Das BVerfG veröffentlicht heute seine Entscheidung zur gescheiterten Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Am 1. August traten neue BRAO-Regeln zur Vertretung in Kraft. In Belarus begann der Prozess gegen die Oppositionelle Kolesnikowa.
Thema des Tages
BVerfG – Rundfunkbeitrag: Am heutigen Donnerstag wird das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zur gescheiterten Erhöhung des Rundfunkbeitrags im vorigen Jahr veröffentlichen. ARD, ZDF und Deutschlandfunk hatten Verfassungsbeschwerde gegen die Blockade der Erhöhung durch das Land Sachsen-Anhalt eingereicht. Anträge auf einstweilige Anordnung hatte das Bundesverfassungsgericht Ende letzten Jahres abgelehnt. Die FAZ (Michael Hanfeld) berichtet vorab ausführlich und geht dabei auf die bisherige Verfassungsrechtsprechung ein. So habe das BVerfG etwa 2007 betont, dass die Bundesländer nicht aus politischen Gründen von der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) abweichen dürften. Deren Empfehlung war Grundlage für die geplante Erhöhung. tagesschau.de (Claudia Kornmeier) und SZ (Wolfgang Janisch/Claudia Tieschky) berichten ebenfalls.
Rechtspolitik
BRAO/Vertretung: Die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zur Vertreterbestellung haben sich zum 1. August deutlich vereinfacht, berichtet LTO (Martin W. Huff). So muss eine Vertreterin oder ein Vertreter nicht mehr aus dem selben Kammerbezirk kommen und auch die regionale Rechtsanwaltskammer muss nicht mehr informiert werden. Allerdings ist in § 54 Absatz 2 BRAO eine neue Berufspflicht hinzugekommen, wonach der von der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt selbst bestellten Vertreterin oder dem Vertreter ein Zugang zum eigenen besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) einzuräumen ist.
Klimaministerium mit Vetorecht: Der Vorschlag der Grünen für ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht stößt auf juristische Bedenken, berichtet das Hbl (Jürgen Flauger u.A.). Laut Vorschlag soll das geforderte Klimaministerium ein Veto einlegen können, wenn Gesetzesvorschläge gemacht werden, die den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 zuwiderlaufen. Hierfür wäre aber eine Verfassungsänderung erforderlich, wird Rechtsprofessor Christian Pestalozza zitiert, im Grundgesetz sei ein derartiger Vorrang eines Ministeriums vor anderen nicht vorgesehen.
Einwanderung und Teilhabe: Die Grünen fordern ein Herauslösen der Einwanderungspolitik aus dem Innenministerium, bekräftigt Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Einwanderung solle nicht als ordnungspolitisches Thema der inneren Sicherheit behandelt werden, sondern als Thema der Gleichstellung und Teilhabe. Die ebenfalls geforderte Änderung verschiedener Teilhabegesetze soll zudem eine höhere Repräsentanz von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst bewirken, berichtet die FAZ (Markus Wehner).
Computergenerierte Missbrauchsdarstellungen: Der Jurist und Gründer der Kompetenzstelle Kinderrechte Stephan Gerbig fordert auf netzpolitik.org eine Evaluierung der seit März 2020 bestehenden Regelung, wonach die Polizei zu Ermittlungszwecken computergenerierte Missbrauchsdarstellungen nutzen darf. Die Polizei kann sich so Zugang zu geschlossenen Nutzergruppen verschaffen, in denen kinderpornografische Inhalte getauscht werden. Der Autor gibt zu bedenken: auch computergenerierte Missbrauchsdarstellungen könnten die Würde von Kindern als Gruppe verletzen, Täter zu Missbrauch anstacheln und die Ermittlungsressourcen ausländischer Polizeibehörden binden. Die Regelung sei unter enormem Zeitdruck verabschiedet worden. Es sei unklar, ob sie nun in der Praxis angewandt werde.
Parlamentsreform Berlin: Rechtsprofessor Ralf Schnieders kritisiert im FAZ-Einspruch Teile der Berliner Parlamentsreform von 2019. Damals beschlossen die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses eine Erhöhung ihrer Diäten um 58% sowie die rückwirkende Anpassung der Ruhestandsbezüge in derselben Höhe für alle aktuellen Abgeordneten. Letzteres hält der Autor für rechtswidrig. Der Gesetzgeber habe mit der rückwirkenden Erhöhung der Versorgungsbezüge gegen das Transparenz- und das Angemessenheitsgebot verstoßen. Zudem bemängelt er, dass eine Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin ausbleiben wird und dass die Erwägungen, die zwei ehemalige Abgeordnete zur Rücknahme ihrer Verfassungsbeschwerden bewog, nicht öffentlich werden, da die Präsidentin des LVerfGH unter Berufung auf § 18b LVerfGHG Bln einen Antrag auf Akteneinsicht ablehnte.
