Nach jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im Jahr 2022 die Verurteilungen wegen Schwarzfahrens deutlich zurückgegangen. Die Linke geht davon aus, dass das mit dem von Juni bis August geltenden 9-Euro Ticket zusammenhängt.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) plant bekanntlich, das Strafgesetzbuch (StGB) auszumisten. Betroffen ist davon auch der Straftatbestand des Erschleichens von Leistungen nach § 265a StGB, der auch die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ohne einen gültigen Fahrschein (Schwarzfahren) sanktioniert. Aktuell droht nach der Vorschrift eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Das BMJ hält bei diesem Delikt allerdings eine Bestrafung für nicht angemessen, weil der Unrechtsgehalt sehr gering sei. Das "Schwarzfahren" soll nach der geplanten Änderung nur noch eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Nach vorläufigen Zahlen aus der jüngsten Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes, die LTO exklusiv vorliegen, sind die Verurteilungen zu § 265a StGB im Jahr 2022 (Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor), von denen die meisten die Tatbestandsvariante Beförderungserschleichung betreffen, im Vergleich zum Vorjahr 2021 merklich gesunken. Während es im Jahr 2021 rund 37.000 Verurteilungen gab, wurden 2022 entsprechend der vorläufigen Tabellen der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Strafverfolgungsstatistik lediglich 28.633 Personen wegen einer Straftat nach § 265a Absatz 1 StGB verurteilt. Davon wurden 27.282 (95,3 Prozent) zu einer Geldstrafe und 1.351 (4,7 Prozent) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, darunter 1.001 (74,1 Prozent) mit Strafaussetzung zur Bewährung.
BMJ antwortet Rechtspolitikerin der Linken
Die Angaben stammen aus einer Antwort des Bundesjustizministeriums (BMJ) vom Dienstag an die Rechtspolitikerin der Linken im Bundestag, Clara Bünger MdB. Bünger führt die "auffällige" Veränderung im Vergleich zu 2021 nicht auf weniger Fahrscheinkontrollen in den Verkehrsmitteln zurück. Ihrer Meinung liege der Rückgang vor allem daran, "dass die Einführung des 9-Euro-Tickets im Jahr 2022 für drei Monate bereits eine beachtliche Wirkung gezeigt hat. Offenbar konnten besonders die von finanzieller Not betroffenen Menschen sich diese Summe für ein Ticket gerade noch leisten."
"Beunruhigend" findet es die Juristin allerdings, dass die Prozentzahl der verhängten Freiheitsstrafen in Höhe von 4,7 Prozent sich im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert habe. "Deshalb bin ich zwar froh darüber, dass zumindest die Beförderungserschleichung auf Druck von uns Linken und der Zivilgesellschaft nach dem vorgelegten Eckpunktepapier des BMJ zur Modernisierung des Strafrechts endlich aus dem Strafgesetzbuch verbannt verbannt werden soll, so dass kein Mensch mehr wegen des Fahrens ohne Fahrschein in eine Strafhaft muss", so Bünger. "Wir als Linke fordern aber eine komplette Streichung des § 265a Absatz 1 Variante 3 StGB ohne eine Verschiebung ins Ordnungswidrigkeitenrecht. Diesen längst überfälligen Schritt sollte Justizminister Buschmann mit seiner selbst ernannten Fortschrittskoalition endlich gehen."
Schwarzfahren künftig Ordnungswidrigkeit?
Dieser Vorschlag der Linken war bei einer Anhörung des Rechtsausschusses im Juni 2023 auf ein differenziertes Echo gestoßen. Zwar sprach sich die überwiegende Mehrheit der geladenen Sachverständigen dafür aus, die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ohne einen gültigen Fahrschein nicht mehr als Straftat nach § 265a StGB zu ahnden. In einigen Stellungnahmen wurde aber eben auch eine Verortung des Schwarzfahrens im Bereich der Ordnungswidrigkeiten vorgeschlagen. Diesen Weg favorisiert nun auch die Bundesregierung und Marco Buschmann.
Der ehemalige BGH-Strafrichter Prof. Thomas Fischer hatte sich seinerzeit allerdings bei LTO ebenfalls für den Ansatz der Linken ausgesprochen: "Schwarzfahren sollte nicht weiter bestraft werden. Es ist in der Substanz nur das Nichtzahlen einer Schuld. Das reicht für keine der anderen Varianten des § 265a StGB. Die geschädigten Unternehmen können sich zivilrechtlich wirksam wehren. Das Unrecht des bloßen Schwarzfahrens ohne Zugangserschleichung rechtfertigt weder eine Verfolgung als Straftat noch eine solche als Ordnungswidrigkeit. Wenn das die Rechtsprechung nicht einsieht, muss der Gesetzgeber es ihr ins Strafgesetzbuch schreiben", schrieb Fischer in seiner regelmäßigen LTO-Kolumne.
Weniger Verurteilungen wegen Leistungserschleichung: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53616 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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