrichtungen bei der EU oder an die Europäische Kommission oder das Europäische Parlament.
Diese Abordnungen sind auch wichtig für Tätigkeiten im Justiz-Management. Leitungsfunktionen in der Justiz, die mit Personalverantwortung und weiterer Verwaltungsverantwortung verbunden sind, erfordern entsprechende Verwaltungskenntnisse. Die erwirbt man zum Beispiel im Ministerium, etwa in der Zentralabteilung mit Verantwortung für Personal, Haushalt, IT oder Organisation, oder als Präsidialrichter in der Verwaltungsabteilung eines Obergerichts. Wer einmal den Lebenslauf einer Führungskraft in der Justiz (veröffentlicht etwa auf der Homepage des jeweiligen Gerichts oder der Staatsanwaltschaft) liest, wird dort mit einiger Sicherheit eine Phase eines solchen "trainings on the job" finden.
Einfach mal die Vorgesetzten ansprechen
Der Zugang zu Abordnungen funktioniert wie der Zugang zu allen anderen Jobs: Man bewirbt sich oder man wird angesprochen. Das Bewerbungsverfahren ist in vielen Ländern auf Verwaltungsebene geregelt. Das gilt insbesondere für den Zugang zu Erprobungsmöglichkeiten, der gelegentlich auch heiß umkämpft sein kann. Da finden sich Regelungen zum Mindestdienstalter (zum Beispiel mindestens acht Jahre nach Einstellung in Baden-Württemberg, oder mindestens drei Jahre nach Verplanung in Niedersachsen), zu einer Bestenauslese (bei Bewerberüberhang etwa in Bremen) oder zu einer Kombination aus Dienstalter und Bestenauslese (etwa in Rheinland-Pfalz).
Ob man gefragt wird, ist naturgemäß intransparent und kaum zu steuern. Die Erfahrung zeigt, dass diejenigen, die für bestimmte Jobs ("Verwendungen") angesprochen werden, durch ihre Leistungen und möglicherweise auch besondere Qualifikationen aufgefallen sind. Das können Sprachkenntnisse sein, aber auch andere besondere Kenntnisse und Fähigkeiten. Wer sich neben Jura mit IT, Statistik oder Psychologie auskennt, fällt auf.
Jedes Bundesland hat seine Besonderheiten. Die lassen sich wahrscheinlich, wenn auch nicht immer, in Allgemeinverfügungen nachlesen. Dazu kommen aber meist Usancen, die nicht allgemein bekannt sind. Deshalb ist es sinnvoll, das Interesse an einer Abordnung frühzeitig den jeweiligen Führungskräften mitzuteilen. Das sind mit großer Wahrscheinlichkeit Menschen, die die Möglichkeiten und Zugangsvoraussetzungen gut kennen, die beraten können und fördern wollen.
Manchmal geht es auch ohne
Zu dieser Beratung sollte auch die Frage gehören, was mit einer Abordnung angestrebt wird. Geht es vor allem um die bereichernde Persönlichkeitsbildung? Oder soll die Abordnung auch ein Baustein für "das weitere Fortkommen" (von "Karriere" spricht man in der Justiz üblicherweise nicht gern) sein?
Dabei werden die jeweiligen Möglichkeiten zur Erprobung und Abordnung in den verschiedenen Ländern und jeweiligen Gerichtsbarkeiten unterschiedlich gewichtet. Eine Daumenregel: Je weiter und je länger man sich von seinem Heimatgericht entfernt, desto eher gerät man bei den heimischen Vorgesetzten in Vergessenheit. Dennoch lohnt sich oft ein Umweg. Denn eine weitere Daumenregel ist, dass die Justiz Allrounder braucht, die in verschiedenen Dezernaten eingesetzt werden können – hier spricht man anerkennend von "Verwendungsbreite".
Welche Wege offenstehen, hängt natürlich nicht nur von der Justiz ab, sondern auch von den persönlichen Lebensumständen. Dann ist möglicherweise schon eine Erprobung von noch nicht einmal einem Jahr nicht zu realisieren. Das ist gerade in der Familienphase und vor allem dann, wenn das Obergericht weit entfernt ist, schwierig.
Etliche Justizverwaltungen haben darauf schon reagiert. Es gibt vereinzelt die Möglichkeit der Erprobung am eigenen Gericht oder einem nah gelegenen erstinstanzlichen Gericht, oder auf die Anforderung einer Erprobung wird ganz oder im Einzelfall verzichtet. Denn eins ist klar: Die Justiz hat auch ein handfestes und berechtigtes Interesse daran, die Besten zu fördern und in Leitungsfunktionen zu bringen. Und das können auch solche sein, die schlicht ausgezeichnete Arbeit machen. Damit kann man auch am eigenen Gericht auffallen.
Dr. Stefanie Killinger ist Präsidentin des Verwaltungsgerichts Göttingen und Mitglied im Deutschen Juristinnenbund (djb), dort gehört sie der Kommission für Verfassungsrecht, öffentliches Recht und Gleichstellung an.
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2020 M09 14
Justiz
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