Als zweiter Angeklagter im Wirecard-Prozess erwägt nun auch Stephan von Erffa ein Geständnis abzulegen. Im Gegenzug stellt das Gericht eine verkürzte Haftstrafe in Aussicht, aber nur unter einer Voraussetzung.
Neben Markus Braun, ehemaliger Vorstandschef von Wirecard, und Oliver Bellenhaus, früherer Vertreter in Dubai, hielt sich Stephan von Erffa in dem Verfahren vor dem Landgericht München I bislang eher bedeckt. Wie der Vorsitzende Richter, Markus Födisch, nun aber am Mittwoch vortrug, fand am Freitag auf Vorschlag der Wirtschaftsstrafkammer ein Gespräch zwischen den Prozessbeteiligten statt. Daraus ging hervor: Wenn der der Chefbuchhalter des Unternehmens zeitnah ein Geständnis ablegt, könne er damit noch etwas gewinnen.
Seit 2022 steht von Erffa gemeinsam mit Braun und Bellenhaus wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrugs vor Gericht. Über 100 Verhandlungstage liegen schon hinter den Beteiligten. Während Braun die Vorwürfe weiterhin bestreitet, tritt Bellenhaus als Kronzeuge auf und beschuldigt die beiden Mitangeklagten. Wenn nun auch von Erffa bei der Aufklärung helfen sollte, könne der Prozess, für den noch bis ins Jahr 2025 Zeugen geladen sind, zu einem zügigeren Ende gebracht werden, so Födisch.
"Bewährungsstrafe ist illusorisch"
Auf eine Haftstrafe wird es für von Erffa aber so oder so hinauslaufen. Eine Einstellung des Verfahrens oder ein Freispruch sei nicht in Sicht. Die Konzernbilanzen seien falsch gewesen, und der Schaden sei hoch. Eine Bewährungsstrafe sei illusorisch, hieß es am Mittwoch. Statt über zehn Jahren, bestünde aber immerhin die Aussicht auf eine Freiheitsstrafe zwischen zwei und acht Jahren. Bis zu einem weiteren Gespräch mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft sollte der Angeklagte aber nicht noch Monate warten.
Wie die Wirtschaftswoche berichtet, könnte von Erffa durch ein Geständnis zur Schlüsselfigur des Prozesses werden. Anders als Bellenhaus habe er mit Braun in der Wirecard-Zentrale gesessen, die gefälschten Bilanzen liefen durch seine Abteilung. Er könne damit als Bindeglied zwischen Braun und Bellenhaus fungieren. Von Erffas Strafverteidigerin Sabine Stetter habe laut dem von Födisch vorgetragenen Protokoll gesagt, dass grundsätzliches Interesse an einer Verständigung und einem Austausch bestehe.
Ob der Angeklagte sich letztlich rechtzeitig dazu entscheidet, an der Aufklärung des Milliardenbetrugs mitzuwirken, bleibt abzuwarten. Eigentlich säße auch noch ein vierter Entscheidungsträger mit auf der Anklagebank. Der ehemalige Vertriebsvorstand Jan Marsalek tauchte nach der Insolvenz jedoch unter und wird seitdem steckbrieflich gesucht.
lmb/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
Gericht rät Wirecard-Chefbuchhalter von Erffa zu Deal: . In: Legal Tribune Online, 27.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54216 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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