EGMR zu Meldepflichten bei Geldwäsche

Anwalt darf nicht zum Werkzeug von Kriminellen werden

von Dr. Andreas R. BittnerLesedauer: 3 Minuten
Darf von Anwälten verlangt werden, dass sie bei Verdacht auf Geldwäsche ihre eigenen Mandanten anzeigen? Grundsätzlich ja, wie der EGMR am Donnerstag bestätigte. Eine Meldepflicht für Rechtsanwälte verletzt nicht deren Verschwiegenheitspflicht. Ein Urteil, das mittelbar auch das deutsche Geldwäschegesetz bestätigt, meint Andreas Bittner.

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Die Meldepflichten französischer Anwälte zur Bekämpfung der Geldwäsche verstoßen nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Donnerstag im Fall Michaud gegen Frankreich (Urt. 06.12.2012, Az. 12323/11). Dieses Verdikt aus Straßburg ist auch für deutsche Anwälte interessant, beruhen die Geldwäschevorschriften doch auf Vorgaben der Europäischen Union (EU). Seit 1991 hat die EU drei Geldwäscherichtlinien erlassen, die in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden mussten. Seither müssen in Frankreich Anwälte einen Verdacht auf Geldwäsche melden, der sich aus einem laufenden Beratungsmandant ergibt, etwa im Rahmen einer Transaktion oder einer treuhänderischen Tätigkeit. Sie müssen dies ausdrücklich nicht im Zusammenhang mit einem Strafverfahren, in dem sie als Strafverteidiger mandatiert sind.

Kläger sah seine anwaltliche Berufsausübung verletzt

Wer also als Anwalt den Verkauf einer Immobilie berät und feststellt, dass das Grundstück mit Geld aus Straftaten finanziert ist, muss dies anzeigen. Erfährt allerdings ein Verteidiger, dass sein Mandant sich der Geldwäsche strafbar gemacht haben könnte, unterfällt sein Wissen dem Mandatsgeheimnis. Melden müssen die Anwälte ihren Verdacht in Frankreich dem Präsidenten der Rechtsanwaltskammer, der die Informationen dann an die staatlichen Ermittlungsbehörden weiterleitet. Der nationale Rat der französischen Anwaltskammern hat 2007 zudem im Berufsrecht geregelt, dass die Anwälte angehalten sind, interne Abläufe zu etablieren, was sie im Fall eines Verdachts auf Geldwäsche tun müssen. Die Nichtbeachtung dieser Regelungen ist disziplinarisch sanktioniert. Gegen diese Regelungen hatte ein Pariser Anwalt unter Berufung auf Art. 8 EMRK geklagt. Das Recht auf Achtung des Privatlebens schütze auch die Korrespondenz zwischen Anwalt und Mandant, so seine Argumentation. Der Kläger sah zudem seine anwaltliche Berufsausübung unzulässig eingeschränkt.

EGMR hätte auch das deutsche Geldwäschegesetz bestätigt

Der Gerichtshof bestätigte nun zwar, dass Art. 8 EMRK die Vertraulichkeit jeglicher Kommunikation schützt, und betonte die hohe Bedeutung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Im Ergebnis hielten die Straßburger Richter die französischen Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung aber für verhältnismäßig. Die Meldepflichten seien zur Bekämpfung der Geldwäsche notwendig. Außerdem müssten Anwälte in Frankreich den Meldepflichten nicht nachkommen, wenn sie als Strafverteidiger tätig sind, und ihren Verdacht nicht direkt den Ermittlungsbehörden anzeigen, sondern nur der Rechtsanwaltskammer. Der EGMR hätte auch in den deutschen Regelungen zur Geldwäsche, die 2012 nochmals verschärft wurden, keinen Verstoß gegen die EMRK erkannt. Ähnlich wie in Frankreich sind Anwälte auch hierzulande verpflichtet, jeden Verdacht auf Geldwäsche anzuzeigen, der ihnen im Rahmen eines Mandats bekannt wird, es sei denn, der Geldwäscheverdacht beruht gerade auf Informationen aus einer diesbezüglich laufenden Beratung oder Vertretung.

Mandatsgeheimnis muss Kriminalitätsbekämpfung weichen

Das deutsche Recht ist nicht wesentlich strenger als das französische. Zwar muss der französische Anwalt seine Verdachtsmeldung nur gegenüber der Rechtsanwaltskammer abgeben, während der deutsche Kollege sich direkt an das Bundeskriminalamt wenden muss. Dieser Unterschied wird jedoch zu keiner anderen Bewertung der deutschen Geldwäscheregeln durch die obersten Gerichte führen. Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2004 das deutsche Geldwäschegesetz im Grundsatz bereits abgesegnet. Das verschärfte Geldwäschegesetz hat auch hierzulande zu einiger Verunsicherung in der Anwaltschaft geführt. Die Rechtsanwaltskammer ist dem mit Verhaltensempfehlungen entgegengekommen. Das aktuelle Urteil aus Straßburg stellt nun noch einmal klar, dass Anwaltsprivileg und Mandatsgeheimnis zwar einen hohen Stellenwert haben; dass sie aber im Zweifel gegenüber einer wirksamen Kriminalitätsbekämpfung zurücktreten müssen. Dies mag dem aufrechten Rechtsanwalt, der sich seinem Mandanten ohne Wenn und Aber verpflichtet fühlt, ein Dorn im Auge sein. Aber auch er muss einsehen, dass die rechtsberatende Zunft nicht zum Werkzeug von Kriminellen gemacht werden darf. Der Autor Andreas Bittner ist Rechtsanwalt in der Kanzlei GGV Grützmacher Gravert Viegener.

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