Im Loveparade-Strafprozess am LG Duisburg wurde zuletzt am 4. März verhandelt – es war der 183. Verhandlungstag. Nun schlägt das Gericht die Einstellung vor. Wegen der Coronakrise sei nicht absehbar, wann die Verhandlung weitergehen kann.
Das Landgericht (LG) Duisburg hat wegen der Coronakrise die Einstellung des Loveparade-Strafprozesses nach § 153 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) vorgeschlagen. Damit würde der Prozess ohne Urteil beendet. Die Verfahrensbeteiligten sollen bis zum 20. April Stellung nehmen. Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie sei nicht absehbar, wann und wie die derzeit unterbrochene Verhandlung fortgesetzt werden könne, teilte das Gericht am Dienstag mit.
Die Kammer hält es laut der Pressemitteilung des Gerichts zwar für wahrscheinlich, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfene Tat nachgewiesen werden könnte – allerdings nur, wenn es möglich wäre, die Hauptverhandlung ohne zeitliche Beschränkungen fortzusetzen. "Da dies nicht der Fall ist, besteht allerdings nur noch eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, den angeklagten Sachverhalt verurteilungsreif aufzuklären", so das Gericht.
Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg gab es am einzigen Zu- und Abgang zum Veranstaltungsgelände ein so großes Gedränge, dass 21 Menschen erdrückt und mindestens 652 verletzt wurden. Angeklagt sind drei Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Sie haben einer Verfahrensbeendigung durch Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von etwa 10.000 Euro nicht zugestimmt, weswegen der Strafprozess gegen sie weitergeführt wird. Gegen sieben weitere Angeklagte hatte die 6. Große Strafkammer das Verfahren am 06.02.2019 ohne Auflagen eingestellt. Nun schlägt das Gericht auch in diesen Fällen eine Einstellung ohne Auflagen vor.
Verjährung im Juli
Spätestens am 27. Juli dieses Jahres dürfte hinsichtlich des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung das Prozesshindernis der absoluten Verjährung eintreten, hieß es in der Gerichtsmitteilung. Eine etwaige Schuld der Angeklagten dürfte laut Gericht nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen als gering angesehen werden. Zudem müsse die Kammer die lange Dauer des Verfahrens und die konstruktive Mitwirkung der Angeklagten berücksichtigen. Eine eventuelle Strafe würde sich wohl im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen, so das Gericht.
Die Hauptverhandlung hatte im Dezember 2017 begonnen. Zuletzt wurde am 4. März 2020 verhandelt. Es war der 183. Verhandlungstag. Erst vergangene Woche hatte das Gericht wegen der Coronakrise eine Unterbrechung unbestimmter Dauer mitgeteilt. Im März wurde der Prozess auch schon unterbrochen, weil eine Richterin vorsorglich unter Quarantäne gestellt werden musste. Das Gericht erklärte, allein um die Ergebnisse eines schriftlichen Gutachtens einzuführen, wären zahlreiche zusätzliche Sitzungstage notwendig, zudem müssten mehrere Nebenkläger vernommen und "eine Reihe von psychiatrischen Sachverständigen" gehört werden. Das sei jedoch "mit einer erheblichen Gefährdung aller Verfahrensbeteiligten verbunden".
Die Kanzlei Baum Reiter & Collegen, die zahlreiche Nebenkläger vertreten hat, erklärte: "Wir bedauern, dass der Loveparade-Prozess nach nunmehr fast 10 Jahren Bearbeitung durch Polizei und Justiz ohne ein Gerichtsurteil enden wird." Die Prozessvertreter erwarten, dass die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten der Einstellung zustimmen werden. "Eine Einstellung wird bedeuten, dass die Angeklagten, die nach Einschätzung des Gerichts wahrscheinlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden wären, nicht zur Verantwortung gezogen werden können."
Die Geschädigten und die Angehörigen der Todesopfer seien "maßlos enttäuscht". Die Rechtsanwälte erwarten nun eine Abschlussdebatte des Landtags über die Konsequenzen aus dem gescheiterten Prozess und den Erkenntnissen aus den Sachverständigen-Gutachten.
Im Fall einer Einstellung will die Kammer ihre Erkenntnisse zu den Geschehnissen um die Loveparade 2010 in einem schriftlichen Beschluss zusammenfassen und dessen Inhalt im Rahmen einer zeitlich begrenzten Hauptverhandlung vortragen. Der nächste Sitzungstermin ist auf den 21. April 2020 bestimmt. Ob er stattfinden kann, ist wegen der Pandemie noch unklar.
dpa/acr/LTO-Redaktion
LG Duisburg will nun doch einstellen: . In: Legal Tribune Online, 07.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41244 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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