Das OLG Düsseldorf wies eine Beschwerde des Nord Stream 2-Betreibers zurück. Das Justizministerium fordert strengere Regulierungen von Online-Spieleplattformen und das "Nirvana-Baby" Spencer Elden verklagte Nirvana-Bandmitglieder.
Thema des Tages
OLG Düsseldorf zu Nord Stream 2: Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies eine Beschwerde der Projektgesellschaft Nord Stream 2 gegen die Bundesnetzagentur zurück, die für die Regulierung der Gasleitung im Bereich des deutschen Hoheitsgebiets zuständig ist. Der Betreiber der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 wollte von den Regelungen der 2019 geänderten EU-Gasrichtlinie freigestellt werden. Dabei berief er sich darauf, dass die Pipeline wirtschaftlich bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Gas-Richtlinie am 23. Mai 2019 fertiggestellt worden sei, weil die Investitionsentscheidungen unumkehrbar gewesen seien. Das Gericht verneinte jedoch eine Fertigstellung und argumentierte, dass die Pipeline zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht "physisch vollständig errichtet war". Wichtigste Folge einer Anwendung der geänderten EU-Gasrichtlinie ist die Pflicht zur Entflechtung von Erdgas-Förderung und Transport. Die Nord Stream 2 AG prüft, ob sie Revision beim BGH einlegt. Parallel läuft außerdem ein Schiedsgerichtsverfahren von Nord Stream 2 gegen die EU. Es berichten die FAZ (Helmut Bünder/Hendrik Kafsack), SZ (Benedikt Müller-Arnold), Hbl (Moritz Koch/Klaus Stratmann), focus.de und Rechtsanwalt Jörg Himmelreich im FAZ-Einspruch.
Helmut Bünder (FAZ) kommentiert, dass das Urteil des OLG zwar ein "kleiner Triumph" für die Gegner der Nord Stream 2-Pipeline sei, der aber dadurch getrübt werde, dass die Pipeline aller Voraussicht nach dennoch in Betrieb genommen werde. Er geht davon aus, dass es keine einschneidenden Folgen haben wird, wenn sich Gazprom an die Regulierungsauflagen halten muss.
Rechtspolitik
Digitale Dienste/Online-Spiele: Das Bundesjustizministerium will sich in den Verhandlungen zum EU-"Digital Services Act" (DSA) für strengere und umfassendere Regulierungen von Online-Spieleplattformen stark machen. Anlass dafür gab nicht nur die bevorstehende Spielemesse "Gamescon" in Köln, sondern vor allem der starke Umsatzzuwachs, den Online-Spieleplattformen im Rahmen der Coronapandemie verzeichneten. Der Besuch solcher Video- oder Spieleplattformen könne Raum für strafbare Handlungen wie "Hate Speech" und "Cybergrooming" schaffen, die auch Kinder besonders stark betreffen. Es berichten zeit.de (Alexander Eydlin), Hbl (Christian Kastrop) und deutschlandfunk.de (Antje Allroggen).
Corona – Infektionsschutzgesetz: Im Entwurf für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes, der dem Bundestag bis kommende Woche vorgelegt werden soll, soll die Hospitalisierungsrate statt der bisherigen Inzidenzwerte maßgebend für einschränkende Maßnahmen sein. focus.de beschreibt, woher die Daten für die Krankenhausbelegung stammen. Der Bundestag hat bereits jetzt festgestellt, dass die "epidemische Lage von nationaler Tragweite", die Voraussetzung für viele Rechtsgrundlagen ist, fortdauert, berichtet u.a. die Welt.
Transsexuelle: Die taz (Alessandra Röder) stellt die 17-jährige Emma oKhler vor, die trans ist und Mitte Mai eine Petition gegen das Transsexuellengesetz gestartet hatte. Die Petition fordert unter anderem, dass Minderjährige selbst über ihre Geschlechtsidentität entscheiden dürfen.
GWB/Digitalkonzerne: In einem Interview mit dem Hbl (Christoph Herwartz u.a.) erklärt Kartellamtschef Andreas Mundt die Vorteile der in diesem Jahr in Kraft getretenen Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Sie vereinfache es, gegen Wettbewerbsbeschränkungen von Digitalkonzernen vorzugehen. Das deutsche Kartellrecht sei im internationalen Vergleich fortschrittlich.
Mobilfunk: Eine ab Dezember geltende Gesetzesänderung könnte verhindern, dass der Mobilfunkanbieter 1&1 ein eigenes Netz aufbauen kann. Für den Aufbau brauche es nämlich Frequenzen, deren Vergabe ab Dezember nicht mehr per Auktion, sondern unter anderem durch Festlegung der Bundesnetzagentur erfolgen wird. Davor warnte nun laut Hbl (Julian Olk) die Monopolkommission.
