In der Türkei wurde der Journalist Can Dündar in Abwesenheit zu 27 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Bundesinnenminister untersagte bundesweit den Verkauf von Feuerwerk per Verordnung. Der Weihnachtsmann hat es in diesem Jahr nicht leicht.
Thema des Tages
Türkei – Verurteilung von Can Dündar: Der türkische Journalist Can Dündar ist von einem Istanbuler Gericht zu einer Haftstrafe von 27 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Gericht sprach ihn schuldig, sich illegal Staatsgeheimnisse beschafft zu haben, um damit politische und militärische Spionage zu betreiben. Außerdem wurde er wegen Terrorunterstützung verurteilt. Er hatte im Mai 2015 als Chefredakteur der Oppositionszeitung Cumhuriyet gemeinsam mit einem anderen Journalisten eine Reportage über einen illegalen Waffentransport des türkischen Geheimdienstes an islamistische Kämpfer in Syrien veröffentlicht. Dündar hält sich seit 2016 in Deutschland auf. Es berichten SZ (Tomas Avenarius) und taz (Jürgen Gottschlich).
Rainer Hermann (FAZ) und Tomas Avenarius (SZ) heben hervor, dass der Fall Dündar nur einer von vielen ist. Mit dem Unternehmer Osman Kavala und dem Politiker Selahattin Demirtaş bilde Dündar das Trio der prominentesten politischen Verfolgten der Türkei. Das Urteil zeige auch, dass die Pressefreiheit in der Türkei nichts zähle.
Im Gespräch mit spiegel.de (Maximilian Popp) meint Dündar, die Regierung habe die Entscheidung über einen langen Zeitraum hinweg vorbereitet und habe nur noch einen Richter finden müssen, der ein solch absurdes Urteil verkündet. Das Urteil zeige aber, wie sehr Präsident Erdoğan mit dem Rücken zur Wand stehe. Ihm falle nichts anderes ein, als Menschen zu verfolgen und unter Druck zu setzen.
Rechtspolitik
Feuerwerkverkaufsverbot: Das Bundesinnenministerium hat per Änderung der Sprengstoffverordnung vorige Woche die "Überlassung" von Böllern und Raketen an Privatpersonen bundesweit verboten. Ziel ist die Entlastung von Krankenhäusern. Nachdem der Bundesrat vorige Woche zustimmte, trat das Verbot jetzt in Kraft, meldet LTO.
Justiz
BVerfG zu Rundfunkbeitrag: LTO (Christian Rath) schreibt vertieft über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem die von ARD, ZDF und Deutschlandradio gestellten Eilanträge abgelehnt wurden. Der Autor mutmaßt, dass die Verfassungsbeschwerden dennoch gute Erfolgschancen haben. Das Gericht habe die Sender ermuntert in "Vorleistung" zu gehen, da sie nach einer Entscheidung in der Hauptsache eine finanzielle Kompensation erhalten können. Das Gericht habe insofern sogar seine Rechtsprechung geändert.
Die SZ (Aurelie von Blazekovic) berichtet über die Reaktionen der öffentlich-rechtlichen Sender auf den BVerfG-Beschluss. Die meisten Sender spekulierten nicht auf eine spätere Erhöhung des Rundfunkbeitrags, sondern wollten jetzt Sparmaßnahmen in die Bahnen leiten.
BGH 2020: In einem Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr erinnert LTO (Pia Lorenz) an den 70. Geburtstag des Bundesgerichtshofs und fasst fünf wegweisende Entscheidungen des BGH aus diesem Jahr (VW-Abgasskandal, Sampling, Afghanistan-Papiere, fiktiver Schadensersatz, Schönheitsreparaturen) zusammen.
OVG Nds zu Corona-Kontaktbeschränkungen: Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat einen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der Beschränkungen in der Corona-Verordnung des Landes abgelehnt. Die Verordnung sei formell rechtmäßig und die Kontaktbeschränkungen notwendig im Sinne von § 28 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz, so das Gericht laut LTO.
OLG Frankfurt/M. – Mord an Walter Lübcke: Die FAZ (Marlene Grunert) geht vertieft auf den Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft im Fall des ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke ein. Demnach reihe sich das Verbrechen ein in eine "traurige Tradition" rechtsextremer Taten und atme den Geist des schon von Heinrich Himmler ausgerufenen "führerlosen Widerstands". Die Bundesanwaltschaft hatte eine lebenslange Freiheitsstrafe und anschließende Sicherungsverwahrung für den Hauptangeklagten Stephan E. sowie neun Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe für den wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Markus H. beantragt.
