Wird die Miete vom Sozialamt gezahlt, stellt sich die Frage, was mit der Wohnung passiert, wenn der Sozialhilfeempfänger ins Gefängnis muss. Das LSG entschied, dass die Miete in bestimmten Fällen weiter gezahlt werden muss.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) mit Sitz in Celle hat in einem am Montag veröffentlichten Urteil (v. 24.06.2021, Az. L 8 SO 50/18) entschieden, dass die Miete eines Häftlings in bestimmten Fällen vom Sozialamt übernommen werden muss.
Ein Mann aus Stade wohnte seit 2005 in einer Zweizimmerwohnung. Die Kaltmiete von 225 Euro zahlte das Jobcenter. Der 43-Jährige steht wegen einer instabilen Persönlichkeitsstörung und Alkoholismus unter Betreuung.
Im Jahr 2014 musste der Mann eine rund sieben Monate lange Freiheitsstrafe antreten. Er beantragte beim Sozialamt die Übernahme der Mietkosten während seiner Zeit in Haft, damit er nach seiner Entlassung in seine alte Wohnung zurückkehren könne. Das Sozialamt lehnte den Antrag jedoch ab. Eine solche Übernahme der Mietkosten während der Haft werde nur für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten übernommen. Der Betreuer des 43-Jährigen könne sich nach der Haftentlassung um eine neue Wohnung kümmern.
LSG: "Keine starren Grenzen"
Dieser Auffassung widersprach das LSG nun und verpflichtete das Sozialamt zur Übernahme der Mietkosten. Wenn der Mann aus der Haft entlassen würde und keine Wohnung mehr habe, würden ihm "besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten" drohen, die er nicht aus eigener Kraft überwinden könne, begründete das LSG seine Entscheidung. Der Stadener habe eine "instabile Persönlichkeit mit geminderter Frustrationstoleranz und Affektstörung". Es sei daher wichtig, dass er nach seiner Haft geordnete Verhältnisse und insbesondere seine vertraute Wohnung vorfinde.
Außerdem würden durch einen Wohnungswechsel, so das Gericht, ebenfalls spürbare Kosten anfallen. Daher solle die seit fast zehn Jahren bewohnte Wohnung gehalten werden. Selbst wenn ein Wohnungswechsel zumutbar wäre, so habe es das Sozialamt versäumt, dem Mann schnelle Orientierungshilfe zu bieten, so das LSG.
Das LSG hat das Sozialamt entsprechend zur Zahlung der Mietkosten verurteilt. Das Amt muss wegen der rechtswidrigen Ablehnung der Mietkosten auch die Kosten für die Verteidigung gegen die Räumungsklage in Höhe von 2.000 Euro tragen.
Carsten Kreschel, Pressesprecher des LSG Celle, erläutert die Entscheidung des Gerichts: "Ob die Miete übernommen werden muss, hängt immer von einer Prognose im Einzelfall ab. Je näher die Entlassung rückt, desto konkreter kann ein Anspruch werden und je länger die Haft noch dauert, desto schwieriger wird es für die Betroffenen. Grundsätzlich gibt es aber keine starren Grenzen."
ast/LTO-Redaktion
LSG Celle: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45684 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag