Eine Frau wollte ihren Arzt als Erben einsetzen. Das ist möglich, entschied das OLG Frankfurt. Obwohl die Berufsordnung Ärzten verbietet, Vorteile oder Geschenke von Patienten anzunehmen. Das Verbot sei verfassungskonform auszulegen.
Behandelnde Ärzte können wirksam als Erben eingesetzt werden. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt führt eine solche Erbeinsetzung nicht zur (Teil-) Nichtigkeit eines Testaments (Beschl. v. 21.12.2023, Az. 21 W91/23).
Im konkreten Fall befand sich die später verstorbene Frau zunächst in ärztlicher Behandlung. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin war offenbar so eng, dass sie ihn in ihrem Testament neben Freunden und Verwandten zum Miterben einsetzte. Sie legte ihm das Testament vor und bat darum, dass er ihre Testierfähigkeit bestätigt. Gefragt, getan – damit war der Arzt als Erbe eingesetzt. Nach dem Tod der Frau stellte der Arzt bei Gericht einen Antrag auf Erteilung des Erbscheins (§ 2353 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Damit war er nicht allein: Zwei weitere Miterben forderten einen Erbschein an. Einer von ihnen hielt die Erbeinsetzung des Arztes und damit auch das Testament teilweise für unwirksam, beanspruchte also einen größeren Teil des Erbes für sich.
Das Amtsgericht (AG) Kassel gab dem Miterben im Kern Recht. Das Testament sei teilweise nichtig wegen Verstoßes gegen die Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (BO-Ä). § 32 BO-Ä verbietet es Ärzten, von Patienten Geschenke oder andere Vorteile anzunehmen oder sich versprechen zu lassen, wenn dadurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.
OLG: Nichtigkeitsfolge wäre "unangemessener Eingriff in Testierfreiheit"
Wenn ein Arzt noch zu Lebzeiten davon erfährt, vom Patienten als Erbe eingesetzt zu werden, und sogar dessen Testierfähigkeit bescheinigen soll, liegt der Anschein eines solchen Interessenkonflikts durchaus nahe. Doch führt ein Verstoß auch zur Nichtigkeit des Testaments?
Das AG meinte schon, das OLG jedoch sah das anders und gab dem Arzt Recht. Zwar sei § 32 BO-Ä ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB, ein Verstoß gegen dieses habe also grundsätzlich die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Jedoch schütze § 32 BO-Ä nicht denjenigen, der das Testament errichtet. Die Vorschrift richte sich vielmehr in erster Linie an den behandelnden Arzt als Mitglied der Ärztekammer. Ein gegen Testierende gerichtetes Testierverbot sei darin aber nicht enthalten. "Eine solche Auslegung würde einen unangemessenen Eingriff in die durch [das Grundgesetz] geschützte Testierfreiheit darstellen", so das Gericht. Damit behandelte der Senat § 32 BO-Ä anders als vergleichbare Verbotsgesetze im Bereich der Pflege in Heimen.
Weil über diese Auslegung aber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei, ließ das OLG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zu.
xp/LTO-Redaktion
OLG Frankfurt zur Testierfreiheit: . In: Legal Tribune Online, 04.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53548 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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