Small Talk mit Handballrechtler Helge-Olaf Käding

"Wenn man etwas mit Lei­den­schaft macht, fügt sich alles"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 7 Minuten

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute: Anwalt Helge-Olaf Käding, der sich den Begriff "Handballrecht" ausgedacht hat – und mal den HBW Balingen-Weilstetten zurück in die Bundesliga geklagt hat.

LTO: Was machen Sie beruflich?

Helge-Olaf Käding: Ich bin Rechtsanwalt und habe mich auf das "Handballrecht" spezialisiert. In der Praxis berate und vertrete ich Spieler:innen, Trainer:innen, Vereine und Verbände.

Außerdem bin ich verbandsrechtlich tätig, zum Beispiel bei Einsprüchen gegen Sperren und Spielwertungen, bundesweit und von der Champions League bis zur Kreisklasse.

Was versteht man eigentlich unter "Handballrecht"?

Den Begriff habe ich mir ausgedacht, aber es ist ein Teilgebiet des Sportrechts, das ja sehr weit gefasst ist und verschiedene Rechtsgebiete betrifft. Das "Handballrecht" umfasst sämtliche rechtlichen Angelegenheiten im Handball, das heißt es ist eine Mischung aus Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Vereins- und Verbandsrecht und am Rande Medien- und Urheberrecht.

Helge-Olaf Käding…

… hat eine Kanzlei für Handballrecht

… hat auf seiner Facebook-Seite "Handballrecht" mehr als 20.000 Follower

kommentiert Handballspiele des TuS Nettelstedt-Lübbecke

… hat mal den HBW Balingen-Weilstetten zurück in die Bundesliga geklagt

… ist ehrenamtlich an drei Verbandsgerichten und als Rechtswart des Handballkreises Gütersloh tätig

Am 11. Januar startet die Handball-WM 2023 in Polen und Schweden. Kommt dann mehr Arbeit auf Sie zu oder können Sie entspannt die Spiele verfolgen?

Bislang konnte ich die Spiele immer entspannt schauen. Für die WM ist ja die Internationale Handballföderation (IHF), also das Pendant zur FIFA, zuständig. Die WM ist so professionell organisiert, dass eigentlich nichts schieflaufen sollte – und wenn es doch zu einem Einspruch kommen sollte, sind die Fristen so kurz bemessen, dass das jemand vor Ort macht. Oft muss innerhalb weniger Stunden reagiert werden. Die Verbände sind da gut aufgestellt und die Jurist:innen vom Deutschen Handballbund (DHB) übernehmen solche Fälle. Mein Fokus ist der Ligabetrieb in Deutschland. Ich fahre aber mit Freunden zur WM und schaue mir einige Spiele an, das machen wir immer so – und das ist dann Freizeit.

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"Im sportlichen Bereich versucht man, gerichtliche Streitigkeiten zu vermeiden"

Welche Aufgaben haben Sie als "Handballrechtler"?

Ich kümmere mich um die rechtlichen Angelegenheiten von Spieler:innen, Trainer:innen, Vereinen und Verbänden. Ab der vierten Liga können Spielerverträge geschlossen werden, das heißt ich entwerfe Arbeitsverträge für Spieler:innen und Trainer:innen, passe sie an die individuellen Gegebenheiten vor Ort an und versuche, Streitigkeiten schnell aus dem Weg zu räumen.

Das Gesellschaftsrecht macht auch einen großen Teil meiner Arbeit aus: Ich berate zum Beispiel Vereine, die nach oben in den Profi-Bereich wollen, wenn sie eine Gesellschaft als wirtschaftlichen Träger gründen wollen. Meistens ist das eine GmbH. Teilweise schließen sich Vereine als Spielgemeinschaften zusammen, weil es immer wenige aktive Sportler:innen gibt.

Daneben gibt es noch das Vereins- und Verbandsrecht. Klassische Beispiele sind Satzungsänderungen, Sperren gegen Spieler:innen oder Punktabzüge für Vereine, gegen die ich dann vorgehe. Auch der gesetzliche Mindestlohn bzw. die oftmals versuchte Umgehung ist zunehmend ein Thema in der Praxis.

