Neuer Name und vervierfachte Beiträge
"Der ärmste Mensch ist der, der keine Beschäftigung hat", wusste schon Albert Schweitzer – wenngleich ihm dabei nicht bewusst gewesen sein dürfte, welches gesellschaftspolitische Problem der heutigen Zeit er damit auf den Punkt brachte. Auch wenn die Arbeitslosenzahl in Deutschland trotz Wirtschafts- und Finanzmarktkrise nicht im befürchteten Ausmaß gestiegen war und bereits wieder im Sinken begriffen ist: Die Absicherung im Fall der Arbeitslosigkeit bleibt ein kontrovers diskutiertes und wichtiges Thema. Für einen Angestellten ist die Sache klar: Er und sein Arbeitgeber bezahlen obligatorisch monatlich gehaltsabhängige Beiträge in die Arbeitslosenversicherung. Tritt die Arbeitslosigkeit tatsächlich ein, hat er, sofern alle Voraussetzungen vorliegen, Anspruch auf Arbeitslosengeld. Wie aber kann ein Selbständiger sich schützen?
Die gute Nachricht
Nach einer längeren Phase der Unsicherheit herrscht endlich Klarheit: Die Möglichkeit zur freiwilligen (Weiter-)Versicherung bleibt im Jahr 2011 für Selbständige bestehen - einen Arbeitsumfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich vorausgesetzt. Die neue Regelung findet sich im Beschäftigungschancengesetz. Gegen Arbeitslosigkeit weiterversichern kann sich demnach ein Selbständiger, der- innerhalb der letzten zwei Jahre vor Aufnahme seiner Tätigkeit mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach SGB III gestanden hat, zum Beispiel als Arbeitnehmer, durch versicherungspflichtige Erziehungszeit oder versicherungspflichtigen Bezug von Krankengeld. Es ist hierbei nicht erforderlich, dass es sich um ein durchgehendes Versicherungspflichtverhältnis handelt, vielmehr können auch einzelne Versicherungszeiten zusammengerechnet werden.
- unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit eine Entgeltersatzleistung nach SGB III, zum Beispiel Arbeitslosengeld, bezogen hat
- nicht bereits anderweitig versicherungspflichtig ist, zum Beispiel als Arbeitnehmer, Wehrpflichtiger oder bei Erziehungszeiten.
Die Kehrseite der Medaille
Allerdings sehen sich Existenzgründer im Jahr 2011 im Vergleich zur Altregelung, welche bis Ende 2010 galt, mit einer Reihe von Änderungen konfrontiert. Im Jahr 2010 betrugen die monatlichen Beiträgen 17,89 Euro (alte Bundesländer) bzw. 15,19 Euro (neue Bundesländer). Dem stand - je nach Bildung, Steuerklasse und Kinderanzahl - ein Anspruch auf Arbeitslosengeld von knapp 600 bis rund 1400 Euro monatlich gegenüber. Seit dem 1. Januar 2011 müssen nun alle Versicherten zunächst den doppelten Beitragssatz von rund 38 Euro (West) bzw. 32 Euro (Ost) bezahlen. Ab 2012 steigt der Beitragssatz noch einmal auf das jeweils Doppelte. Hintergrund: Der Monatsbeitrag im Jahr 2011 bemisst sich an der halben Bezugsgröße in der gesetzlichen Sozialversicherung, ab 2012 an der vollen. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass ein Existenzgründer im Gründungsjahr nur den halben Beitragssatz bezahlen muss. Er kann sich mit Recht die Frage stellen, ob sich diese Versicherung in seinem Fall noch lohnt. Es ist nicht verwunderlich, dass die gestiegenen Beiträge auf erheblichen Widerstand stoßen. "Für uns ist die enorme stufenweise Erhöhung der Beiträge bei gleichzeitig weiterhin nach Qualifikationsstufen gestaffelter Leistung in keiner Weise nachvollziehbar", kritisiert die Leiterin des 'Referats Selbständige' bei ver.di, Veronika Mirschel. Und sie fragt sich "warum es nicht einen Anspruch auf 100 Prozent Leistung bei 100 Prozent Beitrag gibt – jeweils bezogen auf die Bezugsgröße?"Zweimaliger Bezug von Arbeitslosengeld als Ausschlussgrund
Seit Anfang 2011 kann sich zudem ein Selbständiger, der zweimal Arbeitslosengeld bezieht, nicht mehr freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichern. Ausnahme: Der Antragsteller hat nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes wieder 12 oder mehr Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit gestanden und damit einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Diese Sperrung des Zugangs nach zweimaligem Leistungsbezug ist ver.di ebenfalls ein Dorn im Auge. "Damit wird indirekt unterstellt, dass Selbstständige leichtfertig in den Leistungsbezug gehen. Das sollte man sich mal bei Arbeitnehmern vorstellen, dass sie nach zweimaligem Leistungsbezug von dieser Möglichkeit der Risikoabsicherung ausgeschlossen werden", moniert Veronika Mirschel. Selbständige, die bereits vor dem Jahr 2011 freiwillig versichert waren, werden automatisch nach den neuen Regelungen weiterversichert, jedoch gilt bis zum 31. März 2011 ein Sonderkündigungsrecht. Dieses kann rückwirkend zum 31.Dezember 2010 geltend gemacht werden. Wer die Möglichkeit nicht nutzt oder sich erst nach dem 1. Januar 2011 versichert, kann das Versicherungsverhältnis erst nach fünf Jahren und dann jeweils mit einer dreimonatigen Frist kündigen. Für Veronika Mirschel besteht kein Zweifel daran, dass zahlreiche Versicherte von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen werden. "Das wird aus zahlreichen Beratungsgesprächen unseres Beratungsnetzwerks für Selbstständige mediafon schon jetzt im ersten Erhöhungsschritt deutlich." Für Rechtsanwälte bleibt der kleine Trost, dass sie mit ihrem Qualifikationsprofil im Fall der Arbeitslosigkeit immerhin die höchste Stufe der Leistung erhalten würden. Für alle bleibt zu hoffen, dass die Prognose der Bundesregierung zutrifft: Im Jahr 2011 soll es so wenig Arbeitslose geben wie seit 1992 nicht mehr. Mehr auf LTO.de De-Mail im Kanzleieinsatz: Ist die Briefpost bald von gestern? Auslandsaufenthalte: Stolpersteine für ExpatsAuf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2011 M02 8
Anwaltsberuf
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