Wer beim Hausbau keinen einzelnen Bauunternehmer betraut, sondern alle Handwerker einzeln beauftragt, geht trotzdem einen Verbraucherbauvertrag ein, so das OLG. Verbraucherrechtlich macht das einen großen Unterschied für die Häuslebauer.
Ein Verbraucherbauvertrag nach § 650i Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) liegt auch dann vor, wenn der Bauherr beim Neubau eines Wohnhauses die Leistungen an einzelne Handwerksunternehmen und nicht zentral an einen Bauunternehmer vergibt. Das hat der auf Baurechtsstreitigkeiten spezialisierte 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG) in einer am Montag veröffentlichten Entscheidung festgestellt (Urt. v. 29.3.2022, Az. 5 U 52/21).
Der Entscheidung lag ein alltäglicher Fall zugrunde, die dahinter steckende Rechtsfrage ist noch nicht bundesgerichtlich geklärt und hat große Bedeutung. Ein Ehepaar aus dem Landkreis Südliche Weinstraße baute ein neues Haus. Unter anderen wurde ein Handwerksunternehmen aus der Südpfalz beauftragt. Leider lief aber nicht alles so glatt wie erhofft und es kam zum Streit über die Qualität der erbrachten Handwerksleistung. Die Eheleute verweigerten letztlich die Zahlung eines Restbetrags von 8.000 Euro. Der Handwerker forderte eine Sicherheitsleitung für diese Summe, beispielsweise durch eine Bankbürgschaft. Doch auch darauf ging das Ehepaar nicht ein, der Handwerker klagte.
Vor dem Landgericht Landau (Urt. v. 11.3.2021, Az. 2 O 315/19) sah es dann auch erst einmal schlecht aus für das Paar. Das Gericht verurteilte es zur Stellung einer Bauhandwerkerversicherung verurteilt, die ein Handwerker nach § 650f BGB grundsätzlich verlangen kann.
Höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage
Der Knackpunkt nun: Ob die Eheleute als Verbraucher zählen und damit gesetzlich besseren Schutz genießen, hängt davon ab, ob der Vertrag zwischen ihnen und dem klagenden Handwerksunternehmen als Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB einzuordnen ist. Dann nämlich griffe eine Ausnahme von der Bauhandwerkerversicherung, denn zum Abschluss einer solchen sind Verbraucherinnen und Verbraucher im Rahmen eines Verbraucherbauvertrages nicht verpflichtet.
Wann ein solcher Verbraucherbauvertrag vorliegt, bemisst sich seit 2018 nach dem § 650i BGB. Danach ist ein Verbraucherbauvertrag ein Vertrag, durch den ein Verbraucher einen Unternehmer beispielsweise zum Neubau eines Hauses beauftragt. Erfasst ist also unter anderem das Ehepaar, das einen einzelnen Bauunternehmer mit der Errichtung eines neuen Einfamilien-Fertighauses betraut.
Ungeklärt durch die Rechtsprechung und auch in der Literatur umstritten war demgegenüber bislang die Frage, ob es sich auch um einen Verbraucherbauvertrag handelt, wenn nicht ein Generalunternehmer mit der Errichtung des ganzen Hauses beauftragt wird, sondern die Bauherren jeweils einzelne Handwerksunternehmen beauftragen, jeweils einzelne Schritte im Rahmen des Hausbaus zu übernehmen. Anders gefragt: Greift die Ausnahme zugunsten des Bauherrn, wenn dieser nicht zentral einen Bauunternehmer für den Bau des ganzen Hauses beauftragt, sondern stattdessen viele einzelne Unternehmen, die jeweils einen Teil des Hauses bauen? Und weiter: Schließt der Bauherr in dieser Konstellation mit jedem einzelnen dieser Handwerker einen Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650 i BGB?
OLG pro Verbraucherschutz
In der Literatur ist man sich uneins. Teilweise wurde das bislang mit Blick auf den Wortlaut der Norm verneint. Denn erfasst ist von der Norm dem Wortlaut nach eben nur die Beauftragung zum Bau eines neuen Hauses. Werden nun einzelne Verträge mit Handwerkern geschlossen, die nur abschnittsweise am Bau beteiligt sind, für sich genommen aber jeweils gerade nicht ein ganzes Haus bauen, könne das nicht mehr unter die Norm fallen. Gegenstimmen führen an, dass es widerprüchlich ist, wenn Verbraucher besser geschützt sind, wenn sie einen Generalunternehmer beauftragen statt einzelne Handwerker mit jeweils nur einem Bauabschnitt zu beauftragen. Schließlich beauftrage auch der Generalunternehmen in aller Regel Subunternehmen mit der Anfertigung der anfallenden Arbeiten, weil die wenigsten alle notwendigen Gewerke aus einer Hand liefern könnten.
Mit dem OLG Zweibrücken hat nun als eines der ersten* ein Obergericht diese Frage beantwortet. In der Rechtsprechung, so der OLG-Senat, gebe es aktuell "keine Einigkeit darüber, ob von dem Anfang 2018 in das Gesetz eingeführten Verbraucherbauvertrag auch die gewerkeweise Vergabe von Aufträgen an verschiedene Bauunternehmer umfasst sei." Der Senat entschied diese Frage nun im Sinne des Verbraucherschutzes und erkannte dem beklagten Ehepaar einen besseren Schutz in Form der Ausnahmeregelung von der Bauhandwerkerversicherung zu. Es könne nämlich, so der Senat, keinen Unterschied machen, ob Bauherren die Leistungen gesamt oder einzeln vergeben. Ansonsten könnten Bauunternehmer, die im Sinne eines Generalunternehmers einen Vertrag für das ganze Haus abschließen, einzelne Leistungen bewusst ausnehmen und damit die Verbrauchervorschriften leicht umgehen.
Im Ergebnis handelt es sich bei dem Vertrag der bauenden Eheleute mit dem Handwerker nach Auffassung des OLG um einen Verbraucherbauvertrag. Der Handwerker habe damit keinen Anspruch auf die Stellung einer Bauhandwerkerversicherung.
Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen, die auch schon eingelegt worden ist (BGH, Az. VII ZR 94/22).
*Zunächst war die Rede hier vom OLG Zweibrücken als _dem_ ersten OLG, das in der Frage entscheidet. Korrigiert am 11.05.2022 auf freundlichen Leserinnenhinweis hin. ms/LTO-Redaktion
OLG Zweibrücken zu ungeklärter Rechtsfrage: . In: Legal Tribune Online, 09.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48379 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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