Justiz
BGH – Wisente: Der Bundesgerichtshof wird sich erneut mit dem Streit um die Auswilderung von Wisenten im sauerländischen Rothaargebirge befassen müssen, berichtet LTO. Der beklagte Trägerverein des Artenschutzprojekts kündigte an, gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm Revision am BGH einzulegen. Die Richter:innen aus Hamm hatten entschieden, dass die klagenden Waldbauern- und bäuerinnen die Beschädigung ihrer Bäume durch die Wisente nicht länger hinnehmen müssen, da es auch nach dem BGH-Urteil von 2019 keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Fortsetzung des Projekts, d.h. die dauerhafte Ansiedlung der Wisente, gebe.
BGH zu Facebook-Gemeinschaftsstandards: Auf dem Verfassungsblog befasst sich der Habilitand Frederik Ferreau mit dem Facebook-Urteil des Bundesgerichtshofs von vergangener Woche, in dem die Richter:innen im Rahmen einer AGB-Kontrolle die Nutzungsbedingung von Facebook für unwirksam erklärten. Das Urteil zeige jedoch, dass auch unter Zuhilfenahme der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten das Zivilrecht allein nicht als Kommunikationsordnung ausreiche. Vielmehr bedürfe es auch einer gesetzlichen "Säule, die dysfunktionale Einflussnahme auf Soziale Netzwerke abwehrt und Meinungsvielfalt im Netz gewährleistet".
OVG Münster zu katholischer Schule: Katholische Grundschulen dürfen bevorzugt katholische Kinder aufnehmen. Das entschied laut spiegel.de das Oberverwaltungsgericht Münster und lehnte dabei die Klage eines konfessionslosen Jungen ab. Das Grundgesetz gehe von der Zulässigkeit öffentlicher Bekenntnisschulen aus.
LG Itzehoe/LG Neuruppin – NS-Verbrechen: Wie der Tsp, spiegel.de und LTO schreiben, wollen die Staatsanwaltschaften bundesweit die letzten noch lebenden, mutmaßlichen NS-Verbrecherinnen und -Verbrecher vor Gericht bringen. Bereits im Herbst sollen Prozesse gegen zwei Verdächtige beginnen, vor dem Landgericht Itzehoe gegen eine 96-jährige Frau und vor dem Landgericht Neuruppin gegen einen knapp 101-Jährigen. Weiteren neun Verdachtsfällen gehen die Staatsanwaltschaften Erfurt, Weiden, Hamburg und Neuruppin und die Generalstaatsanwaltschaft Celle nach, wobei die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg teilweise die Vorermittlungen führte.
LAG Köln zu Corona-Maskenpflicht: Legen Arbeitnehmende ein Attest vor, dass es ihnen nicht möglich sei, eine Maske zu tragen, können sie nicht verlangen, trotzdem ihrer Arbeit nachgehen zu dürfen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln in einem Fall eines Bauamt-Mitarbeiters entschieden, über den die SZ berichtet. Der Kläger wollte im Home-Office arbeiten, was der Arbeitgeber ablehnte. Dem Betroffenen droht nun die Kündigung.
VG Neustadt zum Verpfeifen von Hunden: Menschen, die Ordnungsbehörden Hinweise auf aggressive Hunde geben, bleiben anonym. Betroffene Hundehalter:innen haben keinen Anspruch auf Herausgabe der Namen der Warnenden. Das entschied das Verwaltungsgericht Neustadt mit der Begründung, dass die Namen der Anzeigenden als personenbezogene Daten einem besonderen Schutz unterliegen. Darüber hinaus seien Behörden gerade im Bereich der Gefahrenabwehr auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, welche unterblieben, sollte ihre Anonymität nicht gewahrt sein. Es berichtet LTO.
