Die Richterbesoldung in Deutschland ist so niedrig, dass es schon Rügen aus Brüssel gab. Nun hält das VG Hamburg das dortige Besoldungsgesetz für verfassungswidrig und legt die Frage dem BVerfG vor – nicht der erste Fall dieser Art.
In Hamburg verdienen Richterinnen und Richter in bestimmten Besoldungsgruppen so wenig Geld, dass das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg die Besoldung sogar für verfassungswidrig hält. Da das VG die Verfassungswidrigkeit nicht selbst feststellen kann, hat es die fünf Verfahren ausgesetzt und mit am Mittwoch bekanntgegebenen Beschlüssen (Az. 20 B 14/21 u.a.) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die Regelungen mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sind.
Konkret geht es um die Beamten- und Richterbesoldung in den Gruppen A 7 bis A 15 sowie R 1. Nach Auffassung der 20. Kammer wird in den Besoldungsgruppen bis einschließlich A 10 in den Jahren 2020 und 2021 der verfassungsrechtlich gebotene Mindestabstand zur Grundsicherung nicht gewahrt. Die Besoldung der Kläger in den Besoldungsgruppen bis einschließlich A 9 sei aus diesem Grund verfassungswidrig. Für die Besoldung in den darüber liegenden Stufen sowie in der Besoldungsgruppe R 1 sei der nicht gewahrte Mindestabstand zur Grundsicherung jedenfalls ein erhebliches Indiz für ihre Verfassungswidrigkeit.
Dadurch werde in die Gehaltsgruppen das Alimentationsprinzip verletzt. Dieses zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG). Es besagt: Der Dienstherr muss Beamte und Richter nach Dienstrang, Verantwortungsgrad und Bedeutung der jeweiligen Tätigkeit für die Allgemeinheit entlohnen. Auch die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards sind zu berücksichtigen. Nur wenn diese Vorgaben eingehalten werden, kann von den Beamten und Richtern lebenslange Staatstreue verlangt und das Streikverbot gerechtfertigt werden.
Deutschland wurde bereits von der EU-Kommission ermahnt
Das VG hatte bereits im September 2020 Verfahren zu der amtsangemessenen Besoldung in Hamburg in den Jahren 2011 bis 2019 dem BVerfG vorgelegt. Insgesamt sind beim Hamburger VG etwa 8.000 vergleichbare Klagen anhängig, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Auch das VG Berlin hatte 2023 entschieden, dass die Besoldung der Richter und Staatsanwälte in der Hauptstadt 2016 und 2017 verfassungswidrig niedrig bemessen war, und die Verfahren nach Karlsruhe vorgelegt.
Nur das BVerfG kann die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen – hier des Hamburgischen Besoldungsgesetzes – feststellen. Hält ein Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig, so ist das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen (sog. Richtervorlage). Die endgültige Entscheidung wird also das BVerfG zu treffen haben. Auch über die älteren Richtervorlagen aus Hamburg und Berlin hat das BVerfG noch nicht entschieden.
Eine zu niedrige Richterbesoldung ist nicht nur ärgerlich für die Betroffenen, sondern auch eine Gefahr für den Rechtsstaat. So sieht es jedenfalls die EU-Kommission, die die Bundesrepublik in den letzten Jahren mehrmals dafür kritisiert hat, dass die Richter zu schlecht bezahlt werden. Deutschland müsse sich mehr anstrengen, um "angemessene Ressourcen" für die Justiz sicherzustellen, so das Votum aus Brüssel. Dazu gehöre auch die Besoldung der Richter.
kj/LTO-Redaktion
Mindestabstand zur Grundsicherung nicht gewahrt: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54517 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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