Justiz
LG Frankenthal zu notarieller Beratungspflicht: Das LG Frankenthal entschied, dass für die Beratungspflichten von Notar:innen die zum Zeitpunkt der Beratung* geltende Rechtslage maßgeblich sei. Zugrunde lag die Klage eines Mannes, der vor ungefähr 30 Jahren bei einem Notar einen zum damaligen Zeitpunkt rechtmäßigen Ehevertrag schloss, der sich nach einer Änderung der Rechtsprechung aber als sittenwidrig herausstellte. Daraufhin zahlte der Mann bei der Scheidung 300.000 Euro Abfindung an seine Ex-Frau. Er klagte nun gegen den Notar mit der Begründung, dass er den Ehevertrag nicht geschlossen hätte, wenn er von der Sittenwidrigkeit gewusst hätte. Das Gericht verneinte eine Haftung des Notars, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht von einer Sittenwidrigkeit ausgehen konnte und damit keine Beratungspflicht verletzte, so LTO.
LG Braunschweig – Ex-VW-Chef Winterkorn: Weil sich der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn kurz vor dem geplanten Beginn der Gerichtsverhandlung am 16. September 2021 an der Hüfte operieren lassen muss, könnte sich der gegen ihn gerichtete Strafprozess bis 2024 verschieben. Der Prozess gegen die vier Mitangeklagten würde abgetrennt, wie die SZ (Klaus Ott) berichtet, und der Prozess gegen Winterkorn könnte erst nach dem Ende des abgetrennten Prozesses beginnen.
LG Hanau – Mord im Asylheim: Wie spiegel.de berichtet, habe ein 34-Jähriger Somalier vor dem Landgericht Hanau gestanden, seinen 25-jährigen afghanischen Mitbewohner einer Asylbewerberunterkunft mit einem Messer ermordet zu haben. Anlass war ein Streit um die Küchenhygiene. Der Somalier war schon 2017 in einem ähnlichen Fall wegen Totschlags verurteilt worden, konnte aber nicht abgeschoben werden, da er über keinen Pass mehr verfügt.
VG Berlin zu Afghanistan-Ortskraft: Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Eilverfahren entschieden, dass eine in Afghanistan für Deutschland tätige Ortskraft und deren Kernfamilie einen Anspruch auf Visa zur Aufnahme in Deutschland hat. Es begründete die Entscheidung damit, dass das Ermessen des Auswärtigen Amtes bei der Entscheidung hier aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung auf Null reduziert sei, meldet LTO.
ArbG Neumünster zu Quarantäne und Urlaub: Wenn sich ein Arbeitnehmer wegen eines Corona-Kontaktes in Quarantäne begeben muss, darf diese Zeit auf seinen Urlaub angerechnet werden, auch wenn der Arbeitnehmer nicht selbst erkrankt ist, entschied das Arbeitsgericht Neumünster. Das Gericht verneinte damit eine analoge Anwendung von § 9 Bundesurlaubsgesetz auf den Fall einer Quarantäneaordnung. Es berichtet LTO.
AG Berlin-Tiergarten zu Raser: Das Berliner Amtsgericht Tiergarten hat einen 25-jährigen Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Er hatte bei einer Geschwindigkeit von 82 Stundenkilometer in Berlin-Mitte einen Fußgänger erfasst, der in Folge des Aufpralls verstarb, so die FAZ.
AG Mannheim zu Kündigung durch Politiker: Das Mannheimer Amtsgericht hat der Klage eines Mieters gegen den Vermieter Nikolas Löbel stattgegeben. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete hatte dem Mieter fristlos gekündigt und die Schlösser der Wohnung austauschen lassen, da dieser sich ihm gegenüber herabwürdigend geäußert haben soll. Das Gericht sah die angeblichen Beleidigungen als nicht bewiesen an und gewährte dem Mieter einen Anspruch auf Wiedereinzug und Schadensersatz, so swr.de.
StA Rostock – Lorenz Caffier: Die Rostocker Staatsanwaltschaft leitete gegen den ehemaligen Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), Ermittlungen ein. Er hatte im Jahr 2018 von Frank T., der in Verbindung zur rechtsextremen Preppergruppe Nordkreuz stand, vorgeblich eine Waffe erworben. Nach bisherigen Erkenntnissen scheint fraglich, ob es sich dabei um einen Kauf handelte, weshalb gegen Caffier der Anfangsverdacht der Vorteilsannahme erhoben wurde, wie zeit.de und FAZ (Matthias Wyssuwa) berichten. Die taz (Sebastian Erb) gibt zudem einen Überblick über die Hintergründe und Verstrickungen des Falls.
