Die heutige Berichterstattung steht ganz im Zeichen der Verfassungsbeschwerden gegen die Euro-Finanzhilfen. Die meisten Pressevertreter erwarten nach der gestrigen Verhandlung in Karlsruhe eine Stärkung des Bundestags. Außerdem in der Presseschau: die dänischen Grenzkontrollen, ein niederländisches Urteil zum Massaker von Srebrenica und vieles andere.
Euro-Rettung: Nach der gestrigen Verhandlung der Verfassungsbeschwerden gegen die Griechenland-Hilfen und den Euro-Rettungsschirm erwarten spiegel.de (Dietmar Hipp), die SZ (Wolfgang Janisch und Helmut Kerscher) und Joachim Jahn (FAZ) übereinstimmend, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil im Herbst angesichts des bedeutsamen parlamentarischen Budgetrechts den Bundestag stärken werde.
Laut FAZ (Joachim Jahn und Reinhard Müller) bezeichnete Verfassungsrichter Di Fabio dieses als die Kronjuwele des Parlaments. Wie welt.de (Hannelore Crolly) berichtet, stellte Gerichtspräsident Voßkuhle indes bereits bei Verhandlungsbeginn klar, keine ökonomische Debatte über die richtige Strategie der Euro-Rettung zu führen, sondern zu klären, welche Grenzen das Grundgesetz der Politik setze.
Als weiteren Konfliktpunkt identifiziert die FTD (Peter Ehrlich/Jens Tartler) die Frage der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden und erkennt deutliche Zweifel des Gerichts an einer Verletzung individueller Grundrechte der Kläger. Dazu befindet die taz (Christian Rath), dass Karlsruhe nur mit Hilfe der nicht sehr naheliegenden Argumentation, das Wahlrecht des Bürgers werde entwertet, zur Überprüfung von europäischem Recht gelange, obwohl es dafür nicht zuständig sei.
Die FAZ (Joachim Jahn) rundet die Berichterstattung mit einem Porträt der Verfassungsrichter Voßkuhle und Di Fabio als "Profis auf der Karlsruher Richterbank" ab.
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Präimplantationsdiagnostik: Anlässlich der Abstimmung im Bundestag am Donnerstag stellt die SZ (Charlotte Frank) die drei zur Auswahl stehenden Gesetzentwürfe vor. Bei der FTD streiten die beiden Unionspolitiker Peter Hinze und Volker Kauder über das Für und Wider einer Erlaubnis der PID. Der Ausgang der Abstimmung ist laut FTD (Claudia Kade) völlig ungewiss.
Weitere Themen - Justiz
Kinderkanal: Das Landgericht Erfurt hat den ehemaligen Herstellungsleiter des Kika wegen Bestechlichkeit und Untreue zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt, weil dieser mittels Scheinrechnungen den Sender um insgesamt mehr als acht Millionen Euro geschädigt hatte.
Der größte Betrugsskandal in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist damit allerdings noch lange nicht abgeschlossen: Angesichts laufender Ermittlungen gegen etwa ein Dutzend weitere Personen prophezeit die FAZ (Olaf Sundermeyer), dass dies noch nicht das letzte Urteil gewesen sei. Das Gericht stellte zudem fest, es habe bei dem federführenden Betreiber des Kika, dem MDR, ganz ersichtlich keine effektiven Kontrollen gegeben, was die SZ (Christiane Kohl) als schallende Ohrfeige wertet.
Rückzahlung für Linkspartei: Das LKA Baden-Württemberg hat der Linkspartei 40 Euro zurückerstattet. Den Betrag hatte ein unter der Legende "Simon Brenner" verdeckt in der Linken Szene in Heidelberg ermittelnder LKA-Beamter als Kostenerstattung für eine Fahrt nach Berlin zu einer Veranstaltung der Linksfraktion erhalten. Vorausgegangen war eine Strafanzeige des Fraktionschefs der Linken, Gregor Gysi, wegen Betrugs; das Verfahren ist noch bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart anhängig. Wie die taz (Martin Kaul) festhält, ist noch ungeklärt, ob der Einsatz des verdeckten Ermittlers an sich juristisch einwandfrei war.
