Interesse bei Anwälten größer als bei Arbeitgebern
Wenn Anwälte heutzutage ihr Profil schärfen wollen, schmücken sie sich gerne mit einem Fachanwaltstitel. Das sieht nicht nur im Lebenslauf gut aus, sondern ist auch hilfreich für künftige Mandanten. Denn wer eine spezielle Rechtsfrage hat, geht lieber zu einem ausgewiesenen Experten als zu einem Allrounder.
Vorausgesetzt natürlich, in dem betreffenden Rechtsbereich gibt es überhaupt eine Fachanwaltschaft. Für das internationale Wirtschaftsrecht war dies bislang nicht der Fall, Experten auf dem Gebiet mussten sich auf Werbung oder Mundpropaganda verlassen. Während man Anwälten in Großkanzleien eine gewisse Kompetenz wohl noch von Haus aus zutraut, war es gerade für mittelständische Kanzleien oft nicht einfach, ihre Expertise glaubhaft zu vermitteln.
"Für viele Kanzleien war das eine missliche Situation", berichtet Daniel von Bronewski von der DeutschenAnwaltAkademie. "Wenn Sie einen Unternehmer beraten, der Tulpen aus Holland importiert, dann konnten Sie diesem mit den bisherigen Fachanwaltstiteln zwar zeigen, dass Sie sich im deutschen Handels- oder im Speditionsrecht auskennen. Dass Sie aber auch Expertise im Umgang mit dem Kollisionsrecht haben, konnten Sie bisher nicht hinreichend zum Ausdruck bringen."
Das ändert sich nun. Am 6. Dezember 2013 hat die Bundesrechtsanwaltskammer die Einführung einer neuen Fachanwaltsbezeichnung beschlossen: des Fachanwalts Internationales Wirtschaftsrecht. Dieser soll künftig als Nachweis für Kenntnisse im Umgang mit Handels- und Gesellschaftsrecht im internationalen Kontext dienen.
Hohe Nachfrage – auf Seiten der Anwälte
Ob der neue Titel in der Reihe der Fachanwaltschaften noch gefehlt hat? "Auf jeden Fall", meint Adi Seffer. Seffer ist Partner der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek und Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der DAV-Arbeitsgruppe Internationaler Rechtsverkehr, die die Einführung initiiert und maßgeblich betrieben hatte. Gleichzeitig ist er Teilnehmer des Fachanwaltslehrgangs der DeutschenAnwaltAkademie.
Seffer ist überzeugt: "Der internationale Bereich ist durch die anderen Fachanwaltschaften für den Rechtssuchenden nicht erkennbar ausgewiesen. Die Globalisierung, die weite Teile des deutschen Mittelstands erfasst hat, erfordert gerade hier besondere Fertigkeiten und Kenntnisse."
Ähnlich sieht das Dr. Katja Mihm, Geschäftsführerin des Deutschen Anwaltsinstituts e. V.: "Die Mandatsbearbeitung mit Auslandsbezug betrifft ein Fachgebiet, welches für große Teile der Bevölkerung von hoher Wichtigkeit ist und sich durch tatsächliche und rechtliche Komplexität auszeichnet. Die mit der Einführung einer Fachanwaltsbezeichnung einhergehende und sichtbar werdende Spezialisierung führt zu einem Qualitätszuwachs und schärft das Profil."
Dass die Einführung des Titels auf Anwaltsseite mit Spannung erwartet wurde, zeigt auch die Nachfrage nach den bereits angebotenen Lehrgängen. So berichtet Daniel von Bronewski von der DeutschenAnwaltAkademie, dass der erste Kurs bereits vollständig ausgebucht sei. Einige Ausbildungsstellen bieten bereits Kurse an. Im Schnitt kosten diese zwischen 2.000 und 2.700 Euro.
Prof. Dr. Ansgar Staudinger von der Universität Bielefeld überrascht die hohe Nachfrage nicht. Als angesehener Experte auf dem Gebiet des Internationalen Privat-, Verfahrens- und Wirtschaftsrechts ist er als einer der Dozenten des Lehrgangs der DeutschenAnwaltAkademie vorgesehen. "Mit der Einführung des neuen Fachanwalts Internationales Wirtschaftsrecht wurde in Bezug auf grenzüberschreitende Sachverhalte auf jeden Fall eine Lücke gefüllt. Das kommt insbesondere Anwälten zugute, die häufig Mandate mit Auslandsbezug bearbeiten und ihre Expertise bisher nicht nach außen vermitteln konnten."
Titel ist Personalern großenteils unbekannt
Ein anderes Bild ergibt sich indes, wenn man mit den Personalverantwortlichen aus Kanzleien spricht. Aus einer im März durchgeführten Umfrage der LTO unter 196 Sozietäten (Rücklaufquote: 24 Prozent) folgt ein eher ernüchterndes Fazit: So hatten beinahe drei Viertel der Personaler bis zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht einmal von dem neuen Fachanwaltstitel gehört. Nach ihrem derzeitigen Informationsstand schätzten lediglich 43,8 Prozent den Titel als sinnvolle Ergänzung der bestehenden Fachanwaltschaften ein. Dennoch gingen 75 Prozent davon aus, dass Anwälte ihrer Sozietät, die beabsichtigen, den Titel zu erwerben, hierfür Unterstützung durch zeitweise Freistellungen oder die Zuteilung passender Mandate erhalten würden.
Auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 10 eine sehr hohe und 1 überhaupt keine Relevanz für die Einstellung eines Bewerbers bedeutet, brachte es der Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht im Schnitt nur auf eine 3,95. Dieses eher magere Ergebnis erklärt sich zum Teil sicherlich aus der Neuheit des Titels, zum Teil wohl auch aus der Zusammensetzung der Antwortgruppe (40,4 Prozent der Antwortenden arbeiteten in Sozietäten mit über 150 Berufsträgern, weitere 14,9 Prozent in Kanzleien zwischen 90 und 150, und weitere 25,5 Prozent in Kanzleien zwischen 30 und 90 Berufsträgern). Der Großteil der Antworten stammt somit aus größeren und großen Sozietäten, deren Kompetenz im internationalen Wirtschaftsrecht bislang auch ohne eigene Fachanwaltschaft als unbestritten galt.
Ob der Fachanwalt bei kleineren Kanzleien und deren Mandantschaft in Zukunft eine größere Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten. Ab Herbst 2014 wird sich langsam eine Antwort abzeichnen – dann könnte es die ersten Fachanwälte für Internationales Wirtschaftsrecht geben.
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2014 M04 7
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