Wem gehört diese Nase? Eine Software der Polizei liefert eine schnelle Antwort – und sie kommt immer häufiger im Alltag zum Einsatz.
Die Polizei setzt immer stärker auf neue Software zur Gesichtserkennung, um unbekannte Personen zu identifizieren. Die Einsatzzahlen stiegen von 2010 auf 2017 um mehr als das 16-fache, wie sich aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag ergibt. Hatten die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landeskriminalämter (LKA) im Jahr 2010 noch in 1.673 Fällen die Gesichtserkennung eingesetzt, waren es im Jahr 2017 bereits 27.426 Fälle.
Das Gesichtserkennungssystem (GES) wurde 2008 ins Leben gerufen. Es ermöglicht laut der Antwort des Innenministeriums "eine Recherche mit Lichtbildern im Lichtbildbestand des nationalen INPOL." Das polizeiliche Informationssystem (INPOL) ist ein elektronischer Datenverbund zwischen Bund und Ländern. Dort werden etwa Daten der Personenfahndung, aus dem Erkennungsdienst und der DNA-Analyse gebündelt.
"Derzeit sind über 4,6 Millionen Lichtbilder von ca. 3,2 Millionen verschiedenen Personen und ca. 3,3 Millionen Personenbeschreibungen in INPOL gespeichert", teilt das BKA zu seinem Foto-Bestand allein aus dem Erkennungsdienst auf seiner Website mit.
Neues Pilotprojekt: Automatische Gesichtserkennung
Diese Daten dienen der Polizei landesweit dann etwa bei einer Personenkontrolle auf der Straße als Vergleichsmaterial. Die deutschen Polizeibehörden sind dabei aber offenbar unterschiedlich erfolgreich: So haben BKA und LKA seit 2008 aus insgesamt 115.798 Abfragen 2.394 Personen identifizieren können. Damit war nur jeder 48. Fall ein Treffer.
Die Bundespolizei, die vor allem für die Sicherung der Grenzen zuständig ist, konnte aus 18.723 Recherchen insgesamt 1.334 Personen identifizieren. Sie hatte demnach in etwa jedem 14. Fall einen Treffer ermittelt. Ein Grund könnte sein, dass die Bundespolizei bei der Kontrolle von Ausweispapieren häufiger biometrische Lichtbilder eingibt, die vom System besser erkannt werden.
Die Zahlen aus der Antwort des Innenministeriums betreffen alleine Fälle einer händischen Gesichtserkennung. Das heißt, die Polizei muss das Fotomaterial selbst in das System einspeisen, um Ergebnisse zu erhalten.
Derzeit läuft am Berliner Bahnhof Südkreuz ein Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung. Die Bilder von drei Kameras werden speziell ausgewertet. Drei Computerprogramme vergleichen alle gefilmten Gesichter mit den gespeicherten Profilen von 300 Testpersonen.
Ursprünglich sollte der sechsmonatige Test Ende Januar enden. Er wurde dann aber um weitere sechs Monate verlängert. Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte Mitte Dezember angekündigt, bei einem positiven Ergebnis solle die Videoüberwachung flächendeckend an Bahnhöfen und Flughäfen eingeführt werden.
Datenschützer kritisieren automatische Gesichtserkennung
Die Sicherheitsbehörden begründen ihr Vorhaben vor allem damit, dass mögliche Gefährder vor einem Anschlag erkannt werden könnten.
Datenschützer kritisieren die Überwachung dagegen. "Ich sehe darin eine große Gefahr für den Datenschutz und das Prinzip der Datensparsamkeit", sagt Andrej Hunko, Europaexperte der Partei Die Linke gegenüber der dpa. "Wir beobachten, dass die Polizei stets machen will, was technisch möglich ist. Rechtliche Grenzen werden dabei häufig ignoriert."
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hatte das Fehlen einer Rechtsgrundlage bemängelt: Wenn massenhaft Gesichter von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern an Bahnhöfen gescannt würden, dann greife der Staat schwerwiegend in Grundrechte ein.
kus/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Datenschutz bei Foto-Abgleich: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27653 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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