"Bei uns gibt es keine Quereinsteiger"
LTO: Herr Dr. Karbaum, was war für Sie der Grund Jura zu studieren?
Dr. Christian Karbaum: Ein interessantes Themengebiet, Arbeit mit Menschen, Umgang mit Sprache und vor allem, dass man gerade im Wirtschaftsrecht an der Schnittstelle von Recht und Wirtschaft arbeiten kann. Dass man also nicht nur im Bereich Recht oder Wirtschaft tätig ist, sondern die rechtlichen Belange in wirtschaftlicher Anliegen bearbeitet. Das hat mich gereizt.
Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt und wo sind die größten Unterschiede zu dem, was Sie erwartet haben?
Im Studium haben sich die Erwartungen nicht erfüllt. In Osnabrück gab es einen wirtschaftsrechtlichen Schwerpunkt, der aber aus drei praxisfernen Vorlesungsveranstaltungen bestand - BWL, VWL und Rechnungswesen. Das hatte nicht viel mit praktischer Wirtschaft zu tun.
Im Anwaltsberuf ist es durch die Tätigkeit im Kartellrecht genau das, was mir vorgeschwebt hat. Es geht immer darum, die unternehmerischen Ziele der Mandanten in Übereinstimmung mit den kartellrechtlichen Anforderungen zu erreichen.
Wie sind Sie zum Kartellrecht gekommen?
Ich habe den Sommer 2006 nach meinem Examen noch an meinem Studienort Osnabrück verbracht. Mein Lehrstuhlprofessor lud mich in seine Sommerveranstaltung zum Kartellrecht ein, weil er glaubte, das könnte etwas für mich sein. Und damit hatte er Recht.
Für die Promotion habe ich dann ein kartellrechtliches Thema gewählt. Seit diesem Zeitpunkt bin ich auf dem Kartellrechtstrack unterwegs mit promotionsbegleitender Nebentätigkeit in einer britischen Sozietät, mit Stationen im Bundeskartellamt, hier bei Glade Michel Wirtz und später auch dem Berufseinstieg im Kartellrecht.
Ihr Professor hat Ihre Fähigkeiten offenbar richtig eingeschätzt. Was braucht man denn für Talente, um im Kartellrecht glücklich werden zu können?
Man braucht einen gewissen Zugang zu den wirtschaftlichen Aspekten: zu den Zielen, Verfahrensweisen und Denkweisen von Unternehmen und Unternehmern. Wenn man keinen Zugang zu dieser Welt hat, ist es schwer zu verstehen, wie diese Mandanten ticken, was sie vorhaben und wie sie arbeiten. Man sollte wissen, was sie für ihre Arbeit, für ihre Entscheidungen und ihr Fortkommen brauchen.
Es ist auch so, dass die Rechtsmaterie relativ breit ist durch die Vielzahl an Gerichten, Behörden und Gesetzen auf deutscher und auf EU-Ebene. Es gibt immer wieder neue Verordnungen und Entscheidungen aus Brüssel, Luxemburg, Bonn oder Karlsruhe. Man hat viel damit zu tun, in den verschiedenen Kartellrechtsbereichen up to date zu bleiben. Es gibt also eine spannende Dynamik, an der man Spaß haben muss.
Mehr zum Thema: Arbeitgeberprofil von Glade Michel Wirtz
“Wir arbeiten sehr international”
Wie muss sich ein junger Jurist den Arbeitsalltag eines Kartellrechtlers vorstellen?
Es ist wahnsinnig vielfältig. Das Kartellrecht besteht aus verschiedenen Regelungsbereichen.
Wir sind so eine Art Strafverteidiger im Kartellbußgeldverfahren und verteidigen Unternehmen gegen Vorwürfe der Europäischen Kommission und des Bundeskartellamts. Das ist mitunter Arbeit nach OWiG- und StPO-Vorschriften.
