Wer Homosexuelle als "a-sexuelle Erotikvereinigungen" abwertet und im Zusammenhang mit ihrem Adoptionsrecht von einem möglichen "Horror-Kinderschänder-Szenario" spricht, macht sich nach Auffassung des OLG Frankfurt nicht strafbar.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hat den Freispruch für den Kasseler Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera wegen Aussagen über Homosexuelle bestätigt.
Wie das OLG Frankfurt am Montag mitteilte, wurde die Revision der Staatsanwaltschaft Kassel verworfen. Es handele sich bei den teilweise überspitzten und polemischen Aussagen insgesamt um eine nicht strafbare Meinungsäußerung, hieß es zur Begründung (Urt. v. 8.2.2022, Az. 2 Ss 164/21).
Kutschera hatte 2017 im Gespräch mit dem Internetportal kath.net zum Thema "Ehe für alle" über homosexuelle Beziehungen hergezogen und diese mit Kindesmissbrauch in Zusammenhang gebracht. Laut OLG Frankfurt bezeichnete er unter anderem homosexuelle Paare als "a-sexuelle Erotikvereinigungen" und warnte im Zusammenhang mit dem Adoptionsrecht vor einem möglichen "Horror-Kinderschänder-Szenario". Daraufhin hatten mehrere Menschen - darunter Homosexuelle - den früheren Professor der Uni Kassel angezeigt.
In erster Instanz war der Professor im August 2020 vom Amtsgericht Kassel wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Im März 2021 sprach das Landgericht Kassel ihn dann jedoch vom Vorwurf der Beleidigung, der üblen Nachrede und Volksverhetzung frei. Gegen diese Entscheidung ging die Staatsanwaltschaft dann in Revision, blieb damit aber nun erfolglos.
"Polemisch und überspitzt"
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils, so das OLG, habe keine Rechtsfehler ergeben. Zutreffend habe das LG festgestellt, dass die Äußerungen in Bezug auf gleichgeschlechtliche Paare in ihrer Gesamtheit nicht auf die persönliche Ehre von Einzelpersonen durchschlagen und die Angaben des Angeklagten als von der Meinungsfreiheit gedeckt angesehen.
"Mit der Bezugnahme auf 'lesbische Frauen' oder 'homosexuelle Männer' wird eine unüberschaubare Gruppe angesprochen", hieß es in einer Erklärung des Gerichts am Montag. Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung sei unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes einer Äußerung zu bewerten. Dabei sei im vorliegenden Fall eine Trennung von tatsächlichen und wertenden Bestandteilen einer Äußerung nicht möglich gewesen, ohne dass der Sinn der Äußerung des Angeklagten verfälscht werde.
Die Äußerungen Kutscheras seien deshalb im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung anzusehen. Als Bestandteil des geistigen Meinungskampfes in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage seien die teilweise polemischen und überspitzten Meinungsäußerungen des Angeklagten nicht als Schmähkritik zu werten und daher nicht strafbar.
Das Urteil des OLG Frankfurt ist nicht anfechtbar.
hs/LTO-redaktion/dpa
OLG Frankfurt zur Verunglimpfung von Homosexuellen: . In: Legal Tribune Online, 28.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47664 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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