Inzidenzwert soll durch Hospitalisierungsgrad als Pandemie-Indikator ersetzt werden. Gleichstellungsministerinnen planen Femizid-Definition. Die Verteidigung eines angeklagten Kardinals wirft dem Papst Eingriffe in das Strafverfahren vor.
Thema des Tages
Corona – Infektionsschutzgesetz: Anstatt sich weiterhin an dem Inzidenzwert pro 100.000 Einwohner:innen zu orientieren, sollen bald bundesweit die im Krankenhaus behandelten Covid-19-Patient:innen Maßstab für die Pandemiebekämpfung werden. Das Corona-Kabinett der Bundesregierung hat diesem Vorschlag des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zur Anpassung des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt. Der Grad der Hospitalisierung lag am Montag bei 1,28 Fällen pro 100.000 Einwohner:innen. Anfang August hatte der Wert noch bei 0,5 gelegen. Welche Grenzwerte künftig gelten sollen, ist noch unklar. Es berichten u.a. SZ (Henrike Roßbach/Rainer Stadler) und FAZ. Das Hbl (Heike Anger u.a.) schildert einige Reaktionen aus Politik und (Rechts-)Wissenschaft. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf der Union vor, die Reform bisher blockiert zu haben: "Vorstöße in diese Richtung hat die Unionsfraktion bis Ende letzter Woche leider immer wieder abgelehnt." Das Gesundheitsministerium soll nun eine Formulierungshilfe erarbeiten. Ob die Änderung des Infektionsschutzgesetzes bereits bei der Sondersitzung des Bundestags am Mittwoch auf der Agenda stehen könnte, ist offen.
Berit Uhlmann (SZ) hält es für eine bessere Idee, mehrere Kenngrößen miteinander zu einem Risiko-Index zu kombinieren. Dies sei nicht nur aus medizinischer Sicht geboten, sondern könne auch "maximal viele Informationen berücksichtigen und dabei minimal wenig Verwirrung stiften".
Rechtspolitik
Femizide: Auf der Konferenz der Gleichstellungsminister:innen ist beschlossen worden, Femizide künftig definieren, analysieren und verhindern zu wollen. Im Gespräch mit der taz (Patricia Hecht) erklärt die brandenburgische Gleichstellungsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wird, die auch Beispiele aus anderen Ländern untersuchen soll. So könne die geplante Definition helfen, die im Strafgesetzbuch genannten Strafzumessungsgründe um geschlechtsspezifische Motive zu ergänzen.
Testpflicht für Geimpfte: Der Vorsitzende des Stadtrechtsausschusses der Stadt Mainz, Rolf Merk, fordert auf LTO eine Testpflicht auch für Geimpfte. Die Zahl der Impfdurchbrüche sei wegen der Deltavariante rapide gestiegen und zahlreichen Studien zufolge wiesen infizierte Geimpfte eine annähernd so hohe Viruslast auf wie infizierte Ungeimpfte. Aus der Perspektive des Infektionsschutzrechts als speziellem Gefahrenabwehrrecht entfalle so die Rechtfertigung einer Bevorzugung von Geimpften gegenüber Ungeimpften.
Cannabisbesitz: Die SZ meldet, dass die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), nun dafür plädiert, den Besitz von Cannabis bis zu einer Eigenbedarfsgrenze von sechs Gramm künftig bundesweit als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen – und nicht mehr als Straftat.
EU-Patentgericht: Im Hbl fordert Rechtsanwalt Christian Harmsen, Deutschland solle als "führende Patentnation mit den meisten Patentprozessen und den angesehensten Richtern in Europa" bei der Schaffung eines europäischen Patentgerichts eine Führungsrolle übernehmen. Anlass ist die nunmehr erfolgte deutsche Ratifizierung des EU-Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht. Das Justizministerium solle zudem auf eine breitere Akzeptanz des Gerichts hinwirken und zugleich versuchen, die Zuständigkeit der Zentralkammer in München zu verankern.
Justiz
BVerfG – Gorch Fock-Restauration: Verstößt der Import von Teakholz aus Myanmar zur Restauration des Schiffes Gorch Fock gegen die Europäische Holzhandelsverordnung, weil es illegal geschlagen wurde? Der Deutsche Naturschutzring (DNR) und der WWF wollen gerichtlich erwirken, dass genau das überprüft wird. Nachdem die Eilanträge zuletzt vor dem Oberverwaltungsgericht Münster scheiterten, haben die Kläger nunmehr Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht gestellt. taz-nord (Harff-Peter Schönherr) gibt einen Überblick über die geplante Restauration des Segelschulschiffs der Deutschen Marine und den Streit um den Teakholz-Import.
OLG Frankfurt/M. zu Slackline in Fitnessstudio: Eine Slackline, die sich farblich gut von der Umgebung abhebt, löst keinen Schadensersatzanspruch aus, wenn eine Kundin darüber stolpert und sich verletzt. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und wies damit der 74 Jahre alten Klägerin die entsprechende Sorgfaltspflicht zu. LTO berichtet.
