Ein Augsburger Richter hatte sich Kinderpornographie auch aus der Asservatenkammer besorgt. Ex-Wirecard-Chef Markus Braun bleibt wohl bis Prozessbeginn in U-Haft. Die Beschleunigung der italienischen Justiz fand eine Mehrheit im Parlament.
Thema des Tages
AG Augsburg zu Kinderpornographie bei Richter: Das Amtsgericht Augsburg hat gegen einen Ex-Richter des örtlichen Landgerichts einen Strafbefehl wegen Besitz von Kinderpornographie erlassen. Der Richter, der auch Pressesprecher war, hatte sich das Material teilweise aus der Asservatenkammer des Gerichts besorgt. Die Polizei wurde über Hinweise aus dem Ausland auf den Richter aufmerksam. Bei einer Hausdurchsuchung wurden rund 4.000 Dateien Kinderpornographie bei ihm gefunden. Eine Verfassungsbeschwerde des Richters gegen die Hausdurchsuchung scheiterte. Der Strafbefehl beläuft sich auf 150 Tagessätze à 30 Euro. Der Richter hat den Strafbefehl akzeptiert. Die Summe ist relativ niedrig, weil der Richter im Juni auf sein Amt und die Pension verzichtet hat. Es berichten bild.de (Jörg Völkering) und spiegel.de.
Rechtspolitik
Corona – Rechte von Geimpften: Rechtsprofessor Thorsten Kingreen kritisiert auf LTO die Diskussion um eine angeblich drohende "mittelbare Impfpflicht" durch Bevorzung Geimpfter im öffentlichen Leben. Korrekt sei dagegen die Prüfung, ob Eingriffe in die Grundrechte von Geimpften noch durch Erfordernisse der Gefahrenabwehr gerechtfertigt seien. Dabei gehe es nicht um Gleichheitsfragen. Kindgreen stellt auch die unterschiedliche Rechtslage in den Bundesländern zum Stadionbesuch von Geimpften dar.
Corona – Beschränkungen: Die Rechtsprofessorinnen Elisa Hoven und Frauke Rostalski stellen in der Welt drei angebliche "Fehlannahmen" der Corona-Politik dar. So seien steigende Inzidenzmaßnahmen entgegen der öffentlichen Diskussion kein Problem, weil Risikogruppen geimpft seien und die Krankheitsverläufe bei Jüngeren milde blieben. Einschränkungen seien zweitens nicht mehr gerechtfertigt, wenn alle die Möglichkeit hatten, sich durch Impfung selbst zu schützen. Die Notwendigkeit einer Herdenimmunität sei bisher noch nicht ausreichend begründet worden. Eine Schließung der Schulen oder eine Impfung von Kindern sei nicht notwendig, wenn sich die Risikogruppen impfen lassen konnten.
Personalausweise: Aufgrund einer EU-Richtlinie, die der Bundestag letztes Jahr umsetzte, müssen jetzt bei der Beantragung eines neuen Personalausweises Fingerabdrücke erfasst werden. Diese werden in einem Chip auf dem Ausweis gespeichert und sollen Fälschungen verhindern. Politiker von Grünen und FDP kritisierten, dass Unberechtigte die Finderabdrücke auslesen und missbrauchen könnten, berichtet spiegel.de.
Kinderehen: Die FDP-Politikerin Katja Suding kritisiert, dass die Bundesregierung die Evaluierung des Gesetzes gegen Kinderehen von 2016 trotz eines Jahrs Verspätung noch nicht vorgelegt hat. Nach Zahlen, die das Bundesjustizministerium erhoben hat, seien bis Anfang 2020 von den deutschen Behörden knapp 60 Anträge auf Eheschließung abgelehnt und elf Ehen aufgehoben worden, berichtet die taz (Patrizia Hecht).
Terrorismus: Die taz (Timo Dorsch) stellt das in den USA entwickelte Konzept des "stochastischen Terrorismus" vor. Danach sind auch diejenigen für Terroranschläge verantwortlich, die über Medien Botschaften aussenden, die die statistische Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen erhöhen. Die Bundesregierung erklärte auf eine Anfrage der FDP, dass sie nicht mit dem Konzept des stochastischen Terrorismus arbeite.
Umsetzung EU-Urheberrecht: Nun stellt auch LTO das Urheberrechts-Diensteanbietergesetz (UrhDaG) vor, das am 1. August in Kraft getreten ist. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) befürchtet, dass der Einsatz von Uploadfiltern zur Sperrung legaler Inhalte führt und prüft eine Klage.
