Bei einer Jugendfreizeit mit dem Titel "Abenteuer Winterwald" sollten Kinder mit einem Messer die Rinde einer Birke abschälen. Eine 9-Jährige schnitzte sich dabei ins Auge. Dafür steht ihr Schadensersatz zu, wie das OLG München entschied.
Die Verantwortlichen einer Jugendfreizeit müssen ein Mädchen für einen Unfall entschädigen, bei dem es sich ein Messer ins Auge gerammt hat. Der Bayerische Jugendring, der die Freizeit im Jahr 2014 veranstaltet hatte, und der Leiter des Ausflugs müssen dem Kind alle materiellen und immateriellen Schäden ersetzen, urteilte das Oberlandesgericht (OLG) München am Montag (Urt. v. 29.07.2019, Az. 21 U 2981/18).
Unter dem Titel "Abenteuer Winterwald" veranstaltete der Bayerische Jugendring die Ferienfreizeit in einem Jugendbildungshaus an einem Baggersee. Ausweislich des Flyers bestand das Programm aus "Feuer machen, Unterschlupf bauen, Spuren lesen." Der damals neunjährigen Klägerin war dabei ein Klappmesser übergeben worden, mit dem sie Rinde von Birken abschälen wollte, um Feuer zu machen. Beim Rindenabschälen geriet ihr das Messer in das rechte Auge. Die Verletzung musste mehrfach operativ versorgt werden, ihr rechtes Auge blieb dauerhaft geschädigt.
Laut den Veranstaltern seien die Kinder ausreichend in den Gebrauch des Messers eingewiesen und überwacht worden. Das Landgericht (LG) Ingolstadt hatte die Klage noch abgewiesen und die Verletzung vertraglicher Pflichten oder von Verkehrssicherungspflichten als nicht nachgewiesen erachtet.
OLG: Belehrung nicht genau genug
Das OLG hob das Ingolstädter Urteil nun aber auf und gab der Klage in vollem Umfang statt. Zwar hätten Kinder im Alter von sieben bis acht Jahren schon ein gewisses Maß an Selbständigkeit und müssten nicht "auf Schritt und Tritt" überwacht werden – es sei auch nicht von vornherein pflichtwidrig, Kindern in diesem Alter im Rahmen einer Freizeit ein Schnitzmesser in die Hand zu geben. Trotzdem bejahte der Senat eine Pflichtverletzung der Veranstalter.
Diese geschah nach Ansicht des OLG bei der konkreten Belehrung und Beaufsichtigung des Mädchens. Die Kinder seien zwar zum Umgang mit Messern generell belehrt worden, aber nicht ausreichend darüber, wie Rinde abzuschälen sei. Außerdem sei sie bei dem Unfall allein gewesen.
Nach Auffassung des Senats ist auch der Hinweis, vom Körper weg zu schnitzen, nicht ausreichend gewesen, wenn – wie hier – die Rinde von einem Baum abgeschält werden sollte. Bei einem Baum könne man eben nicht vom Körper weg schnitzen. Vielmehr hätte den Kindern erläutert werden müssen, dass man das Messer gar nicht zum Scheiden in die Baumrinde verwenden solle, sondern allenfalls vorsichtig als unterstützendes Hilfsmittel beim Ablösen loser bzw. leicht lösbarer Rindenteile. Als erkennbar gewesen sei, dass die Neunjährige mit einem Messer "Rinde abmachen" wollte, hätte es laut Senat entweder einer vorherigen ausdrücklichen Belehrung und Demonstration bedurft oder jemand hätte mit ihr zum Baum gehen und ihr zeigen müssen, wie es geht.
Ein Mitverschulden des Kindes verneinte das Gericht. Die Beweisaufnahme habe keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin mit dem Messer "Unsinn machen" wollte oder aus kindlichem Leichtsinn falsch mit dem Messer umgegangen sei. Revision zum Bundesgerichtshof lies der Senat nicht zu.
acr/LTO-Redaktion
Kind verletzt sich auf Freizeit mit Klappmesser: . In: Legal Tribune Online, 30.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36771 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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