Der Streit um das Erbe des früheren Arag-Chefs Walter Faßbender hat ein Urteil, aber kein Ende gefunden - nach 34 Jahren. Die Entscheidung des LG dürfte für die klagende Tochter ernüchternd sein.
34 Jahre lang wurde prozessiert, das dokumentiert das beinahe historisch anmutende Aktenzeichen: 5 O 487/83. Es ist der Streit um das Erbe des früheren Arag-Chefs Walter Faßbender, der das Landgericht (LG) Düsseldorf bis heute so lange beschäftigt hat, wie keine andere Rechtssache in seiner Geschichte zuvor. Nun hat es ein Urteil gegeben: Sohn Paul-Otto muss seiner Schwester einen Ausgleich in Höhe von 3,5 Millionen Euro zahlen (Urt. v. 05.04.2017, Az. 5 O 487/83) - und dürfte dies als Sieg verbuchen.
Walter Faßbender hatte testamentarisch sämtliche seiner Anteile am Arag-Versicherungskonzern seinem Sohn Paul-Otto vermacht. Seine jüngere Schwester sollte dafür einen Ausgleich erhalten, doch dessen genaue Höhe blieb nach dem Tod Faßbenders im Jahr 1972 im Dunkeln. Nach langem Familienzwist landete die Sache 1983 schließlich vor Gericht.
Doch im Laufe der Jahre brachten die Prozessparteien keine zweistellige Anzahl an Verhandlungstagen zustande, auch weil der Prozess immer wieder ausgesetzt wurde. Im Oktober vergangenen Jahres wurde schließlich erstmals nach fünfeinhalb Jahren weiterverhandelt.
Streit um Wert der Unternehmensanteile
Zwischenzeitlich waren der Anwalt der klagenden Tochter und ein Sachverständiger verstorben, ein weiterer wurde dement, neue Beteiligte mussten sich erst in die umfangreichen Prozessakten einarbeiten. "Dem Gericht kann man da keinen Vorwurf machen. Das ist unglücklich gelaufen", erkannte auch Prof. Gerd Krieger, Anwalt des beklagten Faßbender-Erben.
Dieser zeigte sich mit dem nun gefallenen Urteil zufrieden: Rund 3,5 Millionen Euro bekam die klagende Schwester seines Mandanten zugesprochen, weit weniger als gefordert war. In dem Rechtsstreit war es vor allem um den Wert der Unternehmensanteile gegangen, welche der heutige Vorstandsvorsitzende Paul-Otto Faßbender geerbt hatte und nach dem sich die Höhe des Ausgleichsanspruchs seiner Schwester bemisst.
Nach dem Teilungsplan sollte die Schwester für den Wert der Unternehmensaktien ihres Bruders entschädigt werden. Allerdings war unklar, ob dabei auch die Auslandsgesellschaften der Arag-Gruppe einzubeziehen sind und wie hoch die Rendite des Eigenkapitals liegt, welche für die Bemessung des Ausgleichsanspruchs maßgeblich ist.
Vor dem OLG geht es weiter
Zu Prozessbeginn mussten Sachverständige den Wert von Unternehmensanteilen für einen Stichtag berechnen, der zu diesem Zeitpunkt bereits elf Jahre zurücklag. "Das ist fast unmöglich", erklärte Krieger, der den Faßbender-Sohn schon seit dem Start des Mammutprozesses vertritt. "Ich will ja auch irgendwann mal in den Ruhestand gehen", erklärte er nun.
Die Entscheidung des LG geht im Wesentlichen zulasten der Klägerin: Sie muss 70 Prozent der Verfahrenskosten tragen. Wie viel die erstrittene Summe von 3,5 Millionen Euro angesichts dessen noch wert ist, kann nur geschätzt werden. Aber der zwischenzeitlich angebotene Vergleich über zehn Millionen Euro dürfte aus Sicht der Tochter nun geradezu verlockend erscheinen.
Daher legte sie auch unmittelbar nach der Urteilsverkündung Berufung zum Oberlandesgericht ein. "Das Gericht ist dem Gutachter gefolgt, der mit seiner abseitigen Bewertung von Anfang an auf dem völlig falschen Dampfer war", kommentierte ihr Anwalt Lambertus Fuhrmann.
Ihr Bruder Paul-Otto hofft nun, dass die Berufung nicht derart lange dauern wird, wie die erstinstanzliche Verhandlung: "Ich will nicht die nächsten 30 Jahre weiter prozessieren", so der Vorstandsvorsitzende der Arag-Gruppe. Er wäre dann 100 Jahre alt.
dpa/mam/LTO-Redaktion
Urteil im "ewigen" Arag-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 05.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22587 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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