Justiz
EuG zu Normung und Urheberrecht: Tim Düwel (FAZ-Einspruch) kritisiert ein Urteil des Gerichts der EU vom 14. Juli. In einem Transparenzverfahren hatte das EuG entschieden, dass technische Normen urheberrechtlich geschützt seien und es deshalb nicht zu beanstanden ist, wenn diese nur gegen Gebühr herausgegeben werden. Der Autor zweifelt, ob hier die Anforderungen des urheberrechtlichen Werkbegriffs erfüllt sind. Das EuG-Urteil entspreche allerdings der deutschen Rechtsprechung.
BVerfG – Rundfunkbeitrag: Das Bundesverfassungsgericht will laut FAZ an diesem Donnerstag seine Entscheidung zur gescheiterten Erhöhung des Rundfunkbeitrags veröffentlichen. ARD, ZDF und Deutschlandfunk hatten Verfassungsbeschwerde gegen die Blockade der Erhöhung durch das Land Sachsen-Anhalt eingereicht.
OLG München – Wirecard: Die SZ (Klaus Ott/Jörg Schmitt) geht davon aus, dass Ex-Wirecard-Chef Markus Braun bis Prozessbeginn in Untersuchungshaft bleiben muss. Das Oberlandesgericht München befürchte in seinen Haftbeschlüssen, dass Braun sich mit dem flüchtigen Jan Marsalek absprechen könnte oder sich in sein Heimatland Österreich absetze. Die Autoren geben auch einen Überblick über den Stand der Ermittlungen gegen Braun. Es gebe noch kein Dokument, das Braun als Spitze einer Bande ausweise, nur die Aussage eines Kronzeugen.
LG Koblenz zu Facharzt-Bezeichnungen: Ein Arzt darf nicht mit Facharzt-Bezeichnungen werben, die es nicht gibt, entschied laut LTO das Landgericht Koblenz. Ein Arzt hatte sich in einer Email als Facharzt für "Sexualmedizin" und für "Weltraummedizin" bezeichnet.
LG Neuruppin – KZ-Wachmann Sachsenhausen: Nun berichten auch SZ und LTO, dass das Landgericht Neuruppin die Anklage gegen einen 100-jährigen ehemaligen Wachmann des KZ Sachsenhausen zugelassen hat.
LG Berlin – Abou-Chaker/Bushido: Die Fortsetzung der Aussage von Bushidos Ehefrau Anna Ferchichi verzögert sich aufgrund von Schwangerschaftskomplikationen vermutlich bis in den November, berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm). Als nächster Zeuge wird ab dem 16. August Ashraf Rammo vernommen, mit dem Rapper Bushido nach seiner Trennung von Arafat Abou-Chaker geschäftlich zusammenarbeitete.
StA Koblenz – Hochwasser: Die Staatsanwaltschaft Koblenz prüft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung gegen die Verantwortlichen des Landkreises Ahrweiler, weil gar nicht oder zu spät gewarnt worden sein könnte. Unter anderem geht es um den Tod von zwölf Menschen in einer Betreuungseinrichtung in Sinzig. Es berichten die FAZ (Tobias Schrörs) und spiegel.de.
Reinhard Müller (FAZ) kommentiert: "An Notfallplänen dürfte es nicht gefehlt haben. Aber Pläne und noch so gute Strukturen allein können nicht handeln. Am Anfang und am Ende steht der Mensch."
Cum-Ex-Verfahren: Das HBl (Volker Votsmeier u.a.) gibt einen Überblick über die Strafverfahren im Zusammenhang mit steuerkriminellen Cum-Ex-Manipulationen. "Gerade einmal vier Hauptverhandlungen sind abgeschlossen oder laufen an den Landgerichten Bonn, Wiesbaden und Frankfurt – und das bei rund 100 Ermittlungsverfahren mit deutlich über 1000 Beschuldigten." Nachdem der BGH vorige Woche das erste Cum-Ex-Urteil des LG Bonn bestätigte, werde jedoch ab 2022 eine Welle von Anklagen auf die Landgerichte zurollen. Auch die Hamburger Bankeigentümer Christian Olearius und Max Warburg müssten mit einer Anklage rechnen.
Kartellrichter Jürgen Kühnen: Am Oberlandesgericht Düsseldorf hat Richter Jürgen Kühnen, der bisherige Vorsitzende Richter des ersten Zivilsenats, auf eigenen Wunsch den Vorsitz im dritten Zivilsenat übernommen. Er wechselt damit vom Kartellrecht zur freiwilligen Gerichtsbarkeit um Grundbücher und Nachlasse. "Mit ihm verliert das Kartellverfahrensrecht eine prägende und aus Sicht mancher Wirtschaftsanwälte schonungslos direkte Stimme", analysiert die FAZ (Marcus Jung).
