Teurer Urlaub im Risikogebiet
Im August 2020, mitten in den Sommerferien und der Hauptreisezeit, haben die Behörden (zuletzt am 12.08.2020) die Liste der internationalen Risikogebiete wieder ausgeweitet. Was bedeutet das aus arbeitsrechtlicher Sicht? Ist jeweils zwingend eine Quarantäne bei Reiserückkehrern erforderlich und wer trägt die diesbezüglichen Kosten? Gibt es einen Unterschied zwischen dienstlich notwendigen Reisen und privatem Reisevergnügen? Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, bereits im Vorfeld einer Reise aktiv zu werden?
Regel 1: Frage nach Urlaubsziel ausnahmsweise zulässig
In normalen Zeiten darf der Arbeitgeber seine Beschäftigten nicht nach ihren Reiseplänen für den Urlaub fragen. Während der Corona-Pandemie gilt etwas anderes: Nun ist diese Frage zulässig. Denn der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht, diese betrifft auch die Gesundheit der Kollegen und Kunden. Diese Pflicht ist in der aktuellen Lage höher zu bewerten als die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer.
Denn im Zweifel müssen Arbeitgeber auf eine Quarantäne-Situation von Arbeitnehmern organisatorische Maßnahmen treffen, um beispielsweise den Betriebsablauf aufrecht zu erhalten und Aufgaben neu zu verteilen. Damit kann die Frage bereits im Vorfeld des Reiseantritts (ggf. verbunden mit dem Hinweis auf die entsprechenden Konsequenzen für den Entgeltanspruch) gestellt werden. Die Beschäftigten müssen dem Arbeitgeber wahrheitsgemäß ihr Reiseziel benennen.
Die Reise verbieten kann der Arbeitgeber allerdings nicht.
Regel 2: Kein bezahlter Urlaub für Quarantäne bei Rückkehr aus Risikogebiet
Reisende in Risikogebiete müssen bereits am Zielort oder spätestens bei der Einreise nach Deutschland einen Corona-Test durchführen lassen. Soweit kein negatives Testergebnis vorliegt, haben sie sich - auf Grundlage der jeweils auf Länderebene erlassenen Verordnung zu Quarantänemaßnahmen - in eine 14-tägige häusliche Quarantäne zu begeben.
Können Arbeitnehmer während dieser Quarantäne nicht arbeiten, weil zum Beispiel die Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice nicht möglich ist, erhalten die Reiserückkehrer während des Quarantänezeitraums grundsätzlich keine Vergütung vom Arbeitgeber, soweit es sich bei der Reise um eine private Urlaubsreise handelte. Insoweit gilt der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn".
Ausnahmen können nach der Regelung der so genannten vorübergehenden Verhinderung zur Erbringung der Arbeitsleistung nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder dem Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bestehen. Dafür darf die Anwendbarkeit des § 616 BGB arbeitsvertraglich nicht ausgeschlossen sein. Zudem darf der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung nicht schuldhaft verursacht haben. Maßstab hierfür sind die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG).
Verschulden gegen sich selbst
Daraus folgt: Ist vor Reiseantritt bekannt, dass es sich bei dem Reiseziel um ein vom Robert-Koch-Institut (RKI) eingestuftes Risikogebiet handelt, besteht kein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB. Gleiches gilt nach dem IfSG, da auch § 56 IfSG darauf abstellt, ob der Arbeitnehmer die Quarantäne-Situation bewusst verursacht hat bzw. selbst hätte vermeiden können. Selbst nach dem EntgFG entfällt im Fall einer Erkrankung an dem Corona-Virus während des Urlaubs der Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Zeit nach der Rückkehr. Der Reiseantritt in ein bekanntes Risikogebiet wird als "Verschulden gegen sich selbst" gewertet.
Etwas anderes gilt, wenn das RKI das Reiseziel erst während der Reise zum Risikogebiet erklärt. Soweit § 616 BGB anwendbar ist, besteht der Vergütungsanspruch fort. Inwieweit in diesen Fällen eine staatliche Entschädigung nach § 56 IfSG in Betracht kommt, ist nicht abschließend geklärt. Erkranken Arbeitnehmer in einer solchen Situation, gilt das EntgFG und Arbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Eine Besonderheit gilt bei Reisebeschränkungen: Sitzen Arbeitnehmer im Ausland fest und können deswegen ihre Tätigkeit nicht rechtzeitig aufnehmen, entfällt der Vergütungsanspruch ebenfalls. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an. Das "Wegerisiko" trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer.