Ein völlig anderes Feld ist die Fusionskontrolle. Da geht es um Verwaltungsverfahren, in denen Behörden Verwaltungsakte erlassen: Sind Zusammenschlüsse bzw. Unternehmensübernahmen zulässig und dürfen sie umgesetzt werden? In der Vorbereitung solcher Transaktionen ist dabei wieder wirtschaftliches Verständnis gefragt. So fragen die Mandanten stets, ob ein geplantes Vorhaben denn genehmigungsfähig ist. Für die Beantwortung der Frage muss man die betroffenen Märkte und die dort herrschenden Wettbewerbsverhältnisse verstehen.
Dann sind wir im Bereich der Zivilprozessführung tätig: Klagen auf Schadensersatz, Klagen auf Leistung, Abwehr solcher Klagen.
Darüber hinaus machen wir Kartellrechtler viel Compliance-Beratung und Vertragskartellrecht. Welche Beschränkungen sind zum Beispiel bei Einführung eines neuen Vertriebssystems zulässig? Sind Vertragsklauseln wie Wettbewerbsverbote möglich? Welche Spielräume und Grenzen bestehen bei Kooperationen zwischen Wettbewerbern ? Wir halten außerdem Schulungen, bereiten Verhaltenskodizes, Leitfäden oder Online-Learning-Tools vor.
Wir arbeiten dabei sehr international durch die Schnittstelle zur europäischen Union und weil praktisch alle anderen Länder der Welt ein eigenes Kartellrecht haben. Wenn Mandanten ein Thema haben, das zum Beispiel Deutschland, Brasilien und die USA betrifft, dann müssen wir mit Korrespondenzkanzleien vor Ort sicherstellen, dass die kartellrechtlichen Belange in allen betroffenen Jurisdiktionen gewahrt sind.
Die Aufgaben sind also sehr vielfältig und so vielfältig ist auch der Arbeitstag. Hier bei uns ist es nicht so, dass die Kollegen z.B. entweder nur Fusionskontrolle oder nur Bußgeldverfahren machen. Jeder, der hier arbeitet, kennt sich in allen Bereichen gut aus.
Dieser generalistische Ansatz ist vielleicht eher ein Merkmal kleinerer Einheiten wie Glade Michel Wirtz. War das ein Grund für Sie, sich nach Referendariat mit Station auch bei einer internationalen Großkanzlei für Glade zu entscheiden und welche weiteren Gründe gab es?
Ich habe mich gefragt, wo ich mich in fünf bis zehn Jahren gerne sehen würde. Und dann habe ich das Gesamtpaket hier bestehend aus Klima, Kultur, Mandaten und auch Arbeitsbelastung oder Work-Life-Balance gesehen und mit anderen verglichen. Selbst wenn ich woanders hätte ähnlich durchstarten können, hätte ich das nicht gewollt. Denn dann hätte ich auf viele andere Dinge, die mir privat Spaß machen oder wichtig sind, verzichten müssen.
Wir haben ein sehr konstruktives Miteinander und hervorragende, spannende Mandate. Gleichzeitig gibt es keine Stundenvorgaben, weder für Angestellte noch für Partner, die uns lenken. Wir sind völlig frei darin, genau das in genau dem Umfang zu machen, den die Sache konkret braucht oder der Mandant wünscht.
Diese Freiheit führt auch dazu, dass es intern weniger Reibungspunkte gibt. Das merkt man am Klima auf allen Ebenen. Hier duelliert sich keiner, wer abends länger das Licht anlässt. Wenn die Arbeit fertig ist, geht man nach Hause.
Wir arbeiten auch nicht wenig, aber es man bekommt das Berufliche und das Private gut unter einen Hut. Ich mache das seit 10 Jahren und bislang hat es gut funktioniert.
“Wir rücken nicht von Doppelprädikat und Doktortitel ab”
Gibt es weitere Aspekte der Kanzleikultur, die Sie auszeichnen?
Eines unserer Kernmerkmale ist unsere Teamkultur. Wir haben eine ganz tolle, homogene Truppe. Fachlich hochqualifizierte Kollegen, alle haben Doppelprädikat und Doktor. Das ist unser Einstellungskriterium und davon rücken wir auch nicht ab. Entsprechend den gleichen Notenvoraussetzungen verdienen alle im jeweiligen Jahr auch das gleiche. Dadurch gibt es hier keine Diskussionen, ob die Bezahlung gerecht ist.