Urteilsaufhebung: spiegel.de sowie die FAZ (cpm) thematisieren ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Kassel, das gestern mit einem Freispruch für einen angeklagten Lehrer zu Ende ging. Er war vom Landgericht Darmstadt im Jahr 2002 wegen der angeblichen Vergewaltigung einer Kollegin zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er ohne Strafverkürzung verbüßte. Die Kasseler Richter urteilten, die Darmstädter Spruchkammer habe elementare Grundregeln der Wahrheitsfindung verletzt. Im Wiederaufnahmeverfahren waren massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers aufgekommen.
Finanzprodukte: In einem Beitrag für die FAZ beschäftigt sich der Rechtsanwalt Stefan Blum mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom März 2011, mit dem die Deutsche Bank zur Leistung von Schadensersatz wegen unzureichender Beratung beim Abschluss eines "CMS Spread Ladder Swap"-Geschäfts verurteilt worden war. Er kritisiert, dass die Bundesrichter den Banken darin zu weitgehende Beratungspflichten auferlegt hätten. Das Urteil sei nur auf das konkrete, für zu komplex befundene Finanzprodukt zu beziehen. Es bleibe abzuwarten, ob das Urteil die von vielen befürchtete Klagewelle auslöse.
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Dänemark: Die SZ (Gunnar Herrmann) berichtet über Reaktionen auf die am Mittwoch gestarteten stichprobenartigen Grenzkontrollen Dänemarks. Während die EU-Kommission verlauten ließ, man werde prüfen, ob die dänischen Kontrollen gegen das Schengen-Abkommen und den EU-Vertrag verstoßen, forderte der hessische Europaminister Hahn (FDP), das Land in der Urlaubszeit zu boykottieren. Dass kein europäischer Staats- oder Regierungschef den dänischen Ministerpräsidenten wegen der Kontrollen ernsthaft unter Druck gesetzt habe, lässt wtr (SZ) befürchten, dass das dänische Beispiel Schule machen werde. Kritik äußert die FAZ (kum): Das dänische Vorgehen sei nur Symbolpolitik. Allerdings sei der Boykottaufruf Hahns ebenso alles andere als ein Bekenntnis zu Schengen.
Srebrenica: Nach dem Urteil eines Berufungsgerichts in Den Haag haftet der niederländische Staat für den Tod dreier bosnischer Muslime während des Srebrenica-Massakers im Juli 1995. Die drei Bosnier, ein Angestellter bei der UN und zwei Familienangehörige eines weiteren Angestellten, hatten auf dem Gelände der niederländischen UN-Blauhelmtruppen Zuflucht gesucht, waren aber von den Soldaten weggeschickt worden. Wie die FAZ (anr) und die taz (Tobias Müller) erläutern, ließ das Gericht dabei nicht gelten, dass die Niederländer dem UN-Befehl unterstanden hätten; vielmehr habe die Operation durchaus unter Kontrolle Den Haags gestanden.
Emissionshandel: Das oberste Verwaltungsgericht in London hat dem Europäischen Gerichtshof die Klage amerikanischer Luftfahrtgesellschaften gegen ihre Einbeziehung in den ab Januar 2012 startenden Handel mit Kohlendioxidzertifikaten in der EU vorlegt. Nach Ansicht der Kläger verstößt die Regelung gegen grundlegendes Völkerrecht sowie mehrere Luftverkehrsabkommen, soweit sie internationale Flüge in Nicht-EU-Mitgliedstaaten einbeziehe. Die EU habe, so die Luftfahrtgesellschaften laut FAZ (caf), kein Recht, den Ausstoß von Treibhausgasen über den Weltmeeren oder in anderen Ländern zu regeln.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Die juristische Presseschau vom 6. Juli 2011: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3675 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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