Nach einer Corona-Impfung erlitt eine Frau einen starken Hörschaden. Dies führt sie auf das Vakzin von AstraZeneca zurück und fordert nun vom Hersteller Schmerzensgeld – doch das LG Mainz verweigerte ihr dieses ohne Beweisaufnahme.
Das Landgericht (LG) Mainz hat die Klage einer Frau gegen AstraZeneca wegen eines möglichen Corona-Impfschadens auf Schmerzensgeld abgewiesen (Urt. v. 21.08.2023, Az. 1 O 192/22). Die Urteilsbegründung werde noch schriftlich ergehen, die klagende Frau müsse die Kosten für das Verfahren tragen, verkündete die Vorsitzende Richterin in dem Zivilprozess am Montag in Mainz.
Die Zahnärztin hatte in ihrer Klage gegen AstraZeneca ein Schmerzensgeld von mindestens 150.000 Euro gefordert. In der mündlichen Verhandlung Ende Juni hatte sie vorgetragen, sie habe sich aus Verantwortung gegenüber ihrer Familie, ihren Patienten und der Gesellschaft impfen lassen. In dem Impfzentrum sei sie aber nicht ausreichend und nur oberflächlich über die möglichen Nebenwirkungen und Risiken des Impfstoffs aufgeklärt worden. Sie sei wegen des von der Berufsgenossenschaft anerkannten Hörschadens auf der rechten Seite lange krankgeschrieben gewesen und habe immer noch Beschwerden. Im Herbst solle es eine berufliche Wiedereingliederung geben.
Die Anwälte der Frau verwiesen in ihrer Klagebegründung auch auf die Situation im Frühjahr 2021, als AstraZeneca-Impfungen vorübergehend ausgesetzt worden waren. Grund waren seltene Fälle von Hirnvenenthrombosen (Blutgerinnsel) in Kombination mit einer reduzierten Zahl von Blutplättchen. Unter anderem die europäische Arzneimittelbehörde EMA nahm die Fälle unter die Lupe. Ergebnis: Der Nutzen der Impfung überwiege eindeutig das Risiko.
Dass das LG nun dem Antrag von AstraZeneca, die Klage abzuweisen, stattgab, kann die Betroffene, die zum Zeitpunkt der Impfung mit AstraZeneca 40 Jahre alt war, nicht nachvollziehen. "Mein Impfschaden ist offiziell von der Berufsgenossenschaft anerkannt", sagte sie am Montag. Es sei nicht verständlich, weshalb das Landgericht nicht in die Beweisaufnahme gegangen ist.
In einem anderen Verfahren gegen AstraZeneca wird ein Gutachten eingeholt
Eine solche Beweisaufnahme wird es nämlich in einem anderen Zivilprozess gegen den schwedisch-britischen Impfstoff-Hersteller geben, die seit Anfang Juli vor dem Oberlandesgericht (OLG) Bamberg verhandelt wird (Az. 4 U 15/23 e). Hierauf wies auch der Anwalt der Klägerin vor dem LG Mainz hin.
In diesem Verfahren um einen mutmaßlichen Corona-Impfschaden beabsichtigt das Gericht - im Gegensatz zum LG Mainz - die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der OLG-Senat hatte in einem Hinweisbeschluss vom 14. August, über den LTO berichtet hatte, Zweifel daran erkennen lassen, ob AstraZeneca ausreichend über Nebenwirkungen informiert hat. Dass AstraZeneca über die bei der in jenem Fall klagenden Frau eingetretenen Thromboserisiken vor dem Impfzeitpunkt nicht im Rahmen der Fachinformation informiert hatte, ist unstreitig. Das Gutachten soll klären, ob ein solcher Hinweis angesichts des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse geboten war.
Wie das LG Mainz hatte auch im fränkischen Verfahren das LG Hof in erster Instanz zunächst kurzen Prozess gemacht - zum Unmut des dortigen Klägervertreters Volker Loeschner: "Was hier in Mainz passiert ist, spricht für denselben für mich absolut unverständlichen Ablauf, den auch wir in erster Instanz erfahren haben. Das LG Hof ist nicht in die Prüfung eingestiegen und hat uns auch tatsächlich mit einem Urteil überrascht", so Loeschner am Montag gegenüber LTO.
Der Anwalt der klagenden Frau vor dem LG Mainz hält die Fälle für vergleichbar. Er sagte am Montag, seine Mandantin sei zwei Tage vor der klagenden Frau im Verfahren vor dem OLG Bamberg geimpft worden. Er bezeichnete die Entscheidung des LG als "Fehlurteil", das einen "Bärendienst" für die Impfbereitschaft der Menschen in einer neuen Pandemie leiste. Die klagende Frau kritisierte, die Bundesregierung habe - anders als andere Länder - zu lange an AstraZeneca als Impfstoff festgehalten. Sie fürchte, dass ihr Fall erst vom Europäischen Gerichtshof entschieden werden müsse. Das Urteil des LG vom Montag sei ein "Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen".
Rechtskräftig ist die Entscheidung noch nicht. Der Anwalt der Zahnärztin kündigte an, Berufung zum OLG Koblenz einzulegen.
mk/dpa/LTO-Redaktion
LG Mainz verzichtet auf Gutachten: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52525 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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