Wegen Versäumnissen eines Gynäkologen wurde ein Kind zu spät entbunden und kam mit körperlichen und geistigen Schäden zur Welt. Das OLG Hamm verurteilte den Arzt zu einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 400.000 Euro.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat entschieden, dass einem Kind, das 2008 aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers mit einer schweren Hirnschädigung zur Welt kam, ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro zusteht (Urt. v. 19.03.2018, Az. 3 U 63/15).
Die Mutter des Klägers ließ sich während ihrer Schwangerschaft von einem Münsterländer Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe untersuchen und behandeln. Ein im November 2008 in der Praxis des Arztes erstelltes CTG (Kardiotokografie, "Wehenschreiber") ergab einen auf eine Sauerstoffunterversorgung des Kindes hinweisenden pathologischen Befund, das Kind hätte demnach schnellstmöglich entbunden werden müssen. Der Arzt nahm das CTG allerdings erst nach ca. 50 Minuten zur Kenntnis und führte dann weitere Untersuchungen zur Überprüfung des Befundes durch. Danach forderte er die Mutter auf, mit ihrem eigenen Auto nach Hause zu fahren, ihre Tasche zu holen und eine Entbindungsklinik in Münster aufzusuchen.
Letztendlich wurde das Kind mit einer Verzögerung von 45 Minuten entbunden und trug schwere körperliche und geistige Schäden davon. Das OLG gab der Klage des Kindes auf Schadensersatz nun überwiegend statt und verurteilte den Arzt insbesondere zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 400.000 Euro.
Verzögerung führte zu Hirnschaden
Der Arzt habe die Mutter in der Gesamtschau grob fehlerhaft behandelt, so der 3. Zivilsenat. Er habe das CTG zu spät zur Kenntnis genommen und hätte die Mutter aufgrund des Hochrisikobefunds der Untersuchungen gegebenenfalls mit Hilfe eines Rettungswagens in eine nahe gelegene Entbindungsklinik einweisen müssen. Außerdem habe der Arzt es versäumt, der Mutter den Ernst der Lage und die Erforderlichkeit, schnellstmöglich ein Krankenhaus aufzusuchen, hinreichend zu verdeutlichen.
Die Verzögerung bei der Entbindung sei jedenfalls mitursächlich für den eingetretenen Hirnschaden, entschied das OLG. Der dem Arzt obliegende Beweis dafür, dass der Hirnschaden auch ohne Behandlungsfehler eingetreten wäre, wurde nicht erbracht.
Der Fall könnte bald auch den Bundesgerichtshof beschäftigen, da der Arzt bereits eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat.
acr/LTO-Redaktion
OLG Hamm zu Behandlungsfehler: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28441 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag