Wegen der Pandemie gelten vorübergehend Mietkosten von Hartz IV-Empfängern grundsätzlich als angemessen. Einer weiteren Prüfung bedarf es laut LSG Celle nicht. Doch in einem anderen Beschluss formuliert das Gericht auch Grenzen.
Der neue § 67 Abs. 3 Sozialgesetzbuch II (SGB II) sieht vor, dass in den Corona-Zeiten für sechs Monate keine Prüfung der Angemessenheit der Mietkosten von Hartz IV-Leistungsbeziehern erfolgt. Dies gilt auch unabhängig davon, ob die Hilfsbedürftigkeit durch die Pandemie verursacht wurde, erläutert das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) (Beschl. v. 29.9.2020, L 11 AS 508/20 B ER). Die Vorschrift führe aber nicht dazu, dass ein Jobcenter "sehenden Auges" Leistungen zu Unrecht gewähre, stellt das Gericht an anderer Stelle klar (Beschl. v. 22.9.2020, L 11 AS 415/20 B ER).
Eine Familie aus der Region Hannover lebte mit vier Kindern in einer Vierzimmerwohnung. Als dann ein weiteres Kind geboren wurde, zog die Familie im September 2020 in ein Einfamilienhaus mit sechs Zimmern. Die Mietkosten beliefen sich dafür auf 1.300 Euro, angemessen wären aber nach den üblichen Maßstäben nur 919 Euro gewesen. Das Jobcenter verweigerte daher die Übernahme der vollen Mietkosten.
Dem trat das LSG nun aber entgegen und verpflichtete das Jobcenter zur vollen Zahlung. Aufgrund der Hartz IV Coronaregeln erfolge vorübergehend keine Prüfung, ob die zu zahlende Miete zu teuer sei. Dies gelte unabhängig davon, ob die Wohnung neu oder seit langem bewohnt werde. Außerdem sei nicht relevant, ob die Hilfsbedürftigkeit der Familie oder der Umzug coronabedingt erfolgten. Eine solche Ursächlichkeit fordere § 67 Abs. 3 SGB II gerade nicht. Das Gericht wies abschließend daraufhin, dass die Norm eine unwiderlegbare Fiktion sei, die dem Wortlaut nach keine Begrenzung habe und daher auch auf besonders hohe und sogar Luxusmieten anzuwenden sei.
Keine Übernahme von Leistungen zur Vermögensbildung
Allerdings: Dass es trotzdem gewisse Grenzen gibt, zeigt das LSG in einem anderen Sachverhalt auf: Zugrunde lag der Fall eines Mannes aus dem Landkreis Uelzen, der seit mehreren Jahren Hartz IV bezieht und mit seiner Frau in einem Haus lebt, für das er einen Mietkaufvertrag geschlossen hat. Die monatlichen Raten aus diesem Vertrag hatte das Jobcenter als Miete berücksichtigt. Als jedoch auffiel, dass es sich um Raten zur Abbezahlung des Hauses handelt, verweigerte das Jobcenter ab sofort die Zahlung. Der Mann berief sich auf die Coronaregel aus § 67 SGB II und forderte die Weiterzahlung der Leistungen.
Das LSG bestätigte hier die Ansicht des Jobcenters. Jobcenter dürften keine Leistungen übernehmen, die zu einer Vermögensbildung führen, wie es bei den Kaufpreisraten der Fall sei und bei normalen Mietzahlungen eben nicht. Damit waren die Leistungen fehlerhaft. Ein Anspruch auf Fortbewilligung bestehe auch nicht wegen § 67 Abs. 5 S. 3 SGB II, denn die Vorschrift dürfe nicht dazu führen, dass ein Jobcenter "sehenden Auges" zu Unrecht Leistungen gewähre.
ast/LTO-Redaktion
Hartz IV und Corona: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43138 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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