Am Rande sind teilweise auch das Medienrecht und – bei "Schummelverträgen" in den unteren Gehaltsklassen zur Umgehung von Steuern und Abgaben – das Steuerrecht betroffen. Darüber hinausgehende steuerrechtliche Fälle gebe ich aber gerne an Kolleg:innen ab.

Helge-Olaf Käding

Sind Sie auch oft vor Gericht?

Vor den Arbeitsgerichten selten, denn im sportlichen Bereich versucht man, gerichtliche Streitigkeiten zu vermeiden. Es ist nicht gewünscht, dass öffentliche Verhandlungen stattfinden und dass Inhalte von Verträgen oder bestimmte Verhaltensweisen öffentlich werden. Es kommt vielleicht fünfmal im Jahr vor, dass ich zu Gericht muss, entweder zum Arbeitsgericht oder – zum Beispiel bei Eilanträgen zur Vermeidung eines Abstiegs – zum jeweiligen Amts- oder Landgericht.

Seit drei Jahren gibt es den Fachanwalt für Sportrecht – ich habe die geforderte Anzahl an Fällen und wohl auch das nötige Fachwissen. Aber ich komme nicht auf die erforderliche Zahl der streitigen Fälle vor den staatlichen Gerichten.

Vor den Verbandsgerichten bin ich sehr oft aktiv. Jeder Handballverband, das heißt der DHB, die Landes-, aber auch die Kreisverbände, haben eigene Gerichte. Die Verfahren laufen allerdings zu 95 Prozent nur schriftlich ab.

"Ich habe den HBW Balingen-Weilstetten wieder in die Bundesliga geklagt"

Welcher Fall ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?

Im Jahr 2014 habe ich gemeinsam mit dem Kollegen Dr. Alexander Wild den HBW Balingen-Weilstetten, der derzeit in der 2. Bundesliga spielt, wieder in die Bundesliga geklagt: Nach der Saison 2013/2014 war Balingen eigentlich sportlich abgestiegen, sollte aber zunächst in der Bundesliga verbleiben: Der HSV Hamburg sollte zwangsabsteigen, weil er keine Lizenz für die nächste Bundesligasaison erhielt. Dann bekam er die Lizenz aber doch, allerdings nach Ablauf einer wesentlichen Frist, und Balingen sollte absteigen, dagegen haben wir uns dann zur Wehr gesetzt. Balingen durfte sein Startrecht wahrnehmen und in der Saison 2014/2015 bestand die Bundesliga aus 19 statt 18 Teams – das war auch für den Spielplan nicht ganz unproblematisch.

Auch danach konnte ich in vielen Fällen Vereine in den unterschiedlichsten Spielklassen juristisch vor dem Abstieg bewahren bzw. ihnen den Aufstieg ermöglichen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit dem "Handballrecht" zu beschäftigen, haben Sie früher selbst Handball gespielt?

Selbst gespielt habe ich nur kurz und auch nur unterklassig, aber ich bin großer Handballfan. Vor über 30 Jahren hat mich mein Schwiegervater mit zu einem Spiel des TuS Nettelstedt, heute TuS N-Lübbecke, in der 2. Bundesliga mitgenommen. Die Atmosphäre in der Halle hat mich direkt fasziniert und ich war dann bei jedem Heimspiel. Meine Frau war immer mit dabei und wir haben dann einen Fanclub gegründet – als Student hatte ich ja Zeit. Ich habe Artikel für das Hallenheft geschrieben, irgendwann bei der Geschäftsstelle des Vereins gearbeitet und mir so mein Studium finanziert.

Als ich dann mit Studium und Referendariat fertig war, wollte ich mich auf ein Rechtsgebiet spezialisieren – und dann hat sich das durch die ganzen Kontakte ergeben. Und: Familienrechtler:innen gibt es viele, aber Handballrecht machen wohl die wenigsten, da hatte ich eine Nische entdeckt.

"Im Laufe der Zeit ist ein großes Netzwerk entstanden"

Was mögen Sie an Ihrem Job am liebsten?

