Nach dem neuen PolG NRW können Personen zur Identitätsfeststellung bis zu sieben Tage lang festgehalten werden. Wer sich die Fingerkuppen verklebt und seine Personalien verschweigt, darf sich darüber nicht beschweren, so ein LG.
Das Landgericht (LG) Mönchengladbach hat die Beschwerden von vier Braunkohlegegnern gegen ihre Ingewahrsamnahme zur Identitätsfeststellung nach dem neuen Polizeigesetz (PolG) NRW zurückgewiesen (Beschl. v. 08.08.2019, Az. 5 T 35/19 und 5 T 37/19).
Die Aktivisten drangen in das Tagebaugelände Garzweiler ein und versuchten dort, einen Braunkohlebagger zu besetzen. Die hinzugerufene Polizei konnte ihre Identität nicht feststellen: Sie hatten sich die Fingerkuppen mit Sekundenkleber verklebt und weigerten sich, Angaben zu ihren Personalien zu machen. Das Amtsgericht (AG) Erkelenz ordnete, nachdem die Aktivisten auch in der richterlichen Anhörung keine Angaben zu ihrer Person machen wollten, eine fünftägige Ingewahrsamnahme an, da bis dahin zu erwarten sei, dass sich die Verklebungen an den Fingerkuppen gelöst haben würden.
Zwei von ihnen teilten nach der Anordnung der Ingewahrsamnahme dann doch noch ihre Personalien mit und wurden daraufhin entlassen. Die anderen beiden verblieben hingegen bis zum Ende der vom Gericht angeordneten Dauer in Gewahrsam. Ihre Identitäten sind auch heute noch unbekannt.
Vor dem LG wollten die Aktivisten die Rechtswidrigkeit ihrer Ingewahrsamnahme festgestellt sehen - allerdings ohne Erfolg. Die Anträge der beiden anonym gebliebenen Personen verwarf das Gericht aus prozessualen Gründen als unzulässig. Das deutsche Verfahrensrecht kenne keine anonymen Rechtsmittel, so die Kammer zur Begründung. Die Angabe der Personalien sei jedenfalls dann unverzichtbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde, wenn der eigentliche Grundrechtseingriff bereits beendet ist. Das Erfordernis der Identifikation verletze die Braunkohlegegner auch nicht in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz.
LG: Eine bewusst provozierte Ingewahrsamnahme
Die Anträge der anderen beiden, die nicht anonym geblieben waren, wies das LG dagegen als unbegründet zurück. Laut LG hätten sie absichtlich ihre Fingerkuppen verklebt und Angaben zu ihrer Identität verweigert, um eine Ingewahrsamnahme zu provozieren. Das Verhalten der Betroffenen insbesondere in der gerichtlichen Anhörung habe Anlass für die Annahme gegeben, die Aktion sei gerade darauf angelegt, eine gerichtliche Entscheidung über die neuen Regelungen des Polizeigesetzes NRW zur Ingewahrsamnahme zu provozieren.
Alle Betroffenen seien dabei von demselben Rechtsanwalt vertreten worden, mit dem sie zur telefonischen Kommunikation namensersetzende Nummern abgesprochen hatten, damit dieser sie identifizieren konnte. Im Falle einer Entlassung sei laut Gericht zu erwarten gewesen, dass die Aktivisten, ohne dass ihnen gegenüber ein polizeiliches Betretensverbot hätte ausgesprochen werden können, erneut das Tagebaugelände betreten.
Unverhältnismäßig sei die die Dauer der Ingewahrsamnahme ebenfalls nicht gewesen, entschied das Gericht. Es sei den Aktivisten jederzeit möglich gewesen sei, durch Angaben zu ihrer Identität ihre Freilassung herbeizuführen. Von den Aktivisten geäußerten Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der hier wohl erstmals zur Anwendung gekommenen Regelung des § 38 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 PolG NRW teilt die Kammer nicht. Dabei verwies sie insbesondere darauf, dass das Polizeigesetz eine über zwölf Stunden hinausgehende Ingewahrsamnahme zur Identitätsfeststellung nur in Fällen vorsehe, in denen die Identitätsfeststellung vorsätzlich verhindert werde.
acr/LTO-Redaktion
Beschwerden von Aktivisten zurückgewiesen: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36951 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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