Regel 3: Zwingende Dienstreisen ins Ausland
Bei einer Dienstreise in ein Risikogebiet gelten bereits vor Reiseantritt wie auch nach Rückkehr einige Besonderheiten. Es ist empfehlenswert, sich auf den Internetseiten des Auswärtigen Amtes über die Risikolage im Zielland zu informieren.
Schon vor Reiseantritt treffen den Arbeitgeber erhöhte Fürsorgepflichten bezüglich der zu treffenden Abwägungsentscheidung zwischen der Notwendigkeit der Reise und dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers. Ist die Dienstreise zwingend erforderlich, muss der Arbeitgeber besondere Schutzmaßnahmen ergreifen, z.B. Unterweisung bzgl. Hygiene- und Sicherheitsregelungen; Zurverfügungstellung von Desinfektionsmittel, Handschuhe und Mundschutz.
Nach der Rückkehr aus dem Risikogebiet und der sich anschließenden 14-tätigen häuslichen Quarantäne besteht der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers – anders als bei der Urlaubsreise – fort, sollte der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht aus dem Homeoffice erledigen können. Den Arbeitnehmer trifft in diesem Fall kein Verschulden, weder nach § 616 BGB noch nach § 56 IfSG.
Regel 4: Aktiv werden, um vergütungslose Quarantäne-Zeit zu vermeiden
Soweit die häusliche Quarantäne aufgrund der Rückkehr aus dem Urlaub in einem Risikogebiet notwendig ist, sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer für diese Zeit Regelungen zu flexiblen Arbeitsmethoden wie zum Beispiel Homeoffice oder mobiles Arbeiten treffen. Beschäftigte sollten bereits am letzten Arbeitstag vor dem Urlaubsantritt das technische Equipment mit nach Hause nehmen, um ggf. nach der Reise im Homeoffice arbeiten zu können.
Der Arbeitgeber sollte den Mitarbeiter zudem im Vorfeld der Reise darauf hinweisen, dass bei einer Urlaubsreise in ein Risikogebiet mit anschließender Quarantäne kein Vergütungsanspruch besteht. Dies ist insbesondere wichtig, wenn Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nicht im Homeoffice ausüben können.
Arbeitgeber sollten ihre Beschäftigten zudem ausdrücklich darauf hinweisen, dass eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ohne einen negativen Corona-Test verboten ist. Zurückkehren an den Arbeitsplatz sollten die Mitarbeiter erst, wenn nach 7-10 Tagen ein weiterer Test mit negativem Ergebnis durchgeführt und dieses dem Arbeitgeber mitgeteilt wird – oder die Quarantänezeit abgelaufen ist. Den Arbeitgeber treffen bezüglich der Durchführung des Corona-Tests grundsätzlich keinerlei Pflichten.
Regel 5: Betriebsrat nicht vergessen
Besteht ein Betriebsrat, ist dieser an Reise-Rückkehr-Regelungen zu beteiligen. Denn sowohl die Gefährdungsbeurteilung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) als auch die zu ergreifenden Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) unterliegen der Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates. In Betriebsvereinbarungen können die Parteien verschiedene Grundsatzregelungen etwa zu mobilem Arbeiten, Rückkehrkonzept und weiteren Schutzmaßnahmen treffen.
Welche Maßnahmen der Arbeitgeber auch ohne den Betriebsrat kurzfristig durchsetzen und anordnen kann, hängt von den betrieblichen Besonderheiten ab. Insbesondere bei systemrelevanten Betrieben dürften einseitige Anordnungen zumindest zeitweise zum Schutz der Gesundheit auch ohne eine Mitwirkung des Betriebsrates möglich sein. Anerkannt ist etwa, dass Arbeitgeber auf Grundlage des Direktionsrechts gem. § 106 Gewerbeordnung (GewO) Gesundheitsuntersuchungen anordnen können (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 12.08.1999, Az. 2 AZR 55/99).
Dennoch sollte der Arbeitgeber aktiv auf den Betriebsrat zugehen und entsprechende Regelungen in Form einer Betriebsvereinbarung mit entsprechendem Hygienekonzept abschließen.
Die Autoren sind Anwälte bei Beiten Burkhardt in München.
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2020 M08 17
Coronavirus
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