Ich mag es, dass ich viel Kontakt mit Menschen habe, ihnen helfen kann – und wenn sie sich über die Hilfe freuen und neben der monetären Anerkennung ehrlich dankbar sind, zum Beispiel wenn ein Spieler doch beim Champions-League-Spiel mitspielen kann, weil wir erfolgreich gegen die Sperre vorgegangen sind. Im Laufe der Zeit ist so ein großes Netzwerk entstanden, auch viele Freundschaften mit Handballern – ich könnte wahrscheinlich in jeder Stadt in Deutschland kostenlos übernachten.

Außerdem schätze ich die Unabhängigkeit. Ich muss nicht zwingend jeden Tag von acht bis 18 Uhr im Büro sein, sondern kann mir meine Zeit frei einteilen. Ich bin bis spätabends erreichbar und arbeite auch am Wochenende, aber den Umfang kann ich selbst bestimmen.

Handball ist meine große Leidenschaft und ich kann durch meinen Beruf rechtsgestaltend wirken, z.B. bei Satzungen, und mithelfen, das Reglement weiterzuentwickeln. Zum Beispiel musste ein Bescheid über eine Sperre für einen Spieler bis vor einiger Zeit schriftlich ergehen. Einige Verbände haben die Bescheide aber per E-Mail verschickt, das haben wir dann erfolgreich angegriffen. Dann wurde die Rechtsordnung geändert, sodass sowohl für Bescheide als auch für Einsprüche jetzt die elektronische Form ausreicht.

Was muss man für Ihren Job können – außer Jura?

Man muss sich im Handball gut auskennen und braucht eine gewisse Erfahrung – mit 30 wird man teilweise noch nicht so ernstgenommen wie mit 50. Und man sollte gut in Kommunikation und Rhetorik sein, das erlernt man aber im Laufe der Zeit. Man sollte verstehen, dass man gerade im Bereich des Mannschaftssports auch mal Kompromisse eingehen muss. In der Handballwelt begegnet man sich immer wieder und vielleicht ist man dann selbst auf die Gegenseite angewiesen, zum Beispiel bei einer Spielverlegung oder einem Spielerwechsel.

"Wenn ich ein Bundesligaspiel gucke, frage ich mich, ob das Arbeit oder Vergnügen ist"

Haben eher Sie Ihren Job gefunden oder Ihr Job Sie?

Wenn man etwas mit Leidenschaft macht, dann fügt sich alles. Wenn ich Anwalt in einem Rechtsgebiet geworden wäre, das mir nicht liegt, wäre ich wahrscheinlich trotz Fleiß und viel Arbeit gescheitert, weil die Begeisterung fehlt. Dadurch, dass es mir Spaß macht, sind die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit teilweise fließend: Wenn ich ein Bundesligaspiel gucke, frage ich mich manchmal, ob das Arbeit oder Vergnügen ist.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang die Rollen tauschen?

Spontan fällt mir Thomas Fischer ein, der ehemalige Vorsitzende Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH). Ich würde gerne mal einen Tag lang in die "richtigen" Fälle am BGH reinschnuppern. Der Richterberuf hat mich auch schon immer interessiert. Deshalb bin ich auch ehrenamtlich an drei Verbandsgerichten tätig und entscheide über die Einsprüche, die ich sonst einlege, aber natürlich nicht in eigener Sache. So kenne ich alle Seiten und kann mich gedanklich auf unterschiedliche Stühle setzen.

Zum Schluss fragen wir immer gerne nach Empfehlungen für Bücher, Filme oder Podcasts – haben Sie eine für uns oder gucken Sie nur Handball?

Nein, ich gucke nicht nur Handball, aber viel. Für Handballer:innen kann ich natürlich den Podcast "Kreis Ab" von Sascha Staat empfehlen, in dem er mit bekannten Journalist:innen, Expert:innen, Spieler:innen und Trainer:innen spricht. Ansonsten gucke ich auch gerne Netflix, zum Beispiel gerade eine Dokumentation über das Osmanische Reich.

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