Mit harten Vorwürfen sah sich am Dienstag das OLG München konfrontiert. Das Gericht missachte Grundrechte ihrer Mandantin, so die Verteidiger von Beate Zschäpe. Weil man eine betagte Zeugin nicht befragt habe, sei es nun zu spät für eine Entlastung ihrer Mandantin.
Im NSU-Prozess hat die Verteidigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe das Oberlandesgericht (OLG) München und die Bundesanwaltschaft scharf attackiert. Der Senat habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, sagte Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer am Dienstag.
Anlass für die Attacke war der Umgang mit einer betagten Frau, die einst Wand an Wand mit Zschäpe und den beiden anderen mutmaßlichen NSU-Terroristen in Zwickau lebte. Sie sei als Entlastungszeugin für Zschäpe in Frage gekommen. Die Justiz habe es aber versäumt, sie zu befragen. Mittlerweile sei sie dement.
Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, in Mordabsicht den Tod der Nachbarin in Kauf genommen zu haben, als sie die Fluchtwohnung in Brand setzte. Ein Polizeivermerk habe aber nahegelegt, dass Zschäpe an deren Wohnungstür geklingelt haben könnte, um sie zu warnen, sagte Heer. Zschäpes Verteidigung habe außerdem frühzeitig darauf hingewiesen, dass sich der Zustand der damals 89-jährigen Frau verschlechtern könne und "Beweismittelverlust" drohe. Der sei nunmehr eingetreten, weil die Nachbarin nicht mehr vernehmungsfähig sei.
Verteidigung sieht Beweismittelverlust
Nach Informationen der Verteidigung soll Zschäpe bei der alten Dame geklingelt haben, bevor sie das Feuer legte. Zschäpe hatte die Fluchtwohnung des Trios am 4. November 2011 zerstört, nachdem ihre beiden Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich nach einem gescheiterten Banküberfall das Leben genommen hatten. Erst damit war der "Nationalsozialistische Untergrund" aufgeflogen - es kam heraus, dass das Trio zehn Menschen ermordet und zwei Sprengstoffanschläge verübt haben soll.
Die Verteidigung des Mitangeklagten Ralf Wohlleben will einen Zeugen aus Ecuador laden lassen. Bei dem Mann handelt es sich um einen Schweizer Staatsbürger, der früher einen Waffenhandel betrieb und später auswanderte. Dieser Mann werde aussagen, dass er Waffen vom Typ "Ceska" an einen Mann aus dem thüringischen Apolda verkauft habe, hieß es. Eine Waffe dieses Typs war die wichtigste Mordwaffe des NSU-Trios. Mit ihr waren neun der zehn Morde begangen worden.
Zu Beginn des Prozesstags hatten am Dienstag zwei Ermittler des Bundeskriminalamtes die Durchsuchungen der Wohnungen von Wohlleben und André E. geschildert. Beide sind als Helfer des Trios angeklagt.Bei den Durchsuchungen stellten die Ermittler demnach zahlreiche Unterlagen und Datenträger sicher.
Einen Befangenheitsantrag der 39-jährigen Zschäpe von Ende Juli gegen sämtliche Richter des Staatsschutzsenats hatte das Gericht abgelehnt. Auch ihrer Verteidiger konnte sie sich nicht entledigen, da das OLG nicht von einem zerrütteten Vertrauensverhältniss ausging.
dpa/avp/LTO-Redaktion
NSU-Prozess in München: . In: Legal Tribune Online, 14.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13483 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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