Digitalisierung der Justiz: Am gestrigen Mittwoch trafen sich im Landgericht Ulm der bayerische Minister Georg Eisenreich (CSU) und seine baden-württembergische Kollegin Marion Gentges (CDU), um über die Digitalisierung im Justizwesen zu sprechen. Wie LTO schreibt, tauschten sie sich über die Fortschritte, aber auch die Hürden und noch ausstehende Vorhaben aus. Beide sehen in der Digitalisierung der Justiz enorme Vorteile für Praktiker:innen und Bürger:innen.
Recht in der Welt
Belarus – Kolesnikowa: In Belarus hat der Prozess gegen Marija Kolesnikowa und ihren Anwalt begonnen. Ihnen wird vorgeworfen, eine Verschwörung zur Machtergreifung vorbereitet und die nationale Sicherheit gefährdet zu haben. Den beiden drohen bis zu zwölf Jahre Haft. Kolesnikowa war im vergangenen Jahr zu einem Symbol der Protestbewegung in Belarus geworden und befindet sich seit September 2020 in Haft. Als einzige der drei Oppositionsführerinnen befindet sie sich noch in Belarus. Sie hatte sich einer Verschleppung ins Ausland durch Zerreißen ihres Passes entzogen. Die FAZ (Sofia Dreisbach) berichtet.
"Zweifellos wird das Regime sie auf Jahre ins Gefängnis schicken", ist sich Silke Bigalke (SZ) sicher. "Jeder verurteilte, verschleppte, geflohene, tote Kritiker flößt anderen Furcht ein", so Bigalke weiter, "und hilft so dem Regime".
USA – Bayer/Glyphosat: In den USA hat ein weiterer Geschworenenprozess gegen das Unternehmen Bayer begonnen. Im kalifornischen San Bernardino hat die 71 Jahre alte Donnetta Stephens geklagt, die Bayers glyphosathaltiges Herbizid "Roundup" für ihre Krebserkrankung verantwortlich macht. Bayer habe von den mit "Roundup" verbundenen Krebsrisiken gewusst und die Öffentlichkeit darüber im Dunkeln gelassen, zitiert die FAZ (Roland Lindner/Jonas Jansen) den Anwalt Stephens.
ICSID: Immer mehr ausländische Investoren entschließen sich, Staaten vor der in Washington angesiedelten Schiedsorganisation ICSID zu verklagen. Wie die FAZ (Marcus Jung) berichtet, sind allein im Geschäftsjahr 2020/21 siebzig neue Klagen eingegangen. Nie zuvor gab es so viele Auseinandersetzungen. Besonders konfliktanfällig sei die Förderung von Rohstoffen und die Erzeugung von Strom.
Sonstiges
Wissenschaft und Demokratie: In der FAZ befasst sich Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz mit dem Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und demokratischen Prozessen. Wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung müsse stets frei von politischem Zweckdenken erfolgen. Auf der anderen Seite dürften aber auch naturwissenschaftliche Aussagen nicht alleiniger Handlungsmaßstab der Politik werden. Er entwickelt seine Thesen anhand der Pandemiebekämpfung und der Klimapolitik.
Umbenennung von Standardwerken: Die Umbenennung einiger juristische Standardwerke im C.H. Beck-Verlag nimmt die FAZ (Corinna Budras) zum Anlass, die Debatte der letzten Jahre noch einmal Revue passieren zu lassen und den Verleger Hans Dieter Beck zu porträtieren. Dieser habe in seinem Leben selten überstürzt gehandelt, sich für seine Entscheidungen stets viel Zeit genommen und sei immer auf alle Betroffenen eingegangen.
Gehaltsverhandlungen: Ein Beitrag auf LTO widmet sich dem Thema Gehaltserhöhung in einer Kanzlei. Häufig sei die Vergütung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Kanzleien sehr festgelegt und gerade junge Berufseinsteiger:innen scheuten vor Gehaltsverhandlungen zurück. Eine Gehaltsexpertin rät jedoch, ein Erfolgstagebuch zu führen, um in der Gehaltsverhandlung die eigenen Leistungen darzulegen und durchaus selbstbewusst aufzutreten.
Das Letzte zum Schluss
Jubel in der Nacht: Bald darf auch in der Nacht laut gejubelt werden, denn das Bundeskabinett beschloss eine Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung. Sobald auch der Bundestag zustimmt, dürfen Sportvereine an bis zu 18 Abenden Fußballspiele in ihren Heimstadien bis nach 22 Uhr abhalten, ohne dies ausführlich begründen zu müssen, so LTO.
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lto/jpw/ali
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Die juristische Presseschau vom 5. August 2021: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45651 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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