Themenwoche Fachanwalt & Fortbildung

Schul(ungs)pflicht für alle?

von Johanna Strohm, LL.M. und Benjamin DürrLesedauer: 4 Minuten
Der Anwaltsfortbildungsmarkt umfasst die unterschiedlichsten Angebote, von mehrtätigen Fachtagungen bis zu Online-Seminaren für die Mittagspause, von A wie Agrarrecht bis Z wie Zwangsvollstreckung. Noch ist das – außer für Fachanwälte – freiwillig. Doch kommt bald die jährliche Pflichtfortbildung für alle?

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Nur wer sich fortbildet bringt dauerhaft gute Leistungen, entsprechend gehört die regelmäßige Weiterbildung zum Selbstverständnis vieler Juristen. Fachveranstaltungen gibt es dabei zu allen für die anwaltliche Arbeit relevanten Rechtsgebieten und Themen. Sie informieren über aktuelle Entwicklungen in der Praxis und Tendenzen in der Rechtsprechung und geben den Teilnehmern Gelegenheit, sich über erste Erfahrungswerte zu neuen oder geänderten Gesetzen auszutauschen. Neben den rein fachlichen Themen wächst das Angebot von "Soft Skill"-Lehrgängen. Hier liegt der Schwerpunkt auf einer Verbesserung des Kanzleimanagements oder der Qualität der anwaltlichen Beratung, zum Beispiel in der Kommunikation mit den Mandanten.

Bunter Markt der Fortbildungen

Der Anwaltsfortbildungsmarkt ist groß und unübersichtlich, mit vielen kleinen regionalen und einigen großen nationalen privaten Anbietern. Hinzu kommen die Rechtsanwaltskammern und Anwaltsvereine. So veranstalten die Bundesrechts- und die Bundesnotaranwaltskammer zusammen mit vielen örtlichen Rechtsanwalts- und Notarkammern als Deutsches Anwaltsinstitut e.V. (DAI) bundesweit Seminare, Fortbildungen und Jahresarbeitstagungen. Darüber hinaus bieten viele der örtlichen Rechtsanwaltskammern auch eigenständig Fachveranstaltungen an, oft in Kooperation mit einem privaten Veranstalter. Einer der größten Anbieter für juristische Fortbildungen ist die Deutsche Anwalt Akademie GmbH (DAA), eine hundertprozentige Tochter des Deutschen Anwaltvereins e.V. (DAV), mit einem jährlichen Angebot von mehr als 600 Tagesseminaren, mehrtätigen Veranstaltungen, einwöchigen Intensivkursen sowie Fachanwaltslehrgängen in zahlreichen Rechtsgebieten. Entscheidende Faktoren bei der Auswahl der Fortbildung sind oft die Relevanz des Themas für die eigene berufliche Praxis und die Qualität der Dozenten. Doch die große Anzahl von unterschiedlichen Anbietern macht es dem fortbildungswilligen Anwalt schwer, einen guten Überblick über die passenden Veranstaltungen zu erlangen. Helfen können Veranstaltungskalender, die die verfügbaren Angebote etwa nach Zeitraum, Veranstaltungsort und Rechtsgebiet eingrenzen.

Fortbildung to go

Das thematische Angebot der juristischen Fachveranstaltungen war schon früher breit gefächert, Unterschiede gab es vor allem bei Anzahl und Dauer der Präsenztage, der Auswahl der Dozenten und der Qualität der Pausen-Schnittchen. Seit einigen Jahren ist mit Online-Seminaren jedoch eine echte Alternative hinzugekommen. Mit geringem organisatorischem Aufwand kann man sich bei diesen Angeboten direkt vom Schreibtisch aus fortbilden, oder dank der passenden App fürs Smartphone sogar von unterwegs. Noch sind die Online-Fortbildungen eine Randerscheinung. So sind nur etwa 40 der 600 jährlichen Veranstaltungen der Deutschen Anwalt Akademie Online-Fortbildungen. "Allerdings hat sich zwischen 2009 und 2012 die Zahl der Seminare und die Zahl ihrer Teilnehmer verdoppelt", berichtet der Geschäftsführer der DAA, Philip Wendt. Diese Entwicklung wird unterstützt durch die Tatsache, dass mittlerweile alle Rechtsanwaltskammern Online-Seminare auch als fachanwaltliche Pflichtfortbildungen anerkennen. Voraussetzung dafür ist, dass eine Interaktion mit dem Dozenten möglich ist und eine Anwesenheitskontrolle erfolgt. Diese Ansprüche erfüllen die beiden großen Anbieter von Online-Seminaren, der DAA und die Haufe Mediengruppe in Verbindung mit dem Deutschen Anwaltverlag. Über ein individuelles Logfile wird nachgewiesen, von wann bis wann ein Teilnehmer live am Seminar teilgenommen hat, und über eine Chat-Funktion kann man dem Referenten Fragen stellen. Die Stärke von Webseminaren sei ihre Aktualität, sagt Wendt. So seien solche Seminare beliebt, in denen die wichtigsten Urteile eines Quartals besprochen werden. "Ein Anwalt kann sich so einfach auf dem Laufenden halten, beispielsweise zwei Stunden mittags vor einem Mandanten-Gespräch."

In Zukunft Fortbildungspflicht für alle?

Bisher besteht eine Fortbildungspflicht nur für Fachanwälte. Gemäß § 15 Fachanwaltsordnung (FAO) muss jeder Fachanwalt an einer mindestens zehnstündigen fachspezifischen Fortbildung pro Jahr teilnehmen, Nachholmöglichkeiten gibt es nur in wenigen Ausnahmenfällen. Alternativ können Fachanwälte als Dozent eine Veranstaltung leiten oder Fachartikel veröffentlichen. Immer wieder werden Forderungen nach einer alljährlichen Pflichtfortbildung für alle Anwälte laut, ähnlich wie etwa in England und Wales oder, auch in Deutschland, für Ärzte oder Piloten. In der Ausgestaltung der Pflichtfortbildungen sollte den Rechtsanwälten nach Auffassung des DAV dann größtmögliche Gestaltungsfreiheit gewährt werden, was auch "Soft Skill"-Fortbildungen mit umfassen würde. "Inhaltlich sollte die Fortbildung nicht nur auf materielles Recht und Prozessrecht beschränkt werden", schlägt Rechtsanwalt Professor Wolfgang Ewer, Präsident des DAV, vor: "Lern-Bedarf besteht meist weniger im rechtlichen Bereich, als vielmehr bei Gebieten wie Kanzlei-Management und Kommunikationstechniken." Auch ohne eine bestehende Pflicht können Anwälte schon heute Fortbildungen für sich und ihre Mandanten nutzen. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI) und der DAV bieten bei Erfüllung jeweils unterschiedlicher Voraussetzungen eigene Fortbildungsbescheinigungen an, mit denen Anwälte öffentlichkeitswirksam auf Briefpapier und Internetseiten werben können. Für die Mandanten bieten diese Zertifikate einen Anhaltspunkt dafür, dass ihr Anwalt sich besonders um seine Fortbildung bemüht. Umso besser, wenn die erfolgreich absolvierten Lehrgänge nicht nur von den Anwälten in rein rechtlichen Belangen besucht wurden, sondern alle Mitarbeiter und alle Aspekte der anwaltlichen Beratung umfassen.

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