Der Inhaber einer Kamelfarm muss einer Reiterin verschuldensunabhängig Schadensersatz zahlen, weil sie vom Tier fiel. Exkulpieren könne sich der Kamelführer jedenfalls nicht, denn Kamele seien keine Haus- und Nutztiere, so das OLG.
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat den Inhaber eines Kamelhofs zu einer Zahlung von 91.000 Euro verurteilt, weil eine Reiterin bei einem Ausritt von einem der Tiere gestürzt war. Er sei aus der Gefährdungshaftung des § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet, wie das Gericht am Montag mitteilte (Urt. v. 07.06.2018, Az. 13 U 194/17).
Die 27-jährige Frau nahm mit ihrer Mutter im September 2012 im Landkreis Sigmaringen an einem einstündigen Kamelausritt teil. Der Inhaber der Kamelfarm lief dabei zwischen den beiden Tieren und führte sie an einer Kette. Als die Gruppe auf ihrem Weg einige Hunde passierte, erschraken die Kamele durch das Gebell der Hunde und machten eine abrupte Bewegung nach links. Dadurch stürzte die Ärztin aus einer Sitzhöhe von 1,87 Meter kopfüber zu Boden. Sie erlitt unter anderem schwere Kopfverletzungen und war in ihrer Erwerbtätigkeit erheblich eingeschränkt.
OLG: Kamelhaltung in Deutschland sehr selten
Das OLG erkannte nach § 833 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf eine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht für den Kamelführer. Der Senat verwehrte ihm die Möglichkeit, sich durch den Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens nach § 833 S. 2 BGB zu exkulpieren. Auf dieses Privileg könnten sich nur Haus- und Nutztierhalter berufen. Weil die Kamelhaltung aber jedenfalls in Deutschland zu selten sei, handle es sich bei Kamelen nicht um Haus- und Nutztiere, so der Senat.
Daneben habe der Kamelführer die Tiere aber auch nicht mit der erforderlichen Sorgfalt beaufsichtigt. Er sei gleich einem Fahrzeuglenker für die Sicherheit der Reiterin, die das Kamel nicht selbst lenkte, verantwortlich und habe nicht allein beide Kamele mit einer Führkette am Strick führen dürfen, urteilen die Stuttgarter Richter. So habe er nicht so gut auf die beiden Tiere einwirken und die Reiterin nicht vor Gefahren durch die Schreckreaktionen der Kamele schützen können.
Ein Mitverschulden der Reiterin, weil sie keinen Helm trug, schloss der Senat aus. Davon habe der Inhaber des Kamelhofs quasi abgeraten und sich dadurch selbst sorgfaltspflichtwidrig verhalten. Das OLG erhöhte das erstinstanzlich zugesprochene Schmerzensgeld nach einer Anschlussberufung der gestürzten Reiterin sogar noch von 50.000 Euro auf 70.000 Euro. Zusätzlich muss der Kamelführer für den Verdienstausfall für die Monate nach dem Unfall in Höhe von 21.000 Euro aufkommen.
mgö/LTO-Redaktion
OLG Stuttgart zur Tierhalterhaftung: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29075 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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