Behinderte Kinder bleiben ohne Altersbegrenzung in der Krankenversicherung ihrer Eltern familienversichert. Dies gilt nach einem am Montag bekannt gegebenen Urteil des SG Dortmund zumindest dann, wenn das Kind wegen seiner Behinderung nicht in der Lage ist, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen.
Vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund ging es um den Fall einer 27-jährigen geistig behinderten Frau aus Hagen. Die AOK Nordwest hatte es abgelehnt, sie über das 23. Lebensjahr hinaus kostenlos über ihren Vater als familienversichert zu führen. Nach Ansicht der Versicherung sei die Tochter des Versicherten in der Lage, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Dies sah das SG Dortmund anders.
Bei der Frage, ob ein behinderter Mensch in der Lage sei, für sich selbst zu sorgen, komme es nicht allein auf abstrakte Altersgrenzen an. Entscheidend sei vielmehr auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Vermittelbarkeit der jeweilgen Person.
Das Gericht verurteilte die AOK daher dazu, die Familienversicherung ohne Altersbegrenzung gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V durchzuführen. Nach einer medizinischen Beweisaufnahme stehe fest, dass die Frau wegen ihrer seit Geburt bestehenden geistigen Behinderung außer Stande sei, für sich selbst zu sorgen. Dabei seien der erschwerte Zugang geistig behinderter Menschen zum allgemeinen Arbeitsmarkt und die Lohnstrukturen zu berücksichtigen. Realistisch erscheine allenfalls eine gering qualifizierte Tätigkeit im Niedriglohnbereich kombiniert mit aufstockenden Grundsicherungsleistungen - also nicht genug, um sich selbst zu unterhalten (Urt. v. 27.06.2013, Az. S 39 KR 490/10).
mbr/LTO-Redaktion
SG Dortmund zur Versicherung behinderter Kinder: . In: Legal Tribune Online, 29.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9234 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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