Dass das Konzept trägt und dass wir tatsächlich ein tolles Team haben, sehen wir an privaten aus der Kanzlei entwickelten Freundschaften, an der Lust, bei Kanzleievents bis zum Morgen zu feiern oder nach dem Arbeiten zusammen zum Associate-Stammtisch, zu Fußballspeilen oder Tennisspielen zu gehen.
Ein anderer Punkt ist, dass wir eine sehr hohe Ausbildungsqualität und einen sehr belastbaren Track bieten. Nach vier Jahren gibt es das up-or-out zum Counsel und nach sechs Jahren die Partnerentscheidung. Und das ist auch so, jeweils auf den Tag genau.
Es ist unser erklärtes Ziel, dass wir alle so coachen, dass sie in den sechs Jahren bis zum Partner kommen. Das haben in der noch recht jungen Kanzleigeschichte schon drei geschafft. Zurzeit haben wir drei Counsel, bei denen die Entscheidung bald ansteht.
Wenn Sie alle Associates und alle Counsel jeweils in den nächsten Schritt reinbringen wollen, führt das denklogisch zu einem organischen Wachstum…
Ja, das bedingt das. Wir haben ein klares Commitment: Keine Quereinsteiger. Ihnen passiert es hier nicht, dass Sie vier oder sechs tolle Jahre hinlegen und dann schnappt Ihnen jemand von außen die Partnerposition vor der Nase weg.
Es gibt doch sicher auch Punkte, in denen Sie besser werden können?
Natürlich, das wird auch immer so bleiben, solange wir uns und der Arbeitsmarkt sich weiterentwickeln. Wir sind gewachsen. Als ich angefangen habe, war ich der elfte Anwalt, jetzt sind wir fast 30. Anfangs saßen wir in unserem Gebäude auf einer Etage, jetzt sind es drei. Neben der Modernisierung von Arbeitszeitmodellen haben wir zuletzt auch die interne Kommunikation weiterentwickelt, so dass sich alle abgeholt fühlen und dass die sozialen Kontakte zu anderen Etagen bleiben.
Wenn ich Ihr Team anschaue, dann ist Ihr Frauenanteil noch nicht sehr hoch. Haben Sie das Thema auf dem Schirm?
In unserem Kartellrechtsteam ist es etwa Hälfte-Hälfte. Im Gesamtteam ist das richtig.
Im Übrigen kann es an unseren Leistungen als Arbeitgeber nicht liegen. Wir bieten völlige Flexibilität bei den Arbeitsmodellen. Da haben wir uns viel einfallen lassen und bieten alles, was man im Arbeitsmarkt erwarten kann und darüber hinaus. Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin in dieser Hinsicht besondere Anliegen hat, werden wir das hinbekommen. Diese Freiheiten haben wir als kleine Kanzlei und das funktioniert sehr gut.
Eine Schwierigkeit bei der Gewinnung weiterer Kolleginnen könnte das Rechtsgebiet Corporate / M&A / Kapitalmarktrecht. Es ist insgesamt im Markt zu beobachten, dass Frauen dort – anders als im Kartellrecht - unterrepräsentiert sind. Wir haben im Gesellschaftsrecht aber auch zwei Anwältinnen und mehrere Referendarinnen, die sich eine Zukunft bei uns gut vorstellen können.
Was für Menschen passen zu Glade?
Wir suchen gute Juristen, die Spaß haben an ihrer Arbeit und Teamplayer sind. Ellbogenmentalität hat bei uns keinen Platz.
Mehr zum Thema: Arbeitgeberprofil von Glade Michel Wirtz
Transparenzhinweis: Dieser Arbeitgeber hat aktuell und/oder in der Vergangenheit Stellenanzeigen in unserem Stellenmarkt geschaltet. Das Interview wurde nicht vergütet.
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2020 M07 9
Kanzlei
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