Recht in der Welt
Brasilien – Indigene Völker: In Brasilien sind die Gebietsansprüche indigener Völker stark umstritten, berichtet die SZ (Christoph Gurk). Vor dem Obersten Gerichtshof hat in dieser Woche die Verhandlung eines Falles begonnen, in dem das indigene Volk der Xokleng Gebietsansprüche geltend macht und sich dabei auf die seit 1988 geltende Verfassung beruft, die den Indigenen das Gebiet des Landes sichert, in dem sie traditionellerweise gelebt haben. Umstritten ist jedoch, ob sie auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung noch dort gelebt haben müssen. Die Xokleng waren zu diesem Zeitpunkt bereits vertrieben worden. Sollte der Oberste Gerichtshof der Klage stattgeben, könnte dies mit einem Gesetzentwurf, genannt "Gesetz 490", ausgehebelt werden, der dem brasilianischen Senat bereits vorliegt. In einem separaten Kommentar prognostiziert Christoph Gurk (SZ) die verheerenden Folgen, die dieser Entwurf für Indigene, aber auch die ganze Umwelt haben könnte.
USA – Nirvana verklagt: Spencer Elden, der als Baby mit einem Foto auf dem Cover der CD "Nevermind" von Nirvana abgebildet wurde, verklagte nun die ehemaligen Bandmitglieder, die Nachlassverwalter von Kurt Cobain und den Fotografen wegen Kinderpornografie. Das Album erschien im Jahr 1991 und zeigt auf dem Cover ein nacktes Baby mit einer Dollarnote. Der Kläger, der zum Zeitpunkt der Aufnahme vier Monate alt war, monierte zudem, dass seine Eltern der Veröffentlichung nie zugestimmt hätten. Es berichten FAZ (Kevin Hanschke) und Tsp. Andrea Diener (FAZ) kommentiert: "Spencer Elden ist dreißig Jahre alt, und man wünscht ihm von Herzen, er könnte endlich aufhören, das Nirvana-Baby zu sein. Der jüngste Gerichtsprozess ist dabei wohl kaum hilfreich."
Sonstiges
Dreier zu Grundrechten: In der FAZ setzt sich Rechtsprofessor Horst Dreier in seinem Artikel "Grundrechte als Gefahr?" mit den Risiken einer freiheitlichen Verfassung auseinander und diskutiert das "Gefahrenpotenzial der Grundrechte". Hierbei rückt er Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wie die Lüth-Entscheidung aus dem Jahre 1958 in den Fokus und erklärt die Merkmale einer wehrhaften Demokratie.
Bundeswehr/Evakuierung aus Afghanistan: Auf LTO erläutert der wissenschaftliche Mitarbeiter Simon Gauseweg die Bedeutung des Parlamentsvorbehalts beim bewaffneten Streitkräfteeinsatz im Ausland im Hinblick auf die Zustimmung des Bundestages zur aktuellen Evakuierungsmission aus Afghanistan. Dabei hebt er die Bedeutung der demokratischen Legitimierung von militärischer Gewalt hervor und kritisiert die mangelnde inhaltliche Auseinandersetzung des Bundestags mit seiner bisherigen Mandatspraxis.
Datenschutz und Werbetracking: Die taz (Christian Rath) berichtet vertieft über die Datenschutzbeschwerden der österreichischen Datenschutzorganisation Noyb gegen fünf große Onlineportale wie spiegel.de. Noyb wirft den Onlinemedien vor, Datentracking zu betreiben, bei dem die Zustimmung der Nutzer nicht freiwillig erfolge. Die Erfolgsaussichten der Beschwerden werden als eher gering eingeschätzt, weil die Alternative zur Zustimmung – der Abschluss eines Pur-Abos für 4.99 Euro/Monat wohl kein schwerer Nachteil sei.
Rechtspflegestatistik 2020: Die neue Rechtspflegestatistik für das Jahr 2020 verzeichnet keinen Rückgang des Arbeitspensums der Gerichte während der Corona-Pandemie. So haben sowohl Amtsgerichte, Landgerichte als auch Oberlandesgerichte im Schnitt fast so viele Verfahren erledigt wie im Jahr 2019. Es informiert LTO.
Rechtsanwalt und Krimiautor: LTO-Karriere (Franziska Kring) interviewt den Rechtsanwalt Ingo Bott, der auch Kriminalromane schreibt. Seine Hauptfigur ist der Strafverteidiger Dr. Anton Pirlo.
*Formulierung korrigiert, 26.08.21, 10:55 Uhr
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lto/mr
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Die juristische Presseschau vom 26. August 2021: . In: Legal Tribune Online, 26.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45831 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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