Recht in der Welt
Italien – Justizreform: Die Pläne für eine Justizreform, mit der die überlangen straf- und zivilrechtlichen Verfahren durch verbindliche Befristungen signifikant verkürzt werden sollen, haben im italienischen Parlament eine erste Mehrheit erhalten. Präsident Mario Draghi hatte sie mit der Vertrauensfrage verbunden. Die FAZ (Matthias Rüb) nimmt dies nun auch zum Anlass, die Justizministerin Marta Cartabia vorzustellen, die inzwischen auch als mögliche nächste Staatspräsidentin im Gespräch ist.
Spanien – Super League: In Madrid entschied das Handelsgericht 14, dass der Fußballverband UEFA alle angekündigten Strafmaßnahmen gegen die Gründungsmitglieder der sogenannten "Super League" mit sofortiger Wirkung aufheben müsse. Die Nichtbefolgung des Urteils führe zu strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Ein entsprechendes "vorsorgliches Urteil" des Madrider Handelsgerichts aus dem April hatte die UEFA ignoriert. Es berichtet die FAZ (Michael Horeni).
Mexiko – Präsidentenverfolgung: Auf Initiative des aktuellen linken Präsidenten Andrés Manuel López Obrador stimmte die mexikanische Bevölkerung darüber ab, ob gegen die letzten fünf Präsidenten des Landes wegen Verbrechen, die sie in ihrer Amtszeit begangen haben, ermittelt werden soll. Nach ersten Ergebnissen stimmten rund 90 Prozent der Abstimmenden für die Initiative, es beteiligten sich aber nur acht (statt der erforderlichen 40 Prozent) der Wahlberichtigten, berichtet die FAZ (Tjerk Brühwiller).
USA – Klagen gegen die Allianz: In den USA klagen zahlreiche Pensionsfonds gegen den deutschen Allianz-Konzern. Die US-Börsenaufsicht und das US-Justizministerium ermitteln zudem. Die Allianz soll den Inhabern der von ihr gemanagten Fonds falsche Versprechungen gemacht haben. Es geht um mehrere Milliarden Dollar. Die FAZ (Henning Peitsmeier) schildert Einzelheiten.
USA – Klagen gegen Zoom: Der Videokonferenzanbieter Zoom hat eine Zahlung von 85 Millionen Dollar angeboten, um Rechtstreitigkeiten beizulegen. Sammelklagen hatten Zoom vorgeworfen, die Privatsphäre von Millionen Nutzerinnen und Nutzern durch das Teilen ihrer Daten mit Facebook, Google und LinkedIn zu verletzen. Außerdem sei Zoom für das sogenannte Zoombombing verantwortlich, bei dem Störenfriede sich unerlaubt in eine Videokonferenz einschalteten. Es berichtet zeit.de.
Sonstiges
EU-Vertragsverletzungsverfahren/EZB-Urteil: Ex-Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff skizziert im HBl in ihrer Kolumne ein mögliches Ende des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland. Der EuGH werde zwar feststellen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem EZB-Urteil den Vorrang des EU-Rechts verletzt habe. Er werde aber nur den Einzelfall beurteilen und nicht verlangen, dass das BVerfG seine Rechtsprechung zur Identitäts- und ultra vires-Kontrolle generell aufgebe.
Aufarbeitung der NS-Justiz: Die FAZ (Albert Schäffer) stellt eine Studie von Markus Materna vor, der den versäumten Neuanfang der bayerischen Justiz nach 1945 schildert. Auch wer an NS-Sondergerichten reihenweise Todesurteile für kleine Delikte verhängte, konnte in der bayerischen Justiz aufgrund alter Netzwerke und neuer Verdrängung Karriere machen. Das Personalproblem wurde meist erst durch Pensionierung gelöst.
Legal Design Thinking: Die Anwältin Viktoria Krätzig und die einschlägige Unternehmerin Lina Krawietz stellen auf LTO die Vorteile von Legal Design Thinking für Unternehmensjurist:innen vor. Im Mittelpunkt stehe eine qualitative Bedarfsanalyse, die zeige, wo die tatsächlichen Probleme liegen. Juristen und Juristinnen könnten dann "mit Hilfe verschiedener Brainstorming- und Gestaltungs-Methoden mögliche Lösungen erarbeiten". Im Praxistest werde gelernt, "was wirklich funktioniert".
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)
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Die juristische Presseschau vom 3. August 2021: . In: Legal Tribune Online, 03.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45632 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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