Die deutsche Schieneninfrastruktur ist in einem miserablen Zustand. Das liegt auch an fehlendem Wettbewerb, so die Monopolkommission. In ihrem nun vorgestellten Sektorgutachten machen die Experten weitreichende Verbesserungsvorschläge.
Sanierungsbedürftige Gleise, überalterte Brücken und störanfällige Weichen verursachen immer wieder Zugverspätungen. Im Jahr 2022 waren nur rund 65,2 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich. Dies lasse sich auf zu wenig Wettbewerb zurückführen, so die Monopolkommission. Das aus unabhängigen Wirtschaftsexperten bestehende Beratungsgremium der Bundesregierung schlägt daher einerseits eine Neugestaltung des DB-Konzerns und andererseits eine Reform des Regulierungsrechts vor.
Prof. Dr. Jürgen Kühling, Vorsitzender der Monopolkommission, erklärt auf Anfrage von LTO das Grundproblem der Deutschen Bahn: "Es fehlt der Druck durch Wettbewerber, sich in vielen Dimensionen zu verbessern, vor allem bezüglich Preis und Qualität. Die DB hat im Fernverkehr 96 Prozent Marktanteil und zugleich dort die schlechtesten Pünktlichkeitswerte. Da kann man schon einen Zusammenhang zwischen fehlendem Wettbewerb und schlechter Qualität herstellen. Zudem zeigen Erfahrungen in anderen Ländern, z. B. Spanien und Italien, dass durch vermehrten Wettbewerb im Fernverkehr die Ticketpreise drastisch gesunken sind."
Umgestaltung des DB-Konzerns
Die Bundesregierung plant deshalb bereits seit einiger Zeit eine Neustrukturierung des DB-Konzerns. Dabei sollen die bisherigen Infrastrukturgesellschaften DB Netz und DB Station & Service zu einer neuen gemeinwohlorientierten Gesellschaft, der "InfraGo", verschmolzen werden.
Diese Gesellschaft solle weitgehend unabhängig vom restlichen DB-Konzern sein, empfiehlt die Monopolkommission in ihrem am Dienstag veröffentlichten 9. Sektorgutachten Bahn. Konkret bedeutet dies eine Vermeidung von personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen. Am besten sei aber eine komplette eigentumsrechtliche Trennung der Infrastruktur-Gesellschaft und dem DB-Konzern im Übrigen. Nur so habe der Infrastrukturbetreiber tatsächlich Interesse an einer vollständigen effizienten Auslastung der Schienen.
Für die Manager des Konzerns könnte insbesondere ein Vorschlag unangenehm werden: Die Bonuszahlungen sollten stärker an strenge Pünktlichkeitsziele geknüpft werden, so die Monopolkommission.
Reform des Regulierungsrechts
Außerdem stellt das Gremium fest, dass die bestehenden Regulierungsinstrumente für eine gute Schieneninfrastruktur nicht ausreichend seien. So sieht zum Beispiel §39 Abs. 2 Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG) Ausgleichzahlungen zwischen Verkehrsunternehmen und der DB Netz AG bei Verspätungen vor. Dieses Anreizsystem habe jedoch viele Defizite, so der aktuelle Bericht.
Die Experten schlagen deshalb vor, bei den Trassenentgelten einen Zu- oder Abschlag je nach Netzqualität zu machen. Diese Entgelte bezahlen Verkehrsunternehmen für die Nutzung der Schieneninfrastruktur. Schlechte Schienen würden dann weniger Einnahmen für die Infrastrukturgesellschaft der DB bedeuten.
Das Beratungsgremium betont außerdem, dass für den Wettbewerb zwischen Ticket-Dienstleistern die Daten zu Fahrtzeiten und Ausfällen wichtig seien. Diese hatte die DB in der Vergangenheit für sich behalten. Die neue EU-Fahrgastrechteverordnung ist laut der Kommission der richtige regulierungsrechtliche Weg, weil sie die Bahn zur Weitergabe von Mindestreiseinformationen an Tickethändler verpflichtet. Das Kartellrecht könne hier nur ergänzend wirken, weil die Verfahren zu langsam seien.
Insgesamt macht die Monpolkommission in ihrem Gutachten detaillierte Vorschläge für einen besseren Bahnverkehr durch mehr Wettbewerb. Es bleibt abzuwarten, wie die neue Gesellschaft "InfraGO" politisch umgesetzt wird, weil sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bereits gegen eine Zerschlagung der Deutschen Bahn ausgesprochen hat.
Empfehlungen der Monopolkommission für den Zugverkehr: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52147 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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