"Wir haben ein Riesen-Wachstum hinter uns"
LTO: Herr Mühlen, auf Ihrer internationalen Karriereseite finden Bewerber den Slogan: "We are far from a traditional law firm". Was machen Sie denn konkret anders als traditionelle Großkanzleien?
Fabian Mühlen: DLA Piper gibt es in Deutschland seit 2004, damals von gerade einmal vier Personen gegründet. Inzwischen sind wir über 250 Anwälte und rund 600 Mitarbeiter. Wir haben also ein Riesen-Wachstum hinter uns.
Ich bin seit 2008 dabei. Als ich anfing, waren wir ungefähr 100 Anwältinnen und Anwälte in ganz Deutschland. Wir hatten damals ein echtes Startup-Feeling. Das war auch der Grund, warum ich zu DLA gegangen bin: Ich wollte in eine Kanzlei, die auf Wachstumskurs war, wollte mitgestalten und echte Aufstiegschancen haben.
Wurden Ihre Erwartungen erfüllt?
Ja, bei mir haben sich diese Versprechen bewahrheitet. Ich wurde 2011 gefragt, ob ich den Immobilienbereich in Frankfurt mitaufbauen könnte. Das habe ich anscheinend ganz erfolgreich gemacht und bin 2014 Partner geworden. 2016 ist der nächste Partner im Immobilienbereich in München ernannt worden. 2018 haben wir bereits einen jungen Kollegen aus meinem Team zum Partner ernennen können. Das ist eine unheimlich dynamische Entwicklung.
Wie hat sich die Kanzlei-Kultur seit Ihrem Einstieg verändert? Gibt es immer noch das Startup-Feeling?
Wir sind jetzt bei einer Größe, sowohl in Deutschland als auch weltweit angekommen bei der man uns nicht mehr als Startup bezeichnen kann. Die Kultur ist aber ein Stück weit geblieben. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir haben keinen Dresscode. Wir erwarten von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie wissen, wie sie sich anziehen. Bei einem Business-Meeting kann eine Jeans genauso angemessen sein wie Schlips, Dreiteiler oder Kostüm. Wir haben keine Policy, wie man sich anspricht. Wir vertrauen darauf, dass man eine Kommunikationsebene findet, die angemessen ist. Im Ergebnis duzen sich die meisten, und das völlig hierarchie-übergreifend. Unser deutscher Country Managing Partner Ben (Anm. d. Red.: Dr. Benjamin Parameswaran) zum Beispiel duzt alle und lässt sich von allen duzen.
Wir haben keine klassischen festen Arbeitszeit-Vorgaben. Man muss nicht von 9 bis 21 Uhr sein Gesicht im Büro zeigen und am besten sein Jackett über dem Stuhl hängen lassen, damit der Kollege denkt, dass man noch spät abends arbeitet. Bei uns zählen die Ergebnisse. Die Arbeit wird gut gemacht und wenn sie von zuhause genauso gut gemacht wird wie im Büro, dann ist das völlig in Ordnung. Zum Teil ist die Arbeit von zuhause aus sogar effektiver, wenn man die anderthalb Stunden morgens im Stau zum Teil in Mandatsarbeit investieren kann. Das geht natürlich nicht immer. Wenn man Events, Personalgespräche oder eine Projektarbeit hat, ist man besser vor Ort. Beim Onboarding ist es vielleicht sinnvoll, dass man die ersten Wochen oder Monate fast ausschließlich im Büro arbeitet, um die Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen.
Haben Sie diese Flexibilität aufgrund der Corona-Umstände oder gab es sie auch schon vorher?
Man konnte auch schon vorher teilweise von zuhause arbeiten. Wir haben aber anhand von Mitarbeiter-Befragungen festgestellt und durch Corona erfolgreich getestet, dass wir die Gestaltung des Alltags noch mehr in die Hand des Arbeitnehmers legen müssen - mehr Flexible Working und Remote Working. Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass der Assistenzjob sich von zuhause so gut erledigen lässt. Wir haben bei uns im Immobilienteam schon vor der Corona-Phase einen Assistenz-Hub mit zentraler Mail-Adresse etabliert, das hat sich dann im Lockdown besonders ausgezahlt. Man sieht, dass die Hälfte bis drei Viertel der Aufträge solche sind, die rein digital erledigt werden können.
"Wir haben ein sehr gutes Mental-Health- und Well-Being-Programm"
Sie sprechen Mitarbeiter-Befragungen an. Gab es andere Punkte, bei denen Ihre Mitarbeiter sich Änderungen gewünscht haben?
Wir haben während der Corona-Phase dreimal eine Umfrage unter den Mitarbeitern gemacht: Fühlen sie sich einsam? Brauchen sie Unterstützung? Können wir als Firma etwas für sie tun? Wir haben dabei gemerkt: Nicht jedem geht es gut. Am Anfang des Lockdowns gab es eine sehr, sehr große Verunsicherung, vielleicht auch eine Vereinsamung gerade von jungen Associates oder Mitarbeitern, die alleine wohnen und in ihrer Wohnung "gefangen" waren. Sie müssen bedenken: Wir sind eine internationale Kanzlei. Es gab Länder, die hatten ganz andere Lockdowns als Deutschland, da konnte man gar nicht raus gehen.
Wir haben uns auf Basis der Erkenntnisse Maßnahmen für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überlegt und Hilfe angeboten. Ich glaube, das ist ein Programm, das nicht jede Kanzlei hat, das uns auszeichnet und von anderen positiv abhebt.
Haben Sie außer den akuten Corona-Themen weitere Punkte mitgenommen, die Sie angehen möchten?
Wir haben ein sehr gutes Mental Health- und Wellbeing-Programm. Ich blicke gerade auf ein Fitnessband, das man für Rückenübungen nutzen kann und dabei von einem Trainer unterstützt wird. Unsere Schreibtische können auch als Stehpulte genutzt werden.
Sie sehen: Wir wollen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereich Mental Health und Wellbeing ein Wohlfühlprogramm bieten. Das ist eine Konsequenz daraus, dass sich der private Bereich und der Arbeitsbereich immer mehr vermischen. Die Leute arbeiten von zuhause für die Firma, nehmen also den Arbeitsalltag mit nach Hause. Im Gegenzug muss man auch bereit sein, Tätigkeiten, die typischerweise zu Hause oder im Privaten erledigt werden, in den Berufsalltag zu integrieren.
Das ist die neue gelebte Realität, die wir auf Basis der Umfrageergebnisse und der Gespräche mit unseren Associates erkannt haben.
Sie haben viele Punkte angesprochen, die Sie bereits in die Realität umgesetzt haben. Wo sehen Sie denn weiterhin Verbesserungspotential?
Im Bereich Legal Tech, beim Einsatz von künstlicher Intelligenz und bei der Automatisierung sind wir schon gut, können aber sicher noch ein bisschen besser werden.
Im Immobilen-Bereich zum Beispiel schauen wir uns ganz viele Mietverträge und Grundbücher an. Dabei werden wir in Zukunft stärker auf Technologien setzen, um effizienter zu werden. Wir benutzen beispielsweise schon KI-Software. Diese lernt gewisse Vertragsklauseln zu verstehen, kann die Informationen daraus extrahieren und sie in tabellarischer Form aufbereiten.
Das sind Herausforderungen, die nicht nur DLA Piper hat, sondern denen sich wahrscheinlich alle Anwaltskanzleien in den nächsten Jahren stellen müssen. Corona ist dafür ein Katalysator, weil wir jetzt auch für die Kommunikation viel stärker Technologien wie Zoom oder Teams nutzen. Von da aus ist der Schritt hin zu einer perfekten Software für andere Prozesse nicht mehr weit.
Wie gut sehen Sie sich im Bereich Diversity aufgestellt?
Wir ermutigen die Leute, sich zu unterstützen, zusammen zu arbeiten, herausragende Leistung zu bringen, aber auch mutig zu sein und sich mit ihren Ideen reinzubringen. Das entspricht unseren Kanzleiwerten: Be supportive, be collaborative, be exeptional, be bold.
Wir haben ein Diversity- und Inclusion-Konzept, in dem wir diese Werte leben. Mit unserer LGBT+-Gruppe haben wir eine tolle Community geschaffen, die dafür sorgt, dass jeder so sein kann, wie er möchte. Wir haben die Leadership Alliance for Women. In dem Programm bieten wir ein Mentorship für junge Associates an, um gezielt die Frauen in unserer Anwaltschaft und Partnerschaft zu fördern. Und wir haben ein tolles Pro-Bono-Programm. Jeder kann bis zu 50 Pro-Bono-Stunden im Jahr erfüllen, die nicht zulasten seiner sonstigen Performance gehen. Die gelten bei uns als "billable", obwohl sie nicht abgerechnet werden. Das motiviert die Leute, wirklich dabei mitzumachen.
"Ich mache bei der Note Abstriche, wenn jemand gut ins Team passt"
Zu Ihrem Fachbereich Immobilienwirtschaft: Welche Talente und Fähigkeiten sollte ein Bewerber mitbringen, damit er dort erfolgreich werden kann?
