Darf ein Schultheaterstück politisch sein? Die AfD Niedersachen klagte gegen eine entsprechende Aufführung und verlor nun vor dem VG Hannover. Die Kunstfreiheit der Schüler sei bei einem selbstgeschriebenen Werk entscheidend.
Es muss nicht immer Goethes "Faust" sein. In Schulen dürfen auch aktuelle politische Theaterstücke aufgeführt werden. Das hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Hannover am Mittwoch entschieden. Die AfD Niedersachsen hatte gegen das Kultusministerium geklagt und sich gegen die Aufführung des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" an einer Schule in Osnabrück im Mai 2019 gewandt. Darin setzten sich Schülerinnen und Schüler nach Gerichtsangaben kritisch mit Äußerungen der Partei auseinander. Die AfD wird bundesweit vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft und beobachtet.
Die AfD rügte den Gerichtsangaben zufolge, in der Theateraufführung sei eine Neutralitätsverletzung des Staates durch eine unzulässige Parteinahme zu sehen. Lehrkräfte hätten zwar dafür zu sorgen, dass alle zulässigen politischen Positionen im Unterricht geäußert werden könnten, müssten aber beleidigende und rechtswidrige Äußerungen zurückzuweisen und unterbinden.
Es werde in dem Theaterstück zudem eine kausale Verbindung zwischen dem Holocaust und der AfD unterstellt und suggeriert, dass die AfD menschenverachtende Maßnahmen billige, so die Argumentation der AfD. Außerdem werde der Anschein erweckt, dass die Partei den Nationalsozialismus befürworte und zu Schusswaffengebrauch insbesondere gegenüber Ausländern an Landesgrenzen aufrufe. Schulen seien kein Raum für die Darstellung von politischem Aktivismus. Das Stück hätte deshalb nicht aufgeführt werden dürfen, so die klagende Partei.
Dieser Argumentation ist das Gericht nun aber nicht gefolgt. Bei dem Theaterstück handele es sich schon nicht um eine politische Meinungsäußerung der Lehrkräfte. Das Theaterstück sei vielmehr von den Schülerinnen und Schülern eigenständig erarbeitet worden, eine inhaltliche Einflussnahme durch Lehrer liegt der Kammer zufolge nicht vor.
Theaterstück kann unterschiedlich interpretiert werden
Die Lehrkräfte waren auch nicht verpflichtet, die Entstehung und Aufführung des Stücks zu verhindern, so das VG. Das Theaterstück sei von der Kunstfreiheit der Schülerinnen und Schüler gemäß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gedeckt. Auch politisches Theater werde von der Kunstfreiheit umfasst, so das Gericht.
Der Kunstfreiheit hätte die AfD nach Auffassung der Kammer nur eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG entgegensetzen können. Eine solche Beeinträchtigung liegt dem VG zufolge aber nicht vor: Soweit die AfD rügt, das Stück stelle eine Verbindung zwischen ihr und dem Holocaust dar, handele es sich um eine mögliche Interpretation des Theaterstücks, nicht jedoch um die einzige. Entsprechend sei auch das Recht auf politische Chancengleichheit aus Art. 21 GG nicht verletzt, führte das Gericht aus.
Soweit die AfD ein fachaufsichtsrechtliches Einschreiten durch das Kultusministerium gegenüber der Schule gefordert hatte, sei die Klage bereits als unzulässig abgewiesen worden. Bei der Fachaufsicht handele es sich um eine verwaltungsinterne Maßnahme, auf deren Durchführung die AfD keinen Anspruch habe, so die Kammer.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
dpa/lfo/LTO-Redaktion
VG zur Kunstfreiheit in der Schule: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52650 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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