Seit fünf Jahren lebt eine 30-Jährige aus Aalen mit einer Nadel im Unterleib. Ärzte im Bundeswehrkrankenhaus Ulm haben sie dort bei einer OP aus Versehen zurückgelassen - deshalb muss der Bund der Frau Schmerzensgeld zahlen.
Weil Ärzte im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm bei einer Operation eine Nadel im Unterleib einer Patientin vergessen haben, muss die Bundesrepublik Deutschland ihr Schmerzensgeld zahlen. In einem Berufungsverfahren gab das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart am Donnerstag der heute 30-Jährigen aus Aalen Recht und verurteilte den Träger des Krankenhauses zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000 Euro (Urt. v. 20.12.2018, Az. 1 U 145/17). Das sind zwar 3.000 Euro weniger, als ihr das Landgericht Ulm in erster Instanz zugesprochen hatte - aber mehr, als der Bund geben wollte: nämlich nichts.
"Ich lebe mit erheblichen Einschränkungen, jeden Tag", hatte die 30-Jährige bei der Verhandlung vergangene Woche gesagt. 2013 hatte sie sich das renommierte Bundeswehrkrankenhaus in Ulm für eine Nierensteinoperation ausgesucht. Im März wurde operiert. Die Nadel entdeckten Ärzte dann bei Röntgen-Nachuntersuchungen, sie informierten die Frau aber erst zwei Monate nach der Operation. Durch diese verspätete Information liegt aus Sicht des OLG aber kein grober Behandlungsfehler vor.
Aktuell liegt die Nadel tief drin an einem Lendenmuskel, wie bei der Verhandlung berichtet wurde. Wie gefährlich ist das? Zumindest habe sich der Fremdkörper seit der OP im Körper bewegt. Schmerzen verursache die Nadel nicht, jedoch bleibe eine permanente Unsicherheit, erzählte die 30-Jährige. Ärzte hätten ihr geraten, nichts zu tun, durch das sie stürzen könne. Reiten oder Inlineskates fahren mit ihren beiden Kindern seien tabu. Herausoperieren möchte sie die Nadel nicht. Zumal jede OP ein Risiko sei - und Ärzte ihr auch davon abgeraten hätten.
OLG: Befremdliche Sichtweise der Bundesrepublik
Das OLG hat ihr zudem Schadensersatz für noch nicht vorhersehbare Schäden sowie für die bisher entstandenen materiellen Schäden in Höhe von 2.000 Euro zu. Das Schmerzensgeld wurde vom Gericht aber um 3.000 Euro reduziert, da die Frau keine Schmerzen mehr hat, die auf die zurückgelassene Nadel zurückzuführen sind, wie eine Sprecherin erklärte.
Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistung der Bundeswehr hatte entgegnet, eine damals unterbliebene Zählkontrolle der eingesetzten Gegenstände nach der OP stelle keinen Behandlungsfehler dar. Zur Zählkontrolle hatte das Aktionsbündnis Patientensicherheit aber schon 2010 Handlungsempfehlungen veröffentlicht, die aufgrund eines Beschlusses des Bundestags durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurden. Dass die beklagte Bundesrepublik nun am OLG meinte, sie sei selbst vier Jahre nach der Veröffentlichung der Empfehlungen nicht zu Zählkontrollen verpflichtet, hielt der Senat laut Mitteilung für "befremdlich".
acr/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
OLG Stuttgart zu vergessener OP-Nadel im Unterleib: . In: Legal Tribune Online, 20.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32871 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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