Der BGH hat die Revision von Beate Zschäpe gegen ihre Verurteilung als NSU-Mittäterin abgelehnt, Rechtsprofessor Dietrich Murswiek kritisiert das Bundesverfassungsgericht. Am Landgericht Trier startete die Verhandlung gegen einen Amokfahrer.
Thema des Tages
BGH zu NSU: Der Bundesgerichtshof hat die Revision von Beate Zschäpe gegen ihre Verurteilung als Mittäterin der NSU-Morde als offensichtlich unbegründet verworfen. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung sei es nicht erforderlich, dass eine Täterin am Tatort anwesend sei. Zschäpe habe aber gewichtige Tatbeiträge geleistet und ein hohes eigenes Tatinteresse gehabt. Ohne Begründung lehnte der BGH die Revisionen der als NSU-Gehilfen verurteilten Ralf Wohlleben und Holger Gerlach ab. Im Fall des NSU-Unterstützers André Eminger wird der BGH am 2. Dezember mündlich verhandeln, am 15. Dezember soll voraussichtlich das Urteil verkündet werden. Es berichten FAZ (Helene Bubrowski), taz (Christian Rath), LTO (Hasso Suliak), spiegel.de (Julia Jüttner/Wiebke Ramm) und tagesschau.de (Klaus Hempel). Die SZ (Annette Ramelsberger) behauptet in ihrem Bericht, der BGH sei von seiner bisherigen Rechtsprechung abgerückt.
spiegel.de stellt Reaktionen zum Urteil zusammen. Die SZ (Annette Ramelsberger) gibt einen Überblick über die aktuelle Lebenssituation der Verurteilten. Die taz (Konrad Litschko) verbindet beides. spiegel.de (Julia Jüttner/Wiebke Ramm) gibt zudem einen Ausblick auf den Revisionsprozess im Fall André Eminger, bei dem es vor allem um die Frage geht, ab wann der gute Freund des NSU-Trios von welchen Taten wusste.
Annette Ramelsberger (SZ) lobt in ihrem separaten Kommentar den Mut der Richter, Zschäpe als Mittäterin zu verurteilen, obwohl sie an keinem der Tatorte war. Der BGH habe sich damit vom "juristischem Purismus" abgewandt. "Hätte es diesen Beschluss zum NSU-Verfahren bereits im Januar gegeben, wäre womöglich auch der Prozess wegen des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke anders ausgegangen", behauptet die Autorin. Konrad Litschko (taz) fordert in seinem Kommentar weitere Aufklärung und die Erhebung der Anklage gegen neun weitere mutmaßliche NSU-Helfer.
Rechtspolitik
Geldwäsche: Die SZ (Markus Zydra) hat die Bundestagswahlprogramme zum Thema Geldwäsche verglichen. Danach nähmen nur Grüne und Linke das Problem ernst genug. In den Programmen von FDP und AfD habe sich gar nichts gefunden.
In einem separten Interview mit der SZ (Markus Zydra) kritisiert Gerhard Schick von der NGO Finanzwende die Untätigkeit der Bundesregierung: "Sie hat europäische und internationale Vorgaben umgesetzt, aber keine deutsche Strategie zur Geldwäschebekämpfung entwickelt." In Deutschland werde das Instrument der Vermögensabschöpfung nur selten angewandt, deshalb sei das Land für Geldwäsche attraktiv.
Informationsfreiheit: Die NGO Transparency International fordert einen neuen Ansatz bei der Informationsfreiheit. Aus der "Holschuld" der Bürger müsse eine "Bringschuld" des Staates werten. Die SZ (Klaus Ott) berichtet und stellt viele Beispiele vor, bei denen Informationsfreiheits-Anträge keinen Erfolg hatten, z.B. weil es um Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen ging.
Justiz
BVerfG zu Klimaschutz: Der emeritierte Rechtsprofessor Dietrich Murswiek kritisiert in einem ganzseitigen Artikel für die Welt den Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Mai: "Die Verfassung verpflichtet nicht zu Restriktionen, die dem Klima nichts nützen und die Wirtschaft ruinieren." Es gebe keine verfassungsrechtliche Pflicht, ein nationales CO2-Budget einzuhalten, solange es kein rechtlich definiertes globales CO2-Budget gebe. Die Bundesregierung habe nur die Pflicht, sich für effizientere globale Klimaschutz-Abkommen einzusetzen. Es sei zudem verfassungsrechtlich geboten, dass Deutschland seine Pflicht zum Klimaschutz möglichst effizient erfülle – indem es billige Klimaschutzmaßnahmen im Ausland statt teure Maßnahmen im Inland finanziere. Das BVerfG habe auch die Demokratie gefährdet, in dem es der Politik eine Art von Klimaschutz vorschreibt, die nur Wähler:innen der Grünen gut finden.