LG München II – Dreifachmord: Vor dem Landgericht München II hat der Prozess um einen Dreifachmord sowie zwei bewaffnete Raubüberfälle auf Supermärkte begonnen. Der 21-jährige Maximilian B. habe einen Freund und dessen Eltern in deren Haus in Starnberg erschossen. Der mitangeklagte 20 Jahre alte Samuel V. ist ebenfalls wegen Mordes angeklagt, weil er B. zum Tatort gefahren und anschließend wieder mitgenommen habe. SZ (Andreas Salch) und faz.net schildern den ersten von 54 angesetzten Verhandlungstagen, an dem B. lediglich etwas zu seinen persönlichen Verhältnissen aussagte. Er spricht von heftigem Alkohol- und Drogenkonsum, von Problemen mit seiner Mutter und von Mobbing in der Schule. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, es auf die Waffenansammlung seines Freundes abgesehen zu haben, die er habe verkaufen wollen.
ArbG Berlin zu Verdi-Streik: Das Arbeitsgericht Berlin hat der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi per einstweiliger Verfügung durch Zwischenbeschluss untersagt, den am Montagmorgen begonnenen Streik bei der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH vorerst fortzuführen. In Krankenhausbetrieben könne nur gestreikt werden, wenn die medizinische Versorgung der Patienten in Notfällen gesichert sei. Dies sei bislang nicht gewährleistet. Über den von Verdi eingelegten Widerspruch soll am heutigen Dienstag befunden werden. Es berichten FAZ (Marcus Jung) und taz-berlin (Timm Kühn).
AG Frankfurt/M. zu Flirt-Coach: Ein Anbieter von Flirtseminaren in Frankfurt am Main ist vom dortigen Amtsgericht zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen à 5 Euro (insgesamt 450 €) verurteilt worden wegen Betruges mit Corona-Soforthilfen. Wie LTO berichtet, habe er die Hilfen beantragt und dabei verschwiegen, dass er mit Online-Seminaren weiterhin Einnahmen erzielte.
Recht in der Welt
Vatikanstaat – Prozess gegen Kardinal: Die FAZ (Thomas Jansen) schreibt über ein im Vatikanstaat vor dem weltlichen Gericht erster Instanz anhängiges Strafverfahren gegen Angelo Kardinal Becciu, der wegen Amtsmissbrauch, Veruntreuung und Anleitung zur Falschaussage angeklagt ist. Es geht dabei um den mutmaßlich strafbaren Umgang mit Spendengeldern der "Peterspfennig-Kollekte" und die unter dubiosen Umständen erfolgte Investition von 350 Millionen Euro in eine Londoner Immobilie. Die Verteidigung moniert nun, im Vatikanstaat sei kein rechtsstaatlicher Prozess möglich, weil Papst Franziskus als Staatsoberhaupt, oberster Richter und oberster Gesetzgeber in einer Person bereits viermal in die Ermittlungen eingegriffen und das vatikanische Recht eigens für den Prozess geändert habe. Das vatikanische Strafrecht beruht auf dem seit 1931 abgeschafften italienischen Strafrecht von 1889 und dem längst überholten italienischen Strafprozessrecht aus dem Jahr 1913.
Australien – Antiterrorgesetzgebung: Die taz (Urs Wälterlin) gibt einen Überblick über die mittlerweile rund 90 Antiterrorgesetze, die in Australien seit den Anschlägen vom 11. September 2001 eingeführt wurden.
Sonstiges
Airbnb: Die Sondereinheit für Steueraufsicht (SES) hat die Daten von Vermieterinnen und Vermietern der Vermittlungsplattform Airbnb ausgewertet und Kontrollmitteilungen an die Finanzämter vor Ort verschickt. So soll laut LTO überprüft werden können, ob die Einnahmen ordnungsgemäß versteuert worden seien.
Geldwäsche: Wie LTO berichtet, ist die Zahl der geldwäscherelevanten Meldungen von Notar:innen an die Zentrale Einheit des Zolls zur Geldwäschebekämpfung (ZIU) im letzten Jahr von einer zweistelligen Zahl auf 1.600 gestiegen. Ursache ist eine im Vorjahr erfolgte Gesetzesänderung zur Ausweitung der Meldepflichten der Notarinnen und Notare, die sich nach Ansicht der Bundesnotarkammer bewährt hat.
Das Letzte zum Schluss
Wildschwein-Optik: Statt des gemeldeten Wildschweins fanden die Polizeibeamten am Sonntag bei einem Einsatz in Eckernförde vielmehr ein "sehr zahmes, neugieriges und verspieltes Hausschwein in 'Wildschwein-Optik'" vor, heißt es in der Mitteilung der Polizei. Das Tier folgte den Beamten ohne Widerstand und konnte noch am selben Tag seiner Besitzerin übergeben werden, meldet die Welt.
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lto/jpw
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Die juristische Presseschau vom 24. August 2021: . In: Legal Tribune Online, 24.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45807 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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