EuGH wendet im Streit um Super League-Verbot EU-Wettbewerbsrecht ohne Abstriche an. Bundespräsident Steinmeier ernennt zwei neue Verfassungsrichter. Auch Strafunmündige können laut BGH angestiftet werden.
Thema des Tages
EuGH zu Super League: Die Fußballverbände FIFA und UEFA dürfen andere Wettbewerbe derzeit nicht von ihrer Genehmigung abhängig machen und sie dürfen Vereinen und Spielern nicht verbieten, an diesen Wettbewerben teilzunehmen. Dies hat der Europäische Gerichtshof auf Vorlage des Handelsgerichts Madrid im Streit um eine konkurrierende Super League entschieden und den Verbänden einen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung attestiert. Für die Veranstaltung von professionellen Sportwettkämpfen gelte das EU-Wettbewerbsrecht ohne Abstriche. Der von Generalanwalt Athanasios Rantos angeführte Art. 165 AEUV (Förderung der europäischen Dimension des Sports) sei keine Querschnittsnorm, die wettbewerbsrechtliche Sonderregeln für den Sport rechtfertige. Gleichzeitig ließ der EuGH die Möglichkeit offen, die Gründung einer Super League zu verhindern, wenn die Verbände ihre Statuten den Vorgaben des Kartellrechts an Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit entsprechend änderten. Dies will die UEFA nun tun. Auch könne das Handelsgericht Madrid noch prüfen, ob das UEFA-Monopol durch eine solidarische Umverteilung der Monopolgewinne zu rechtfertigen ist. Es berichten SZ (Johannes Aumüller u.a.), FAZ (Daniel Theweleit), taz (Christian Rath), LTO und beck-aktuell.
Rechtspolitik
BVerfG-Richterwahl: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichte Sibylle Kessal-Wulf und Peter Müller , die aus dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts turnusgemäß ausscheiden, ihre Entlassungsurkunden. Kessal-Wulff war u.a. als Berichterstatterin für das vielbeachtete Haushaltsurteil zuständig. Der ehemalige saarländische Ministerpräsident Müller war zuletzt Berichterstatter in dem Urteil zur Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin. Als Nachfolger ernannte der Bundespräsident den bisherigen Bundesverwaltungsrichter Holger Wöckel sowie den bisherigen Generalbundesanwalt Peter Frank. Über den Wechsel, der zu einer gemäßigteren Rechtsprechung des Zweiten Senats führen könne, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch).
LTO (Christian Rath) widmet sich in einem Porträt ausführlich dem bisherigen Generalbundesanwalt Peter Frank. Schon in seinem ersten Dienstzeugnis 1994 hieß es, Frank sei "prädestiniert für höchste Tätigkeiten". Der 55-Jährige hat eine Beamtenlaufbahn im bayrischen Landesjustizministerium hinter sich, während der er nur kurze Zeiten als Richter und Staatsanwalt arbeitete. In seiner achtjährigen Zeit als Generalbundesanwalt agierte er souverän und ohne Skandale. Frank habe wohl nicht angestrebt, Verfassungsrichter zu werden. Die CSU, die das Vorschlagsrecht hatte, schlug ihn kurzfristig vor, nachdem sie den ehemalige Landesjustizminister Winfried Bausback (CSU) als Kandidaten zurückzog.
tagessschau.de (Kolja Schwarz) hat mit dem scheidenden Verfassungsrichter Peter Müller über seine zwölfjährige Amtszeit gesprochen. Darin wehrt er sich gegen den Vorwurf, Urteile wie das Haushaltsurteil seien "eine Ohrfeige für die Politik", und weist auf den strukturellen Unterschied der Institutionen hin: Anders als das Gericht müsse die Politik oft sehr schnell über Dinge entscheiden und könne nicht immer so intensiv prüfen wie das BVerfG.
Fremdkapitalverbot für Anwaltskanzleien: Das Bundesjustizministerium hat das Ergebnis einer Umfrage zum geltenden Fremdbesitzverbot für Anwaltskanzleien veröffentlicht. Danach sprachen sich fast 63 % der mehr als 7.000 befragten Anwält:innen explizit gegen eine Lockerung des Verbots der Beteiligung externer Kapitalgeber aus. LTO (Hasso Suliak) berichtet über die Umfrage, die Hintergründe des Verbots sowie ein beim Europäischen Gerichtshof anhängiges Verfahren, in dem das Verbot überprüft wird.
Medienstaatsvertrag: Die Doktorandin Katharina Leusch greift auf dem Verfassungsblog die Ankündigung des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke auf, im Fall eines Wahlgewinns bei der Thüringen-Wahl den Medienstaatsvertrag kündigen zu wollen und erläutert, dass dies grundsätzlich möglich sei, die Einrichtung von sog. Bürgermedien aber eine missbrauchsanfällige Alternative darstellen könnte. Eine Anpassung der Bürgermedien-Satzung sowie der -Förderrichtlinie mit dem Zusatz, dass das Programm nicht im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen dürfe, könne Missbrauch verhindern.
