Ein Beschluss des LG Berlin in der causa Reichelt schwächt den Quellenschutz: Der Pressekodex sei rechtlich unverbindlich. Ohne eine gesonderte Vereinbarung gebe es daher keine Geheimhaltungspflicht, so das LG Berlin.
In dem kürzlich veröffentlichten Beschluss (v. 06.06.2023, Az. 67 O 36/23) führt das Landgericht (LG) Berlin aus, dass Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt mit dem Verleger der Berliner Zeitung Holger Friedrich eine "veröffentlichungsbezogene Geheimhaltungsvereinbarung" hätte treffen müssen, um Quellenschutz zu erhalten. Reichelt hatte Friedrich gerichtlich auf Unterlassung verklagt. Nach dem Klageantrag sollte dem Verleger verboten werden, zu behaupten, Reichelt habe ihm interne Infromationen aus dem Springer-Konzern zugespielt.
Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das LG aber mangels Verfügungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgelehnt, weil das Gericht keine Persönlichkeitsverletzung Reichelts erkennen konnte. Die Äußerung Friedrichs sei als wahre Tatsachenbehauptung durch die Meinungsfreiheit in Art. 5 GG besonders geschützt. Besondere schutzwürdige Belange von Julian Reichelt lägen nicht vor.
Das LG Berlin begründet die Abwägung in seiner Entscheidung mit einem überwiegenden "Informationsinteresse sowohl seines ehemaligen Arbeitgebers als auch der Öffentlichkeit". Es bestehe ein Interesse daran, "dass er als ehemaliger Chefredakteur mehrerer von einem international tätigen Medienunternehmen verlegter Boulevardblätter die Auseinandersetzung über die Beendigung seines dortigen Beschäftigungsverhältnisses" auch in der Presse führe.
Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus einer etwaigen Geheimhaltungspflicht des Verlegers. Der Pressekodex, der den Informantenschutz vorschreibe, sei rechtlich nicht bindend. Es hätte eines non-disclosure-agreement, also einer Geheimhaltungsvereinbarung, zwischen den Parteien bedurft, damit Friedrich die Information hätte für sich behalten müssen. Für die Annahme einer solchen Vereinbarung fehlt es nach Auffassung des LG im konkreten Fall aber an "zwei übereinstimmenden Willenserklärungen".
Im Ergebnis könne Reichelt deshalb nicht erfolgreich mit seiner Klage auf Unterlassung der Äußerung sein.
lfo/LTO-Redaktion
Beschluss des LG Berlin im Fall Reichelt: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52235 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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