Milliarden in den Markt pumpen, um Konjunktur und Inflation anzuheizen: Mit diesem Rezept verstößt die EZB nicht gegen eine verbotene Staatsfinanzierung und überschreitet nicht ihr Mandant, wenn es nach dem Generalanwalt am EuGH geht.
Die umstrittenen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) für inzwischen mehr als zwei Billionen Euro sind aus Sicht des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) rechtens. Die EZB verstoße damit nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung und überschreite auch nicht ihr Mandat, argumentierte Melchior Wathelet am Donnerstag in Luxemburg (Rechtssache C-493/17).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Sache dem EuGH vorgelegt. Aus Sicht der Karlsruher Richter könnte das Programm das Mandat der EZB sowie Zuständigkeiten der EU-Staaten verletzen. Geklagt hatten unter anderen die Euro-Kritiker Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel, einst führende Vertreter der Alternative für Deutschland. Lucke kritisierte das EuGH-Gutachten im Gespräch mit der dpa als oberflächlich und setzt darauf, dass die Richter dem nicht folgen.
Die Zentralbank hatte zur Bewältigung der Eurokrise mehrere Kaufprogramme für Wertpapiere aufgelegt, die im Wesentlichen ein Ziel haben: Zinsen sollten gedrückt und Geld extrem leicht verfügbar werden, um die Wirtschaft und die Inflation anzukurbeln. Der EuGH hatte 2015 bereits grundsätzlich entschieden, dass der Ankauf von Staatsanleihen zulässig ist.
Ankauf für über zwei Billionen Euro
Im aktuellen Rechtsstreit geht es um ein Teilprogramm namens PSPP zum Erwerb von Wertpapieren des öffentlichen Sektors, das im März 2015 startete. Monat für Monat wurden Staatsanleihen für zweistellige Milliardenbeträge gekauft. Bis zum Beginn des Verfahrens im Mai 2017 hatte es nach Angaben der Gerichte einen Umfang von 1534,8 Milliarden Euro erreicht. Inzwischen sind es nach Angaben der Kläger mehr als zwei Billionen Euro. Weil die Inflation anzieht, peilt die EZB inzwischen ein Auslaufen des Programms zum Jahresende an.
Aus Sicht der Kläger hat die EZB ihre Kompetenzen überschritten. Sie sehen durch Beschlüsse der Notenbank und deren ultralockere Geldpolitik ihre Rechte als deutsche Wähler und Steuerzahler verletzt. Auch das BVerfG hatte im Juli 2017 Zweifel an dem Programm geäußert, unter anderem daran, "ob der PSPP-Beschluss mit dem Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung vereinbar ist" und ob er vom EZB-Mandat gedeckt sei.
Der EuGH-Generalanwalt teilt die Bedenken nicht. Die Bedingungen des Kaufprogramms sprächen dagegen, dass dieses als "Mechanismus zur Unterstützung von Staaten" in Finanzierungsschwierigkeiten angesehen werden könne. Ein Verstoß gegen das Mandat der EZB liege ebenfalls nicht vor, denn das Programm verfolge ein währungspolitisches Ziel: Es solle die Deflationsgefahr abwenden. Gemeint ist das Risiko einer Abwärtsspirale der Preise, die die Konjunktur abwürgen könnte.
Kläger Lucke sagte der dpa, Wathelets Gutachten berücksichtige nicht die entscheidenden Fragen und Argumente des BVerfG. Vielmehr referiere er nur die Grundsätze des ersten Anleihe-Urteils von 2015. Sollten die EU-Richter dem folgen, könnte es zum Konflikt mit dem BVerfG kommen, meinte Lucke. Die Luxemburger Richter folgen ihren Gutachtern oft, aber nicht immer. Ein Urteil wird in einigen Wochen erwartet.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Schlussanträge des Generalanwalts am EuGH: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31319 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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