Justiz
BGH zur Anstiftung Strafunmündiger: Wer Strafunmündige mit dem Ziel beeinflusst, sie zur Begehung einer Straftat zu bewegen, kann wegen Anstiftung verurteilt werden. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden und damit gleichzeitig einen langjährigen Meinungsstreit beigelegt. Hintergrund ist der Fall eines Mannes, der versucht hatte, ein nach § 19 Strafgesetzbuch (StGB) schuldunfähiges Kind zum Mord an seiner Mutter zu bewegen, die bis kurz zuvor noch seine Partnerin war, dann aber aus Angst vor Gewaltexzessen in ein Frauenhaus floh. Dogmatisch schloss sich der BGH hier der Ansicht an, die eine in der Regel schärfer zu sanktionierende mittelbare Täterschaft nur dann annimmt, wenn das Kind tatsächlich ohne Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit handele. Der Täter selbst habe hier nicht an der Unrechtseinsicht des Kindes gezweifelt und zudem keinen steuernden Einfluss auf das Tatgeschehen gehabt. LTO (Hasso Suliak) und beck-aktuell berichten über den Fall und die dogmatische Herleitung.
EuGH zu DSGVO-Bußgeld: Rechtsanwalt Axel von dem Bussche stellt auf beck-aktuell nun auch das Urteil des Europäischen Gerichtshof von Anfang Dezember zum Bußgeld gegen die Deutsche Wohnen wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung vor. Zu einer "sprunghaften, geradezu epidemischen Zunahme von Bußgeldbescheiden" werde es dadurch nicht kommen, da zwar die bisherige Praxis der Aufsichtsbehörden bestätigt sei, den Behörden aber kein zusätzliches Personal zugewiesen werde, das für eine strengere Durchsetzung der DSGVO erforderlich sei.
BVerfG zu Durchsuchung bei Adbusting-Verdacht: Der Verdacht auf versuchten Diebstahl eines Plakats durch Adbuster:innen kann keine Wohnungsdurchsuchung rechtfertigen. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht im Fall einer Berliner Studentin. Sie war beim Öffnen eines Werbekastens erwischt worden, als sie ein Werbeplakat der Bundeswehr durch ein kritisch modifiziertes Plakat ersetzen wollte. Unverhältnismäßig sei der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vor allem, weil die zu erwartende Strafe eher niedrig und es nicht wahrscheinlich gewesen sei, dass neue Beweismittel entdeckt werden. Es liege nur ein Eingriff in Artikel 13 GG (Wohnung), nicht in Artikel 5 GG (Meinungs- und Kunstfreiheit) vor. Es berichten FAZ (Marlene Grunert), taz-Berlin (Christian Rath) und LTO.
BVerwG zu Windrädern: Der Bundesverband Windenergie übt laut FAZ (Katja Gelinsky) heftige Kritik am Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Dienstag, das die nachträgliche Anordnung artenschutzrechtlicher Beschränkungen für Windradbetreiber für zulässig erklärte. Damit werde "an den Grundfesten und der Sinnhaftigkeit der Genehmigungsverfahren" gerüttelt. Jetzt sei der Gesetzgeber gefordert. Auch Entschädigungszahlungen könnten festgeschrieben werden.
BGH – Urheberrecht an Möbelsystem: Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mehrere Fragen zur Klärung des in der EuGH-Rechtsprechung entwickelten Begriffs des urheberrechtlichen Werks vorgelegt. Hintergrund ist der Rechtsstreit des schweizerischen Möbelherstellers USM gegen einen Online-Shop. Letzterer biete ein Regalsystem an, das dem von USM entspreche. LTO und beck-aktuell erläutern die zugrundeliegenden urheberrechtlichen Fragen.
BAG zu Blick aufs Handy nach Feierabend: Rechtsanwalt Artur Kühnel stellt im Expertenforum Arbeitsrecht nun auch das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Erreichbarkeit von Arbeitnehmer:innen in der Freizeit dar. Eine Nebenpflicht von Arbeitnehmer:innen sei es, auch nach Feierabend Weisungen, etwa zur Arbeitsleistung am darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort, zur Kenntnis zu nehmen und dafür auch nach 20 Uhr noch einmal aufs Handy zu schauen. Eine allgemeine Pflicht zur Kenntnisnahme von Weisungen während der Freizeit könne daraus aber nicht abgeleitet werden, da sich die Nebenpflicht im konkreten Fall aus den bestehenden betrieblichen Regelungen ergeben habe und der Arbeitnehmer wegen einer zunächst noch nicht konkretisierten Dienstplaneinteilung mit solchen Weisungen rechnen musste.
OVG Berlin-BB zu Klimaschutz-Sofortprogrammen: Die Bundesregierung will laut SZ gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg von Ende November Revision einlegen. In dem Urteil wurde der Regierung und vor allem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vorgeworfen, gegen das Klimaschutz-Gesetz zu verstoßen, weil trotz Verfehlens der sektorbezogenen Klimaziele keine Klimaschutz-Sofortprogramme beschlossen wurden.
