"Wir sind eine Großkanzlei, aber keine Anwaltsfabrik"
LTO: Herr Schultze-Moderow, Sie sind Anfang des Jahres zum Partner ernannt worden. Wie lief das erste halbe Jahr in neuer Funktion?
Dr. Lukas Schultze-Moderow: Es war sehr speziell. Schon der Rollenwechsel alleine bringt in Sachen Administration, Recruiting oder Business Development neue Blickwinkel. Dazu kam für mich der örtliche Wechsel von Frankfurt nach Hamburg. Durch die Corona-Pandemie ist alles etwas anders gelaufen als geplant. Aber insgesamt war es ein sehr positiver Start. Ich bin mit dem Auftrag hierhergekommen, ein neues Dispute-Resolution-Team aufzubauen. Es ist schon etwas Besonderes, seine(n) erste(n) Associate oder die erste Assistenz einzustellen.
Kommen Sie langsam in ruhigeres Fahrwasser?
Wir sind coronabedingt noch ein ganzes Stück vom Normalzustand entfernt. Die Hälfte der Belegschaft ist jeweils im Büro, die andere im Homeoffice. Aber wir haben inzwischen ein gutes Team beisammen. Die erste wissenschaftliche Mitarbeiterin ist gestartet, die erste Praktikantin sitzt bei uns im Team. Man merkt, dass sich in den fünf Monaten einiges getan hat.
Was antworten Sie, wenn ein junger Jurist Sie fragt, worauf es für den Schritt vom Associate zum Partner bei Gleiss Lutz ankommt?
Für mich war entscheidend, dass ich eine Kanzlei gefunden habe, die persönlich und kulturell zu mir passt. Wenn man einen weniger guten kulturellen "Fit" hat, wird man Schwierigkeiten haben, sich zu etablieren und erfolgreich zu werden.
Wichtig ist auch, dass man mit Einsatz und Spaß bei der Sache ist, dass man sich in der Sozietät bekannt macht und dass man die unmittelbaren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen überzeugt. Man braucht Fürsprecher und die gewinnt man nur durch gute Arbeit.
“Networking nicht zu strategisch betreiben”
Wie schafft man es, sich in einer Sozietät bekannt zu machen. Geht es dabei vor allem um Eigenvermarktung und Networking?
Gerade jungen Associates würde ich abraten, das allzu strategisch anzugehen. Ein zu karrieristisches Auftreten wird als solches schnell identifiziert und nicht unbedingt gewürdigt.
Man muss sich auf jeden Fall mit Kolleginnen und Kollegen derselben Senioritätsstufe bekannt machen, um besser für den Mandanten arbeiten zu können. Wenn ich zum Beispiel die Finanzrechtler kenne, kann ich bei Banking-Litigation-Themen noch einfacher zum Hörer greifen und ihnen Fragen zu Finanzprodukten stellen.
Wenn man sich außerdem über die einzelnen Mandate hinaus engagiert, z.B. im Bereich Recruiting oder Veröffentlichungen, dann führt das dazu, dass man auch über die Mandatsarbeit hinaus bekannter wird. Und wenn man das noch mit ehrlichem Spaß und Enthusiasmus macht, ist das die Art von Wahrnehmung, die in Erinnerung bleibt und einem später vielleicht hilft.
Für Sie war der kulturelle Fit ein Stück weit für Ihre Entwicklung entscheidend. Was konkret zeichnet für Sie Gleiss Lutz in dieser Hinsicht aus?
Für mich kann man es auf den Nenner bringen: Großkanzlei, aber keine Anwaltsfabrik. Das zeigt sich schon in der Teamgröße. Andere Litigation-Praxen in Frankfurt haben 30 und mehr Anwältinnen und Anwälte. Als ich bei Gleiss Lutz anfing, waren wir ein Team von fünf. Bei uns zählt jeder Einzelne, und das ist eine Atmosphäre, in der ich mich wohl fühle.
Ein konkretes Beispiel aus meiner Wahlstation bei Gleiss Lutz: Viele Kanzleien sagen einem vor der Anwaltsstation, dass eine Wahlstation im Ausland möglich sei. Wenn es aber konkret wird, stellt sich die Frage: Wer in der Kanzlei kennt einen gut genug, um sich darum zu kümmern? Der Partner, mit dem ich damals zusammengearbeitet habe, hat gesagt: „Wir haben keine internationalen Büros, aber wir arbeiten mit Kanzleien im Ausland zusammen. Suchen Sie sich eine Stadt aus, wo Sie gerne hinwollen und wir versuchen, das möglich zu machen.“
In kleineren Teams wie unserem ist es nicht dem Zufall unterworfen, wie gut man als Individuum wahrgenommen wird. Das war eine Form von Wertschätzung, die mich überzeugt hat.
Was für Menschen passen zu Gleiss Lutz?
"Wir suchen von den Besten die Nettesten". Auch wenn das ein Slogan eines Wettbewerbers war, trifft es das am besten. Es ist ganz entscheidend, dass wir Leute haben, die sich mit Leidenschaft in die Sache reinwerfen und mit denen man nach der Arbeit ein Bier trinken kann. Jura-Nerds im besten Sinne des Wortes, die Spaß haben, sich in die letzten Feinheiten eines Problems rein zu arbeiten. Die nicht zufrieden sind, wenn sie es nur okay machen. Und die bereit sind, auch mal über die Schmerzgrenze hinaus zu gehen. Aber nicht mit Verbissenheit, sondern mit gesundem Enthusiasmus.
Mehr zum Thema: Arbeitgeberprofil von Gleiss Lutz
“Man darf nicht vor einem gesunden Maß an Konfrontation zurückschrecken”
Warum haben Sie sich für den Bereich Prozessführung entschieden und was sollte ein Jurist mitbringen, der dort erfolgreich sein will?
