Auch wenn der Patient es so möchte: Ärzte müssen Behandlungen, die gegen medizinische Standards verstoßen, ablehnen, so das OLG Hamm. Ein Zahnarzt kam der Bitte seines Patienten nach und muss dafür ordentlich zahlen.
Verlangt ein Patient eine Behandlung, die gegen einen medizinischen Standard verstößt, muss ein Arzt diese ablehnen. Auch eine eingehende ärztliche Aufklärung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiert kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil (v. 26.04.2016, Az. 26 U 116/14).
Die heute fünfzigjährige klagende Frau aus Herne ließ sich von Ende des Jahres 2008 bis Anfang des Jahres 2010 vom beklagten Zahnarzt behandeln. Sie war mit einer durch einen anderen Zahnarzt eingegliederten Krone im Seitenzahnbereich unzufrieden und äußerte den Wunsch nach einer Sanierung ihrer Frontzähne. Der neu gewählte Zahnarzt stellte in ihrer Funktion gestörte Kiefergelenke, eine sogenannte CMD (craniomandibuläre Dysfunktion), fest.
Diese habe er nach eigenen Angaben zunächst mit einer Aufbissschiene therapieren, sodann die Seitenzähne stabilisieren und erst dann mit der Sanierung der Frontzähne beginnen wollen. Auf Wunsch der Klägerin habe er dann jedoch vorzeitig mit der Frontzahnsanierung begonnen.
Infolgedessen kam es bei der Patientin zu einer zu niedrigen Bisshöhe und einer Kompression der Kiefergelenke. Wegen der nach ihrer Auffassung fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung hat die Frau Schadensersatz verlangt, unter anderem 25.000 Euro Schmerzensgeld, etwa 17.300 Euro Haushaltsführungsschaden sowie die Rückzahlung des an den Zahnarzt geleisteten Honorars von rund 3.750 Euro.
Auch Belehrung über Risiken exkulpiert nicht
Das Landgericht (LG) Bochum hatte der Klage dem Grunde nach stattgegeben, die Ersatzpflicht des Zahnarztes für weitere Schäden festgestellt und ihn zur Rückzahlung des Honorars verurteilt. Die Ermittlung der konkreten Schadenshöhe hat das LG dem - noch durchzuführenden - Betragsverfahren vorbehalten.
Der von einem Sachverständigen beratene 26. Zivilsenat hat diese vom LG dem Grunde nach festgestellte Schadensersatzpflicht des Zahnarztes bestätigt. Zwar habe der fachgerecht therapieren wollen, sich davon aber abbringen lassen und die notwendige Schienentherapie nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt. Die endgültige Frontzahnsanierung habe er behandlungsfehlerhaft zu früh begonnen. Hierdurch sei die Bisshöhe falsch festgelegt worden, es habe sich eine Kompression der Kiefergelenke eingestellt, die durch die weitere Behandlung nicht beseitigt worden sei.
Dem Dentisten würde es auch nicht helfen, wenn die Patientin ausdrücklich von ihm verlangt hätte, die Frontzahnsanierung vorzuziehen. Selbst wenn man, was der Senat mangels hinreichender Darlegung bezweifelt, ein solches Verlangen unterstellte, verstieße die gewünschte Behandlung gegen den medizinischen Standard und hätte nach Ansicht der Richter von ihm abgelehnt werden müssen. Auch eine eingehende ärztliche Belehrung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiere kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen, so der Senat.
Auch den Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Zahnarzthonorars billigen die westfälischen Richter der Patientin zu. Die Leistung des Zahnarztes sei insgesamt unbrauchbar gewesen und könne bei der künftigen zahnärztlichen Behandlung der Klägerin keine Verwendung finden.
ms/LTO-Redaktion
OLG Hamm zu Zahnarzthaftung: . In: Legal Tribune Online, 27.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19802 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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