Können sich Hartz-IV-Empfänger FFP2-Masken aus ihrem Regelsatz leisten, weil sie in der Pandemie auch weniger Ausgaben haben, oder erweist man dem Infektionsschutz so einen Bärendienst? Die Sozialgerichte bewerten das unterschiedlich.
Stoff- und Alltagsmasken haben ausgedient, etwa fürs Busfahren oder den Einkauf sind vielerorts medizinische bzw. FFP2-Masken zur Pflicht geworden. Die Frage, ob es unbedingt FFP2-Masken sein müssen und ob das Jobcenter dafür aufkommen muss, haben die Sozialgerichte (SG) in Oldenburg und Karlsruhe nun höchst unterschiedlich beantwortet. Während ein Hartz-IV-Empfänger in Baden-Württemberg nach einer entsprechenden Entscheidungen gegenüber seinem Jobcenter einen Anspruch auf wöchentlich 20 FFP2-Masken oder eine entsprechende Geldleistung hat, gingen zwei Leistungsbezieher in Niedersachen leer aus.
Ein Ehepaar aus dem niedersächsischen Delmenhorst, das Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II bezieht, stellte Ende Februar bei dem Jobcenter einen Antrag auf wöchentlich 20 FFP2-Masken pro Person. Die beiden argumentierten, dass wegen der Corona-Pandemie eine Maskenpflicht bestehe und die Kosten für die Masken nicht vom Regelbedarf gedeckt seien. Überzeugen konnten sie damit aber weder das Jobcenter noch das SG Oldenburg, das den Eilantrag ablehnte, wie es am Mittwoch mitteilte (Beschl. v. 08.03.2021, Az. S 37 AS 48/21 ER).
Die Kammer gab dem Ehepaar zwar insoweit Recht, dass die Schutzmasken nicht von dem Regelbedarfssatz erfasst seien. Einen erstattungsfähigen besonderen Bedarf im Sinne des § 21 SGB II nahm sie aber nicht an, weil die Antragsteller nach der Corona-Verordnung nicht dazu verpflichtet seien, FFP2-Masken zu tragen.
Weniger Ausgaben wegen der Pandemie
Daneben berücksichtigte das SG Oldenburg, dass sich die Eheleute pandemiebedingt teilweise auch Ausgaben für Verkehr (in ihrem Fall etwa 39 Euro) und Kultur/Unterhaltung (rund 42 Euro) erspart hätten, die wiederum vom Regelsatz erfasst seien. Die Kosten für FFP2-Masken und die erheblich preisgünstigeren medizinischen Masken könnten beispielsweise aus solchen Ersparnissen gedeckt werden, befand das Oldenburger Gericht.
Das Gericht rechnete mit monatlich maximal zehn FFP2-Masken pro Person, die nicht mehr als zehn Euro kosten würden. Dafür zog es eine Studie der Universität Münster heran, wonach FFP2-Masken auch wiederverwendet werden können, wenn sie sieben Tage lang getrocknet werden.
Letztlich lehnte das Gericht den Antrag auch ab, weil die Eheleute gegenüber ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf zehn kostenlose FFP2-Masken hätten und ihren Bedarf damit gegenwärtig decken könnten.
Infektionsschutz dient auch der Allgemeinheit
Das niedersächsische Gericht weicht in seinem noch nicht rechtskräftigen Beschluss von einer Entscheidung des SG Karlsruhe ab, das einen Anspruch eines Leistungsbeziehers auf 20 FFP2-Masken pro Person und Woche oder eine monatliche Geldleiste in Höhe von 129 Euro gegenüber dem Jobcenter noch im Februar bejaht hatte. In dem Fall aus Südwestdeutschland ging das Karlsruher Gericht davon aus, dass der Hartz-IV-Bezieher ohne Schutzmasken in seinem "Grundrecht auf soziale Teilhabe in unverhältnismäßiger Weise beschränkt" werde (Beschl. v. 11.02.2021, Az. S 12 AS 213/21 ER).
Das Gericht in Baden-Württemberg ließ medizinische Masken, wie sie etwa im OP verwendet werden, nicht ausreichen, weil diese für den Infektionsschutz insbesondere in Verkehrsmitteln und Supermärkten nicht gut genug geeignet seien. Zum anderen ging es für die 12. Kammer* auch um den Infektionsschutz, der der Allgemeinheit diene, weswegen sie einen Mehrbedarf von wöchentlich 20 FFP2-Masken annahm. Dem Infektionsschutz werde ansonsten ein Bärendienst erwiesen, falls nicht mindestens täglich eine neue Maske sowie durchschnittlich ca. zwei weitere neue Ersatz-FFP2-Masken bereitgestellt würden, heißt es in dem Beschluss des SG Karlsruhe.
Wiederverwendung von FFP2-Masken den Profis vorbehalten
Es sei nämlich, so das Gericht, davon auszugehen, dass nur wenige Personen bereit und fähig seien, fortlaufend zuverlässig die sehr hohen Sorgfaltsanforderungen an die private Wiederverwendung von FFP2-Masken zu erfüllen. Diese seien eigentlich nämlich nur zum Einmalgebrauch für geschultes Medizinpersonal konstruiert. Ohne die Beachtung der zum Trocknen notwendigen Hygiene-Routinen würden über mehrere Tage und Wochen hinweg für den Infektionsschutz ungeeignete oder sogar virushaltige Masken getragen, argumentiert die Kammer.
Solche falsch wieder aufbereiteten Masken erweckten dagegen nur den falschen Anschein funktionierenden Infektionsschutzes. Die Verwendung nicht fachgerecht aufbereiteter FFP2-Masken sei aber dem Infektionsschutz nicht zu-, sondern abträglich. Die Bundesagentur für Arbeit betonte nach der Entscheidung, dass der mittlerweile rechtskräftige Beschluss zunächst nur für diesen Fall gelte.
*Klarstellung am 11. März 2021, 15.37 Uhr: Andere Kammern desselben Gerichts haben inzwischen in ähnlichen Fällen ablehnende Entscheidungen getroffen, wie nun bekannt wurde.
mgö/LTO-Redaktion
Sozialgerichte uneins: . In: Legal Tribune Online, 10.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44464 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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