Mit Drohungen und rassistischen Beschimpfungen hat der Angeklagte Todesangst verbreitet. Nun hat das Frankfurter Landgericht nach einem langwierigen Prozess ein Urteil gegen den 54-Jährigen gesprochen.
Im Frankfurter Prozess um die "NSU 2.0"-Drohschreiben ist der Angeklagte zu fünf Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der aus Berlin stammende Alexander M. hatte nach Auffassung des Gerichts per E-Mail, Fax oder SMS eine Serie von hasserfüllten und rassistischen Drohschreiben an Rechtsanwälte, Politikerinnen, Journalistinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens gerichtet.
Das Frankfurter Landgericht (LG) sprach den 54-Jährigen am Donnerstag unter anderem der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, der Volksverhetzung, der Störung des öffentlichen Friedens, der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, der Bedrohung, eines tätlichen Angriffs auf einen Vollstreckungsbeamten sowie der Beleidigung für schuldig. Der Angeklagte selbst hatte die Vorwürfe am Donnerstag in seinem letzten Wort erneut zurückgewiesen.
Zu den Adressaten der Drohschreiben gehörten auch Satiriker Jan Böhmermann, Moderatorin Maybritt Illner und Kabarettistin Idil Baydar. Begonnen hatte die Serie im August 2018 mit Todesdrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie. Die Schreiben waren mit "NSU 2.0" unterzeichnet – in Bezug auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).
Angeklagter: "Herumtrollerei auf hohem Niveau"
Die Anklage hatte siebeneinhalb Jahre Haft unter anderem wegen Beleidigung und versuchter Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung gefordert. Die persönlichen und öffentlich nicht zugänglichen Daten der Empfängerinnen und Empfänger habe M. unter Vorspiegelung falscher Identitäten von verschiedenen Polizeidienststellen erhalten, hieß es im Plädoyer der Staatsanwaltschaft.
Der Angeklagte hatte sein eigenes Plädoyer gehalten und einen Freispruch verlangt. Er sei lediglich Mitglied einer Chatgruppe im Darknet gewesen, deshalb seien auf seinem Computer Teile der Drohschreiben gefunden worden. Die Drohungen seien niemals ernsthaft gewesen, fügte er hinzu: "Das Projekt NSU 2.0 war nur Herumtrollerei auf hohem Niveau."
Die Nebenklägerinnen - die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) und die Frankfurter Anwältin Başay-Yıldız - hatten weitere Aufklärung gefordert. Zumindest für das erste Schreiben bestünden Zweifel an einer Täterschaft von M.. Auch die Verteidigung kritisierte, dass die Staatsanwaltschaft von einem Einzeltäter ausgehe und wies auf einen Polizisten des 1. Polizeireviers in Frankfurt hin, dessen Rolle in dem Verfahren nicht hinreichend aufgeklärt worden sei.
Gegen den Mann wird im Zusammenhang mit einer Chatgruppe mit rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Inhalten ermittelt, im Prozess gegen M. machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Auf die Chatgruppe stießen die Ermittler, als sie die Abfrage der Daten von Başay-Yıldız und ihrer Familie von einem Polizeicomputer untersuchten. Dabei war in drei Datenbanken eine ungewöhnliche Menge von Daten abgerufen worden.
*Başay-Yıldız sagte, sie gehe nicht von einer Einzeltäterschaft aus. Es sei unklar, wie eine gesperrte Adresse von ihr zu dem aus Berlin stammenden Täter gelangt sei, die er nicht einfach durch eine telefonische Abfrage habe erlangen können. Dies müsse mit Nachdruck weiter verfolgt werden. "Er muss Hilfe gehabt haben", sagte die Anwältin.
"Unserer Ansicht nach hätte mindestens ein Polizeibeamter auf der Anklagebank sitzen müssen", so Başay-Yıldız weiter. Auch ihre kleine Tochter sei bedroht worden. Und bis heute wisse sie noch immer nicht, von wem Gefahr drohe. Das Gericht habe auf ein weiteres Verfahren gegen Frankfurter Polizisten wegen Volksverhetzung verwiesen, hier müsse noch Aufklärung betrieben werden.
dpa/acr/LTO-Redaktion
*Absätze eingefügt am Tag der Veröffentlichung, 16:56 Uhr
LG Frankfurt am Main: . In: Legal Tribune Online, 17.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50203 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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