OLG Naumburg zu Anschlag auf Synagoge: Die SZ (Detlef Esslinger) erläutert anlässlich des Urteils gegen den Attentäter von Halle den Nutzen der Koppelung von lebenslanger Freiheitsstrafe, der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung. Dadurch könne ein Gericht vorbauen für den Fall, dass der Bundesgerichtshof das "Lebenslang" aufhebt. Außerdem hätten Sicherungsverwahrte Anspruch auf besondere Betreuung und Therapie, was dann auch dem "Lebenslangen" zugute komme.
OLG Celle – Abu Walaa: Das Oberlandesgericht Celle will nach rund 230 Verhandlungstagen demnächst den sogenannten Abu-Walaa-Prozess abschließen. Der Senat gab den Verteidigern eine Frist bis zum 20. Januar, um weitere Beweisanträge zu stellen. Danach könnten die Plädoyers und das Urteil folgen, wie die FAZ (Alexander Haneke) berichtet. Der "Abu-Walaa" genannte Hauptangeklagte soll der Anklage zufolge ranghöchster Vertreter des IS in Deutschland gewesen sein und junge Islamisten in Bürgerkriegsgebiete geschickt haben.
Recht in der Welt
Frankreich – Islamismus: Die Rechtsprofessorin Stéphanie Hennette-Vauchez stellt auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) ausführlich das geplante "Gesetz zur Stärkung republikanischer Prinzipien" vor. Es zielt auf die Bekämpfung des radikalen Islamismus ab und schreibt etwa religiöse Neutralität am Arbeitsplatz sowie eine Verpflichtung zur Befolgung bestimmter "republikanischer" Werte durch Vereinigungen vor.
Russland – Immunität für Präsidenten: Ein neues Gesetz in Russland schützt ehemalige Präsidenten und ihre Familienangehörigen vor Strafverfolgung auch nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt. Es kommt neben Wladimir Putin auch Ex-Präsident Dmitrij Medwedjew zugute und gilt nicht nur für mögliche Vergehen im Amt, sondern auch, falls etwa Putin danach Straftaten begehen sollte. Außerdem sieht das Gesetz höhere Hürden für den Entzug der Immunität vor. Es berichten SZ (Frank Nienhuysen) und LTO.
Brasilien – Impfpflicht: Die Rechtsprofessoren Thomas Bustamante, Emilio Peluso Neder Meyer und Felipe Tirado schreiben auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) über eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Brasiliens, nach der eine Impfpflicht verfassungsmäßig ist und auf kommunaler Ebene Impfpläne eingeführt werden können, wenn die Bundesregierung des Landes nicht tätig wird.
GB – Julian Assange: In einem Gastbeitrag für die taz-Beilage "Kontext" kritisiert Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) die drohende Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange durch Großbritannien an die USA, wo ihm bis zu 175 Jahren Haft drohen. Sie verlangt, Assange unverzüglich freizulassen und Whistleblower effektiver zu schützen, die "für unsere Gesellschaft unverzichtbar" seien. Bisher schweige Europa genauso wie die deutsche Bundesregierung "in elender Jämmerlichkeit".
Cyber-Angriff auf EGMR: Nach dem Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Demirtaş, der zu einer Verurteilung der Türkei führte, wurde die Website des EGMR laut LTO von einer schweren Cyberattacke getroffen und war nicht aufrufbar. Der EGMR hatte die sofortige Freilassung von Selahattin Demirtaş, einem türkischen Oppositionspolitiker, gefordert.
Das Letzte zum Schluss
Weihnachtsmann und Pandemie: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter Andreas Zöllner und Hendrik Schwager fragen auf LTO, ob der Weihnachtsmann wohl trotz Pandemie am heutigen Heiligabend vorbeischauen und rechtmäßig von Tür zu Tür frohlocken darf? Schließlich ist er potenziell Auslöser eines Superspreading-Events und hat mit Einreise- und Kontaktbeschränkungen, mit Maskenpflicht, Abstandsregeln und der Datenschutzgrundverordnung zu kämpfen…
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/jng
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Die juristische Presseschau vom 24. Dezember 2020: . In: Legal Tribune Online, 24.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43833 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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