Bei mir war es ursprünglich Zufall. Ich habe im Rahmen des Studiums am Vis Moot Court teilgenommen und durch diese Arbeit in vielen Praktika den Bereich Schiedsverfahren kennen gelernt. Über eine wissenschaftliche Mitarbeit bin ich weiter reingerutscht und habe festgestellt, dass das für mich spannend ist.
Der Bereich ist jedenfalls nicht für Menschen geeignet, die besonders auf Routine stehen. Die Fälle sind jede Woche unterschiedlich und die Rechtsfragen sind immer wieder neue, so dass wir zwar nicht immer wieder bei null, aber doch bei zehn anfangen und uns in sehr kurzer Zeit in Richtung hundert bringen müssen.
Man darf auch nicht vor einem gesunden Maß an Konfrontation zurückschrecken und muss bereit sein, mit dem gebotenen Nachdruck die Interessen der Mandantschaft durchzusetzen.
Das gilt zwar auch für M&A’ler und andere Kollegen, aber die haben immerhin ein gemeinsames Ziel mit der Gegenseite, nämlich den Deal, den sie machen wollen. Wir sind oft in der Konstellation, dass wir nicht gemeinsam mit der Gegenseite den Kuchen größer machen, sondern dass wir um die Verteilung der Stücke streiten.
Auch wenn es kaum Routine gibt, können Sie den typischen Arbeitstag eines Associates bei Ihnen beschreiben?
Das Bild aus den Fernsehserien, dass wir ständig im Gerichtssaal sind, entspricht natürlich nicht der Realität. Wir sitzen viel am Schreibtisch, telefonieren mit Mandanten, stimmen uns ab. Die Arbeit am Sachverhalt wird massiv unterschätzt. Die Aufklärung und Aufbereitung machen den größten Teil unseres Arbeitsalltags aus.
Es ist auch viel Schriftsatzarbeit. Wir verbringen tatsächlich auch Zeit in der Bibliothek, um die Argumente juristisch aufzubohren. Der Hauptteil ist, das so zu Papier zu bringen, dass wir ein Gericht bzw. Schiedsgericht überzeugen können.
Ansonsten sind auch Associates schon früh mit Recruiting beschäftigt, nehmen an Fortbildungen und Veranstaltungen teil. Deshalb meine ich es ernst, dass es einen typischen Tag nicht gibt.
“Wichtige persönliche Anliegen machen wir möglich”
Wie ist Gleiss Lutz beim Thema Diversity aufgestellt?
In den letzten Jahren ist hier bei uns schon viel passiert und geht weiter in die nach meiner Überzeugung richtige Richtung.
Wir sind der Charta der Vielfalt beigetreten und haben diverse Initiativen etabliert, um das Thema Diversity in unserem Alltag noch präsenter zu machen. Es gibt eine sehr aktive Women in Business Initiative zur Förderung von Frauen im Berufsleben. Bei „Gleiss Lutz UNIQUE“ geht es darum, die LGBT+ Community innerhalb der Sozietät zu stärken.
Dass Diversität in der Kanzlei u. a. auch ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, ist erkannt und adressiert. Es herrscht eine große Bereitschaft – insbesondere auch bei unserem Management -, das Thema zu unterstützen und voranzutreiben. Es ist aber sicher eine längerfristige Aufgabe, die auch ein wenig Geduld auf allen Seiten erfordert.
Haben Sie konkrete Ziele definiert?
Wir haben uns jedenfalls keine konkreten Quoten, z. B. eine Partnerinnenquote, vorgenommen, falls Sie das meinen. Ich glaube, dafür sind wir auch zu klein, als dass das realistisch wäre, weil es eben doch Einzelfallentscheidungen sind.
Was sagen Sie einem Bewerber, der nach der Work-Life-Balance bei Gleiss Lutz fragt?
Man muss genau schauen, was Bewerberinnen und Bewerber unter dem Begriff Work-Life-Balance verstehen. Wenn sie jeden Tag fünf Stunden ihrem Hobby nachgehen und am Wochenende nicht auf das Diensthandy gucken wollen, dann werden wir nicht zusammenkommen.
Wenn es aber darum geht, wichtige persönliche Anliegen möglich zu machen, dann nehmen wir darauf Rücksicht. Nicht zu Lasten des Mandanten, der geht weiterhin vor; im Rahmen dessen, was das Mandat braucht, gibt es aber durchaus Freiräume.
Ein Beispiel: In meinem ersten Arbeitsmonat als Anwalt bei Gleiss Lutz hatte Eintracht Frankfurt ein Auswärtsspiel in Bordeaux. Ich hatte schon vor Arbeitsantritt gesagt, dass ich dafür gerne Urlaub nehmen möchte. Ich habe auch Urlaub bekommen und konnte hinfliegen. Dafür saß ich am Spieltag bis zwei Stunden vor Anpfiff im AirBnB-Zimmer und habe an einem Schriftsatz gearbeitet. Aber ich konnte das Spiel sehen und danach ein langes Wochenende in Bordeaux genießen. Wäre es schöner gewesen, früher ins Stadion zu gehen? Ja klar! Aber das ist die Kombination, die ich meine: Einerseits, den Belangen des Mandanten anderes unterzuordnen, anderseits die Flexibilität, den Beruf mit den privaten Interessen zu verbinden.
Am Ende des Tages suchen wir Kolleginnen und Kollegen, die Lust auf die Herausforderung haben und eben nicht die Arbeit als Unterbrechung ihres "eigentlichen Lebens" betrachten.
Mehr zum Thema: Arbeitgeberprofil von Gleiss Lutz
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2020 M07 30
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