Die Examensnote ist wichtig, weil das der Nachweis ist, dass man Jura verstanden hat. Aber ich bin bereit, bei der Examensnote einen Abstrich zu machen, wenn jemand gut zum Team passt und ich sicher bin, dass meine Mandanten diese Person schätzen und ihr vertrauen werden.
Ein konkretes Beispiel: Ich komme gestern zum Vorstellungsgespräch und ich werde von der Bewerberin mit einem Lächeln und mit einem kleinen Scherz zur Anreise empfangen. Das ist jemand, der die Regeln des Zusammenlebens verstanden hat, der sympathisch und humorvoll ist. Es gibt nichts Schlimmeres als im Flieger neben einem Mandanten zu sitzen und ihn dann eine Stunde lang mit juristischen Themen zu bombardieren, weil man ansonsten nichts Interessantes in seinem Leben macht. Man muss eine Persönlichkeit sein, mit der man gerne ein Bier trinken geht und dabei zwei, drei Stunden über schöne Themen redet, die mit Jura überhaupt nichts zu tun haben.
Natürlich braucht man als Anwalt in einer Wirtschaftskanzlei auch eine Leidenschaft für wirtschaftliche Zusammenhänge. In meinem Bereich ist es sicher unschädlich, wenn man ein gewisses Interesse an Immobilien mitbringt.
Ansonsten suchen wir aufgeschlossene Typen, die gerne international tätig sind, die aufgeschlossen für andere Sprachen und Kulturen sind und die eine Bereitschaft mitbringen, sich auch um gesellschaftliche Themen zu kümmern.
Haben Sie einen Rat an junge Juristen, die noch im Studium oder im Referendariat sind? Wie kann man sich hin zur echten Anwaltspersönlichkeit entwickeln?
Man sollte zum Beispiel interessante Hobbies haben. Es scheint ein neuer Trend zu sein, in Lebensläufen seine Hobbies nicht mehr anzugeben. Dabei ergeben sich daraus genau die Gespräche, in denen ich die Bewerber am besten kennen lerne. Natürlich sollte es schon ein bisschen mehr sein als Reisen, Lesen und Kochen. Das ist zu abstrakt, als dass sich daraus ein Gespräch entwickelt.
Die gerade schon erwähnte Bewerberin ist zum Beispiel auf Profiniveau Rennrad gefahren. Ich musste bei der Gelegenheit feststellen, dass mein Kollege, der mit mir das Gespräch geführt hat, früher ebenfalls Rennrad gefahren ist. Das wusste ich vorher gar nicht, muss ich zu meiner Schande gestehen. Wir haben uns dann tatsächlich 20 Minuten über Rennradfahren unterhalten.
Profi-Rennradfahrerin ist eine ganz schön hohe Messlatte…
Es muss niemand Profisportler gewesen sein. Sammelst du alte Uhren oder interessierst du dich für Oldtimer? Machst du Bogenschießen oder hast du einen interessanten Nebenjob? Ich hatte mal einen Studenten als Bewerber, der hat seine vorherigen beruflichen Tätigkeiten angegeben. Er war Aufgussjunge in den Claudiusthermen in Köln. Wenn Sie das in Ihrem Lebenslauf drinnen stehen haben, glauben Sie mir, haben Sie ein Gesprächsthema. Und er konnte mir auch bestätigen, dass er immer darauf angesprochen wird, egal wo er hinkommt.
Ein weiterer Rat betrifft den Jobeinstieg, wenn man sich zwischen zwei oder drei Kanzleien entscheiden muss: Als Referendar ist man chronisch pleite, das kenne ich aus eigener Erfahrung. Ob man dann aber 90.000 Euro, 100.000 Euro oder 140.000 Euro verdient, macht - Hand aufs Herz - für das persönliche Wohlempfinden keinen Unterschied. Auf diesem Gehaltsniveau wird man sich sämtliche Wünsche erfüllen können und sämtliche Schulden zurückzahlen können, die man vorher gemacht hat.
Viel entscheidender ist, dass man sich das Team anguckt: Mit wem sitze ich eigentlich im Vorstellungsgespräch? Sitzt der Partner alleine da? Wen bringt er mit? Habe ich die Gelegenheit, sämtliche Kollegen kennenzulernen und passt dieses Team zu mir?
Hört also auf Euer Bauchgefühl. Ist das der Ort, wo ihr jeden Morgen aufschlagen möchtet und sind das die Menschen, mit denen ihr einen Großteil der Woche verbringen wollt?
Mehr Infos: Arbeitgeberprofil von DLA Piper
Transparenzhinweis: Dieser Arbeitgeber hat aktuell und/oder in der Vergangenheit Stellenanzeigen in unserem Stellenmarkt geschaltet. Das Interview wurde nicht vergütet.
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2020 M10 7
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