LG Trier – Amokfahrt: Vor dem Landgericht Trier hat der Prozess gegen den 51-jährigen Bernd W. begonnen, der im Dezember 2020 mit einen Geländewagen in der Trierer Innenstadt versuchte, möglichst viele Menschen zu töten. Er ist angeklagt wegen fünffachen Mordes und 18-fachen Mordversuchs. Laut einem Gutachten leidet der Täter an einer Psychose. Er möchte im Prozess keine Aussagen machen. Das Gericht hat 26 Verhandlungstage angesetzt. Es berichten FAZ (Kim Björn Becker), SZ (Gianna Niewel) und spiegel.de.
BVerfG zu Steuerzinsen: Die FAZ (Mark Fehr) schildert die Folgen des Steuerzinsen-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts von dieser Woche für Unternehmen und Bürger. Für die Jahre bis 2018 blieben vermutlich alle Nachzahlungs- und Erstattungszins-Bescheide bestehen. Mit einer Neuregelung sei wohl erst im nächsten Jahr zu rechnen. Vermutlich werde sich der Gesetzgeber für eine Absenkung des Steuersatzes von sechs auf drei Prozent pro Jahr entscheiden.
BVerfG zum Bundestagswahlrecht: Rechtsprofessor Mattias Rossi analysiert auf dem Verfassungsblog den Eilbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von voriger Woche, mit dem die einstweilige Rückkehr zum alten Wahlrecht abgelehnt wurde. Das BVerfG, das sich auf den Respekt vor dem Gesetzgeber berufe, solle im Hauptsacheverfahren berücksichtigen, dass es gar keine offene Debatte gab und nur ein Beschluss des Koalitionsausschusses umgesetzt wurde, so der Autor. Außerdem solle das BVerfG, das das gesamte Wahlrecht prüfen will, dieses nicht noch komplizierter machen, sondern lieber seine eigene Rechtsprechung überdenken. Zudem schlägt der Autor eine Grundgesetzänderung vor, wonach Wahlrechtsänderungen immer erst für die übernächste Wahl gelten sollen.
BGH zu Anwaltskosten im Güteverfahren: Wer sich in einem obligatorischen Güteverfahren anwaltlich vertreten lässt, kann die Anwaltskosten in einem späteren Klageverfahren nicht abrechnen. Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof und wandte sich gegen die bisher herrschende Meinung, so LTO. Das Güteverfahren sei einfach strukturiert und diene der Streitbeilegung; es diene nicht der Vorbereitung eines Rechtsstreits, argumentierte der BGH.
LAG Berlin-BB zu GDL-Tarifvertrag: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mangels Eilbedürftigkeit eine einstweilige Anordnung zugunsten der Gewerkschaft GDL abgelehnt. Die GDL wollte durchsetzen, dass der Arbeitgeberverband MOVE auch den Tarifvertag der GDL anwendet, weil die entgegenstehende Vorschrift des Tarifeinheitsgesetzes verfassungswidrig sei. Das LAG verwies laut beck-aktuell auf die bereits im nächsten Monat geplante Hauptsacheverhandlung vor dem ArbG Berlin.
OLG Hamburg – Inkasso: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hat gegen das Inkasso-Unternehmen EOS beim Oberlandesgericht Hamburg eine Musterfeststellungsklage eingereicht. EOS soll Inkassogebühren künstlich nach oben getrieben haben. EOS behauptet laut FAZ (Christian Müßgens/Markus Jung), dass sich das Unternehmen an alle Gesetze halte.
KG Berlin zu Hohenzollern-Prinz: Das Kammergericht Berlin entschied in vier verschiedenen Verfahren jeweils zweitinstanzlich über äußerungsrechtliche Eilanträge von Georg Friedrich Prinz von Preußen, Familienoberhaupt der Hohenzollern. Zweimal hatte der Prinz im Ergebnis Erfolg, zweimal unterlag er. Unter anderem wollte er einem Journalisten die Behauptung verbieten, er sei klagefreudig. Diesen Antrag lehnte das Kammergericht ab. SZ (Jörg Häntzschel) und LTO geben einen Überblick.
