Das OLG München hält eine Testierunfähigkeit von Cornelius Gurlitt nicht für erwiesen. Es wies die Beschwerde von Gurlitts Cousine zurück. Dem als Alleinerbe eingesetzten Kunstmuseum Bern sei der Erbschein zu Recht erteilt worden.
Mit Beschluss vom Donnerstag hat das Oberlandesgericht (OLG) München die Nachlassbeschwerde der Cousine des verstorbenen Kunstsammlers Cornelius Gurlitt gegen einen Beschluss des Amtsgerichts (AG) München zurückgewiesen (Az. 31 Wx 144/15). Das AG hatte im März 2015 dem Erbscheinantrag des Kunstmuseums Bern stattgegeben. Dabei bleibt es nun.
Wie bereits das Amtsgericht hält auch das OLG das Testament von Cornelius Gurlitt vom 9. Januar 2014, in dem er das Kunstmuseum Bern zum Alleinerben eingesetzt hat, für wirksam. Eine Testierunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung konnte nicht zur Überzeugung des zuständigen Zivilsenats nachgewiesen werden.
Zu diesem Ergebnis gelangten die Münchner Zivilrichter nach umfangreichen Ermittlungen, zu denen u.a. ein psychiatrisches Sachverständigengutachten sowie eine mündliche Anhörung des Sachverständigen und von Zeugen gehörten.
Vermutung zugunsten der Testierfähigkeit
Zur Begründung führte der Senat unter anderem aus, dass nach § 2229 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich jedermann, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, als testierfähig gilt. Davon ausgeschlossen sei nach § 2229 Abs. 4 BGB nur, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Da diese Umstände aber die Ausnahme bilden, sei ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist. Eine Testierunfähigkeit des Herrn Gurlitt zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abfassung des Testaments sei jedoch nicht festzustellen.
Der Senat setzt sich in seiner Entscheidung im Einzelnen mit dem schriftlichen Gutachten sowie den mündlichen Ausführungen des von ihm beauftragten gerichtlichen Sachverständigen auseinander, dem neben zahlreichen Aktenauszügen aus verschiedenen Verfahren sowie Briefen vom und an den Erblasser auch umfangreiche ärztliche Unterlagen zur Verfügung standen.
Wahn, Demenz oder Delir nicht nachgewiesen
Der Senat konnte sich laut seiner Mitteilung vom Donnerstag nicht davon überzeugen, dass Gurlitt bei Errichtung des Testaments an einem Wahn gelitten hätte, der Auswirkungen auf die Testierfähigkeit hätte. Zwar seien im Laufe des Verfahrens einige Anhaltspunkte zu Tage getreten, die einen Wahn des Erblassers grundsätzlich denkbar erscheinen ließen. Diese Anhaltspunkte reichen aber nach Auffassung des Senats für eine gesicherte Überzeugungsbildung in diese Richtung nicht aus, zumal der Kunstsammler zu Lebzeiten nicht entsprechend untersucht worden sei und die Beobachtungen und Einschätzungen von medizinischen Laien stammten.
Auch eine die Testierfähigkeit aufhebende Demenz sei nicht nachgewiesen. Maßgebliche Kriterien für die Annahme einer Demenz seien die Abnahme des Gedächtnisses und anderer kognitiver Fähigkeiten. Für diese gebe es im Verfahren zwar Anhaltspunkte; diese zögen aber nicht zwingend den Schluss auf eine Demenz nach sich. Im Übrigen deute der Umstand, dass Gurlitt vor einer - durchaus lebensbedrohlichen - Operation ein Testament verfasste, eher darauf hin, dass er sehr wohl in der Lage gewesen sei, abwägende und vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Schließlich konnte sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass Gurlitt bei Errichtung des Testaments an einem sog. Delir gelitten habe, das die Testierfähigkeit zum fraglichen Zeitpunkt aufgehoben hätte. Insbesondere ist der Senat nicht davon überzeugt, dass sein Willensbildungsprozess, der der Testamentserrichtung vorausging, zu einem Zeitpunkt erfolgt wäre, zu dem es zu physischen oder psychischen Komplikationen gekommen wäre. Vieles spreche zudem dafür, dass Gurlitt sowohl bei der Vorbesprechung als auch bei der Beurkundung des Testaments vollständig orientiert war.
Entscheidung rechtskräftig, Zivilverfahren bleibt möglich
Für die von seiner Cousine erstrebte Einholung eines Obergutachtens bestand nach Auffassung des Senats keine Veranlassung. Maßgeblich für die Erbfolge sei deshalb das Testament vom 9. Januar 2014; der vom Nachlassgericht bewilligte Erbschein entspreche der Erbrechtslage.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt zwar die anfechtenden Cousine. Die Kosten für das gerichtliche Gutachten des Sachverständigen und dessen Anhörung sowie die der Zeugen im Beschwerdeverfahren allerdings habe die Stiftung Kunstmuseum Bern als testamentarische Erbin zu tragen habe. Diese für die Klärung der Frage der Testierfähigkeit entstandenen Kosten seien im Beschwerdeverfahren nur deshalb angefallen, weil es das Nachlassgericht unterlassen habe, seinerseits ein entsprechendes Gutachten zu erholen bzw. die Zeugen anzuhören.
Da der Senat die Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden gehabt hätte, nicht zugelassen hat, ist das Erbscheinsverfahren damit rechtskräftig abgeschlossen.
Der Streit könnte sich allerdings trotzdem noch fortsetzen. Denn die Entscheidung des OLG erging im Erbscheinverfahren und schließt einen anschließenden Zivilprozess der Cousine, in welchem sie die Feststellung begehrt, Erbin zu sein, nicht aus. Für einen solchen Prozess wären die Feststellungen des OLG auch nicht bindend. Anders als im Erbscheinverfahren würde dort, wie in Zivilprozessen üblich, der Beibringungsgrundsatz gelten. Auch das Kostenrisiko wäre erheblich höher als im Erbscheinverfahren.
cvl/LTO-Redaktion
OLG München verneint Testierunfähigkeit: . In: Legal Tribune Online, 15.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21474 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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