Welche Corona-Regeln gelten im Open Office?
Viele Unternehmen haben noch vor der Corona-Pandemie ihre Office-Welten umgebaut. Trendig eingerichtete Räume mit Cappuccino-Ecke, Sofa oder Hängematte neben dem Schreibtisch – die neuen Bürokonzepte sollten flexibles Arbeiten und bessere Kommunikation mitsichbringen. In den letzten Wochen war es in vielen Büros leer, nun sollen die Kollegen aber nach und nach aus dem Home Office zurückkehren. Geht das überhaupt?
Mit Shared Space oder Open Office sind größere Räume und Großraumbüros gemeint, in denen sich sowohl Computerarbeitsplätze als auch Meeting-Bereiche und Ruhe- und Komfortzonen befinden. Die Mitarbeiter wechseln je nach ihren Bedürfnissen. Wer einen Arbeitsplatz braucht, sucht ihn sich und dockt seinen Laptop an. Wer Besprechungen führen will, nimmt den großen Tisch. Und wer einfach nur mit Kunden oder Kollegen einen Austausch bei Kaffee oder Chai-Latte plant, der trifft sich in der Sofaecke. Dass Designermöbel, Waschbetonboden und Raumaufteilung oftmals wenig mit Ergonomie oder Arbeitsstättenverordnung zu tun haben? Geschenkt.
Doch jetzt besteht das Risiko einer Infektion mit dem Corona-Virus und einer Covid-19-Erkrankung. Und die Gebote der Stunde aus Sicht des Infektions- und Arbeitsschutzes sind Abstand, Trennwände, Mund- und Nasenbedeckung und Rückverfolgbarkeit. Das passt mit der flexiblen Welt von direktem Austausch nicht zusammen.
Abstandsregeln, Hygienekonzepte und Rückverfolgbarkeit
Die Infektionsschutzverordnungen der Länder, staatliches Arbeitsschutzrecht in Form des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und der Arbeitsschutzverordnungen sowie die Anforderungen der Berufsgenossenschaften sind keine unverbindlichen Vorschläge sondern bindende Verpflichtungen.
Kontakte zu Kunden und Kollegen müssen möglichst vermieden werden. Es gelten Abstandsregeln. Zusätzlich müssen Hygiene- und Reinigungsmaßnahmen her – in einigen Bundesländern werden ausdrückliche Hygienekonzepte verlangt. Darüber hinaus verlangt Infektionsschutz, dass Anwesenheits- und Kontaktdaten erfasst werden, um im Falle einer entdeckten Infektion Betroffene informieren zu können. In Nordrhein-Westfalen etwa betrifft die Pflicht zur "Rückverfolgbarkeit" jede "den Begegnungsraum eröffnende Person (Gastgeber, Vermieter, Einrichtungsleitung, Betriebsinhaber, Veranstaltungsleiter)". Das gilt auch für die Anbieter von Shared Office Büros.
Die Gefährdungsbeurteilung ist nach dem ArbSchG und der Arbeitsstättenverordnung verpflichtend. Hieraus leitet sich ab, welche Schutzmaßnahme im jeweiligen Büro getroffen werden muss. Für Einzelbüros ist das weniger aufwendig, bei offenen Räumen ist allerdings einiges zu beachten.
Empfehlungen von BMAS und Berufsgenossenschaften
Empfehlungen enthalten der SARS-COV- 2-Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und die entsprechenden Konkretisierungen der einzelnen Berufsgenossenschaften. So sehen das BMAS und beispielsweise die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) – die für die meisten Dienstleistungsberufe in Büros zuständige Unfallversicherung – auch für Büros mindestens 1,5 Meter Abstand, trennende Schutzeinrichtungen, regelmäßige Reinigungen, Lüften und möglichst personenbezogene Arbeitsmittel vor:
Empfohlen werden Einzelbüros oder die Reduzierung der Belegung. Da der übliche Büroarbeitstisch eine Tiefe von 80 cm hat, kann der Abstand zwischen zwei gegenüber angeordneten Arbeitsplätzen leicht die Grenze von 1,5 Metern unterschreiten. Auch die üblichen Bewegungs- und Funktionsflächen, die Verkehrs- und Fluchtwege erlauben in aller Regel nicht die Einhaltung dieses Abstandes, wenn sich mehrere Nutzer begegnen. Darauf kann reagiert werden, indem die Abstände zwischen den Arbeitsplätzen erhöht oder Plätze frei gelassen werden. Schutzwände können aufgebaut und "Einbahnstraßen" oder verbindliche Nutzungszeiten vorgegeben werden.
Besprechungen sollen auf das absolut Notwendige reduziert werden. Mund- und Nasenbedeckung wird hierbei empfohlen. Kann der Schutzabstand nicht eingehalten werden, soll die Maske verpflichtend sein.
Und für Arbeitsmittel wie Maus, Tastatur und Headset gilt, dass sie nur noch von einem Einzelnen verwendet werden sollen. Ist das nicht möglich, dann sind auch hier Reinigungs- und Hygienekonzepte erforderlich. Besondere Anforderungen ergeben sich auch für Sozialbereiche. Denn der Schutzabstand ist auch für Teeküche, Pausenraum oder Garderobe obligatorisch und an der Kaffee-Maschine sollte auch möglichst nicht jeder herumdrücken.
Corona-taugliche Konzepte sind gefragt
Open Office und Shared Space sind in Anbetracht dieser neuen Gegebenheiten nicht vom Tisch. Arbeitgeber und Anbieter müssen sich aber für ihre jeweiligen Räumlichkeiten Gedanken machen, wie sie Infektions- und Arbeitsschutz umsetzen. Das wird dazu führen, dass sich die Nutzer in Zukunft nicht mehr jeden Tag einen neuen Arbeitsplatz aussuchen können, dass es im Open Space plötzlich Einbahnstraßen und gesperrte Bereiche gibt.
Arbeitgeber müssen dies für ihre Beschäftigen nicht nur sicherstellen, wenn sie selbst Open Offices anbieten. Auch dann, wenn sie ihre Beschäftigten bei Fremdanbietern unterbringen, bleiben sie in der Pflicht für gesunde und möglichst gefährdungsfreie Arbeitsbedingungen zu sorgen.
Die Anbieter solcher Bürokonzepte auf dem Markt müssen dasselbe tun. Und zwar auch dann, wenn sie nur an Freiberufler vermieten. Am Ende des Tages ist es ja auch ein Marketing-Tool, wenn man sagen kann: Wir haben alles getan, um unsere Nutzer so gut wie möglich zu schützen.
Dr. Martin Lützeler ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er berät als Fachanwalt für Arbeitsrecht Unternehmen in allen arbeitsrechtlichen Fragen, insbesondere zu Risikothemen wie dem Arbeits- und Gesundheitsschutz.
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2020 M06 12
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