Inklusion an Schulen kostet Geld. 52 Kommunen fühlen sich vom Land NRW für diese Aufgabe finanziell schlecht ausgestattet und haben Verfassungsbeschwerde beim VerfGH NRW eingelegt. Allerdings gegen das falsche Gesetz.
Der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Nordrhein-Westfalen in Münster hat die Verfassungsbeschwerden von Städten und Gemeinden gegen das 9. Schulrechtsänderungsgesetz, mit dem die inklusive Bildung in allgemeinen Schulen als Regelfall eingeführt wurde, als unzulässig verworfen.
Bei dem Streit dreht es sich um die Finanzierung des gemeinsamen Lernens von behinderten und nicht behinderten Kindern, der Inklusion. Die Städte und Gemeinden hatten geltend gemacht, das Schulrechtsänderungsgesetz verletze die Vorschriften der Landesverfassung (LV NRW) über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung. Der Gesetzgeber habe die verfassungsrechtlichen Vorgaben für einen Belastungsausgleich aus Art. 78 Abs. 3 LV NRW nicht beachtet.
Die Kommunen seien aber durch das 9. Schulrechtsänderungsgesetz unter den von ihnen gerügten Gesichtspunkten nicht beschwert, entschied das Gericht. "Sie haben das falsche Gesetz angegriffen", hielt die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Ricarda Brandts, den klagenden Kommunen in
der Urteilsbegründung vor.
Aufwendungsgesetz trat zeitgleich in Kraft
Nach ihrem eigenen Vorbringen komme eine Rechtsverletzung durch dieses Gesetz nicht in Betracht. Die materiellen Regelungen des Gesetzes griffen die Kommunen nämlich gar nicht an. Sie sahen eine Verletzung ihrer Rechte vielmehr darin, dass der Landesgesetzgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben über den erforderlichen Belastungsausgleich nicht beachtet habe.
Das habe der Landesgesetzgeber aber getan, so das VerfGH in Münster. Zeitgleich zur Schulrechtsänderung trat mit dem Inklusionsaufwendungsgesetz auch eine Belastungsausgleichsregelung in Kraft. Zwar sei nach der Rechtsprechung des VerfGH die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Aufgabenübertragungsnorm i.S.d. Art. 78 Abs. 3 LV NRW zu richten, wenn eine Belastungsausgleichsregelung völlig fehle. Gebe es aber eine, wenn auch gegebenenfalls unzureichende, Belastungsausleichsregelung, seien die Kommunen durch diese, nicht durch die Aufgabenübertragungsnorm beschwert.
Deren Vertreter zeigten sich nach der Entscheidung enttäuscht und sprachen von einem Fehlurteil. Ihr Rechtsvertreter Prof. Dr. Wolfram Höfling, Verfassungsrechtler an der Universität zu Köln, sieht das Prinzip verletzt, dass der Auftraggeber einer Leistung auch finanziell dafür gerade stehen muss.
Inklusions-Mehraufwand soll regelmäßig überprüft werden
Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) dagegen begrüßte die Entscheidung. "Interessant aus der Begründung des Gerichtes ist der Hinweis, dass ein Belastungsausgleich nicht schon bei der
Verabschiedung des Gesetzes erfolgen muss, sondern erst bei Inkrafttreten. Genau das hat die Landesseite getan", sagte die Ministerin laut Mitteilung.
Der Landkreistag NRW, der sich der Klage nicht angeschlossen hatte, verweist auf die Absprache zwischen Land und Spitzenverbänden, regelmäßig den Mehraufwand für die Inklusion zu überprüfen. "Aufgrund dieser Vereinbarung sahen die NRW-Kreise keine Veranlassung, diese Frage dem Verfassungsgerichtshof NRW vorzulegen", betonte der Landkreistag.
Janbernd Oebbecke, Leiter des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Uni Münster, hält das Urteil juristisch für richtig. Er versteht aber den Unmut der Kläger. "Das Land ist eigentlich für die sehr
aufwändige Kostenschätzung verantwortlich", sagte Oebbecke nach dem Urteil der Nachrichtenagentur dpa. Andere Bundesländer wie Hessen hätten einfachere Regelungen vereinbart und würde deshalb heute nicht um Inklusionskosten streiten.
Anderweitig können die Kommunen die Ausgleichregelung nun nicht mehr angreifen. Die Jahresfrist dafür ist bereits abgelaufen, teilte ein Gerichtssprecher mit.
acr/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Inklusions-Verfassungsbeschwerde unzulässig: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21718 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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