VG Köln zu Auskunftsanspruch/"Schabowski-Zettel": Wie bild.de (Hans-Wilhelm Saure) berichtet, hat das staatlich finanzierte Haus der Geschichte in Bonn zwischen 2015 und 2022 genau 64.041 Euro in einem Rechtsstreit für Anwält:innen ausgegeben, um zu verhindern, dass ein Bild-Journalist die begehrte Einsicht in die Kaufverträge der "Schabowski-Zettel" erhält. Das Museum hatte die berühmten Zettel, die Schabowski auf der Pressekonferenz am 9. November 1989 verwendete, für 25.000 Euro gekauft. Zuletzt hatte das Verwaltungsgericht Köln geurteilt, dass die Verträge offengelegt werden müssen. Hiergegen legte das Haus der Geschichte Berufung ein.
LG Kiel zu Auto-Attacke durch AfD-Mitglied: Das Landgericht Kiel hat Melvin S. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung und Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt. Das damalige AfD-Mitglied soll am 17. Oktober 2020 mit einem Pick-Up-Fahrzeug am Rand einer AfD-Veranstaltung in Henstedt-Ulzburg Mitglieder einer Gegendemonstration verletzt haben. Das Gericht hat weder ein rechtes Tatmotiv noch eine Tötungsabsicht feststellen können. taz-nord (Esther Geisslinger) und spiegel.de (Julia Jüttner) berichten.
CAS - 1.FC Köln: Der Sportgerichtshof CAS hat die Transfersperre der FIFA gegen den Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln bestätigt. Der Verein darf in der jetzigen Wintertransferperiode und im kommenden Sommer keine neuen Spieler verpflichten, weil er 2021 das 16-jährige slowenische Talent Jaka Cuber Potocnik zum Vertragsbruch bei seinem damaligen Verein Olimpija Ljubljana verleitet habe. Der 1. FC Köln hatte argumentiert, dass der Spieler von sich aus den Vertrag mit Ljubljana gekündigt habe. Der slowenische Verein wollte eigentlich 2,5 Millionen Euro Entschädigung haben, erhält nun aber nur 51.750 Euro. Der KStA (Christian Löer/Lars Werner) berichtet.
Recht in der Welt
Polen – Rechtsstaatlichkeit: Das polnische Parlament Sejm hat eine rechtlich nicht bindende Resolution erlassen, in der die derzeitigen, überwiegend von der früheren Parlamentsmehrheit gewählten Mitglieder des Landesjustizrates dazu aufgefordert werden, ihre Tätigkeit zu beenden. Auch wird in dem Beschluss die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes über den Landesjustizrat festgestellt. Justizminister Adam Bodnar betonte laut FAZ (Reinhard Veser), dass die Resolution ein erster, symbolischer Schritt zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit sei.
USA – Freispruch nach 48 Jahren Haft: Glynn Simmons ist diese Woche freigesprochen worden, nachdem er wegen einer angeblichen Beteiligung an einem Raubüberfall auf ein Spirituosengeschäft 48 Jahre in Haft verbrachte. Ein Anwalt erklärte, Simmons sei einfach "nur ein schwarzer Junge, der zur falschen Zeit am falschen Ort" gewesen sei. Die FAZ (Majid Sattar) berichtet.
Sonstiges
Abschiebung aus dem Kirchenasyl: FAZ (Julian Staib) und taz-nord (Eiken Bruhn) schreiben über die versuchte Abschiebung zweier Afghanen aus einem Kirchenasyl in Schwerin. Die Familie der beiden jungen Männer hatte im Rahmen des Aufnahmeprogramms der Bundesregierung für Afghanistan eine Aufnahme in Deutschland zugesichert bekommen. Die Mutter sei eine bekannte Frauenrechtlerin und Journalistin. Wegen massiver Verzögerungen bei der Visumserteilung für die Aufnahme in Deutschland sei die Familie nach Iran geflohen und mit einem spanischen Touristenvisum nach Europa gelangt. Entgegen der politischen Absprache zwischen Kirchen und Behörden hatte die Polizei nun versucht, die beiden Männer gewaltsam aus den Schutzräumen der Kirche herauszuholen, um sie nach Spanien zu überstellen.
Das Letzte zum Schluss
Fortuna für alle? Bei der vielbeachteten Aktion "Fortuna für alle" ist der Eintritt bei drei ausgewählten Heimspielen des Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf umsonst. Für das dritte und letzte Spiel der Aktion gegen Eintracht Braunschweig forderte laut bild.de (Jörg Zschoche) nun ein Düsseldorf-Anhänger die Vereinsführung auf, das geplante Rückspiel gegen Braunschweig unter dem Motto "Fortuna für alle, aber nicht für euch" kostenpflichtig für die Gästefans durchzuführen. Hintergrund: Eine gestohlene Fortuna-Flagge. Die Antwort: Rechtlich seien der Vereinsführung die Hände gebunden, entweder dürften alle kostenlos rein oder keiner.
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Am Mittwoch erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/jpw/chr
(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 22. Dezember 2023: . In: Legal Tribune Online, 22.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53480 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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