LG Koblenz zu Nachbarschaftsrecht: Der Eigentümer eines Walnußbaums, dessen Zweige über die Grundstücksgrenze hängen, muss diese nur in kleinen Schritten und über Jahre hinweg zurückschneiden, um so das Überleben des Baumes zu sichern, entschied das Landgericht Koblenz bereits im Juni in einem Nachbarschaftsstreit. Zwar habe der Nachbar aus einem Vertrag einen Anspruch auf sofortigen Rückschnitt des Baumes. Das "Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis" führe jedoch zu eine Modifikation des Anspruchs. Denn der Nachbar habe keinen Anspruch auf eine Beseitigung des Baumes, so das Gericht. LTO berichtet.
LG Berlin – Kannibale von Pankow: bild.de (Anne Losensky) berichtet über den Prozess gegen den Lehrer Stefan R., der einen Monteur getötet hatte, um ihn zu verspeisen. Der Monteur traf sich mit dem Lehrer für ein Sex-Date, hatte aber nicht die Absicht, sich töten zu lassen. Der Angeklagte versuchte im Prozess eine bei ihm gefundene "Anleitung zur Entmannung und Schlachtung eines Menschen" aus der Beweismittelkiste zu entwenden, wurde dabei aber erwischt. Das Urteil wird am 21. Oktober erwartet.
LG München II – Ex-Audi-Chef Stadler: Die Münchener Staatsanwaltschaft hat in der Dieselaffäre die Ermittlungsverfahren gegen rund ein Dutzend aktive und ehemalige Audi-Mitarbeiter:innen unterer Hierarchieebenen gegen Geldbuße eingestellt. So können die ehemaligen Beschuldigten nun im Prozess gegen Ex-Audi-Chef Stadler als Zeug:innen aussagen. Das Hbl (René Bender, Volker Votsmeier) berichtet. Der Prozess komme bisher kaum voran, weil es vor allem um technische Details der sogenannten Schummel-Software geht, die die Abgasreinigung jenseits von Prüfständen ausschaltete.
BVerfG mit Instagram-Account: Aus Anlass seines 70. Geburtstags in diesem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht einen Instagram-Account eröffnet. Aus diesem Anlass sinniert die Rechtswissenschaftlerin Silvia Steininger auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) über "judicial storytelling". Weil das Gericht die Kommentar-Funktion des Instagram-Accounts abgeschalten habe, handele es sich hier um bloße Werbung für das Gericht.
Recht in der Welt
USA – R. Kelly: Vor einem Bundesgericht in Brooklyn hat der Strafprozess gegen den bekannten Sänger R. Kelly begonnen. Ihm wird die Gründung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, die darauf gerichtet war, ihm weibliche teilweise minderjährige Fans zuzuführen, mit denen er Sex hatte und die er teilweise vergewaltigte und beim Sex filmte, um sie mit den Aufnahmen zu erpressen. Kelly bezeichnete die Vorwürfe als ein Komplott enttäuschter Fans. Es berichten SZ (Jürgen Schmieder), FAZ (Christiane Keil) und spiegel.de.
Sonstiges
BND: Ex-BND-Präsident Gerhard Schindler hat in einem Interview mit focus.de (Alex Spilcker) für das Versagen des BND bei der Analyse der Entwicklung in Afghanistan die hohen rechtsstaatlichen Anforderungen in Deutschland verantwortlich gemacht. So dürfe der BND keine Informanten mehr in eine Terrororganisation schleusen, weil er sich sonst wegen Anstiftung oder Beihilfe strafbar mache. Außerdem habe das Bundesverfassungsgericht inzwischen auch die Taliban dem Schutz der deutschen Grundrechte unterstellt, weshalb diese nur bei einem konkreten Verdacht abgehört werden dürften.
Afghan:innen in Deutschland: Die FAZ (Helene Bubrowski u.a.) berichtet über die Ankunft der ersten afghanischen Ortskräfte in Deutschland. Diese müssen ebenso wie Repräsentant:innen der afghanischen Zivilgesellschft, die auf einer Liste stehen, kein Asylverfahren durchlaufen. Darauf hatten sich die Innenminister von Bund- und Ländern geeinigt. Sie bekommen zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre.
Das Letzte zum Schluss
Der SPD-Paß: Ein Deutscher, der mit seiner afghanischen Verlobten in Kabul den Flughafen erreichen wollte, bekam Probleme an einem Checkpoint der Taliban. Da behauptete der Mann er sei deutscher Diplomat und zeigte als Beleg sein rotes SPD-Parteibuch vor. Der Trick funktionierte, das Paar konnte weiterfahren, berichtet focus.de. Später konnten die beiden auch ausreisen.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
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Die juristische Presseschau vom 20. August 2021: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45780 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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